Kupfer-Glas-Migration: Damit das Glasfasernetz seine Wirkung entfalten kann, muss das DSL-Netz zügig abgeschaltet werden: Das betonen die Branchenverbände. Welche Hindernisse zu überwinden sind und was unter- wie oberhalb der Erdoberfläche zu berücksichtigen ist, streicht Verbandschef Frederic Ufer für den VATM heraus.

Glasfaser als Übertragungsmedium ist die Technologie der Zukunft. Sie verbraucht im Vergleich zu den hierzulande millionenfach genutzten Kupferleitungen deutlich weniger Energie und ermöglicht den schnellen Transfer von großen Datenmengen auch bei exponentiellem Wachstum des Datenhungers. Das Glasfasernetz kann seine Wirkung aber erst dann voll entfalten, wenn das DSL-Netz in mittlerer Zukunft abgeschaltet wird.
Diese „Kupfer-Glas-Migration“ von Millionen Kunden stellt komplexe Anforderungen an Internetprovider und Aufsichtsbehörden. Denn die Bürgerinnen und Bürger sind genauso wie die kommunalen Verwaltungen zunehmend auf ein leistungsfähiges Datennetz angewiesen. Netzausfälle sowie Unterbrechungen sind daher tunlichst zu vermeiden.
Kupfer-Glas-Migration
Erst einmal aber müssen wir die Umstellung als historische Chance begreifen, um endlich mit voller Kraft die Weichen für die Zukunft zu stellen. Eine attraktive Internetanbindung ist für Kommunen der zentrale Schlüssel: um Wirtschaftsbetriebe jeder Größenordnung vor Ort zu halten oder neu anzusiedeln, um Zuzug von jungen Familien zu generieren oder Herausforderungen der kommunalen Verwaltung über eine effektive Digitalisierung besser zu meistern.
Doch viele Kunden wollen die Dimension des digitalen Infrastrukturwandels (noch) nicht sehen. Die „Take-Up“-Rate, also der Anteil genutzter Anschlüsse an allen verfügbaren Anschlüssen, liegt aktuell bei mageren 25 Prozent. Immerhin ist die Tendenz steigend und die Vermarktung der Wettbewerber deutlich erfolgreicher als die der Deutschen Telekom (35 Prozent versus 13 Prozent Take-Up-Rate).
Mehr Akzeptanz als wichtiges Ziel
Häufig fehlt es am Bewusstsein für die Tragweite und Vorteile der neuen Technologie sowie dafür, dass gerade in ländlichen Gebieten eine leistungsstarke Internetanbindung der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts ist. Natürlich ist auch bei der Umsetzung, der Kommunikation und dem Vertrieb durch die Unternehmen noch Luft nach oben.
Doch welche Rolle spielt in dieser Situation die Abschaltung der Kupfernetze der Deutschen Telekom?
Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, dass die Telekom noch 24 Millionen DSL-Leitungen unterhält und davon wiederum zehn Millionen von den Wettbewerbern angemietet werden. Jeder einzelne Kunde muss sich auf sichere Prozesse und einen reibungslosen Ablauf der Migration verlassen können, niemand darf den Schritt in seine digitale Zukunft mit Sorge sehen. Denn was wir jetzt brauchen, ist ein Wollen. Ausbau, Vertrieb und Beratung dürfen vor Ort nicht als Belastung, sondern müssen von den Verwaltungen wie auch den Bürgerinnen und Bürgern als Chance wahrgenommen werden.
Plädoyer für eine strenge Aufsicht
Viele haben noch in Erinnerung, wie umständlich und fehleranfällig ein Anbieterwechsel früher oft abgelaufen ist. Ein solcher Eindruck darf sich im Zuge der Abschaltung der Kupfernetze keinesfalls wiederholen. Es bedarf einer aktiven und strengen Aufsicht der Bundesnetzagentur, damit der Prozess der Kupfer-Abschaltung nicht zum Ausbremsen des Wandels missbraucht wird.
Die Deutsche Telekom hat mit der politisch und regulatorisch protegierten DSL-Vectoring-Strategie den deutschen Spätstart bei der Glasfaser verschuldet. Diese Verzögerung sollte Deutschland nun nutzen, um das beste Glasfasernetz mit dem besten Wettbewerb zu bekommen. Die Bundesnetzagentur wird dafür fortlaufend die richtigen Weichen stellen müssen, damit kein Schaden für den Wettbewerb durch unausgegorene Prozessregelungen oder eine unfaire Kostenverteilung entsteht.
Für Deutschland eröffnet sich sogar die Chance auf Überwindung von verkrusteter Marktmacht des Nachfolgers der Bundespost und auf mehr Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt – mit einer für die Bürgerinnen und Bürger attraktiveren Anbietervielfalt und mehr Produkt- und Tarifinnovationen.
Bis in allen rund 46 Millionen Haushalten in Deutschland ein Licht aufgeht und der letzte Meter Kupferleitung erlischt, werden noch viele Jahre vergehen. Häufig wird das Jahr 2030 als mögliches Abschaltdatum genannt. Die EU-Kommission hat für die schnelleren Mitgliedsstaaten sogar 2028 als ins Spiel gebracht.
Doch bevor wir ein Stichdatum festlegen, sollten wir auch hier Besonnenheit walten lassen. Denn Abschaltszenarien – sei es das Verbrenner-Aus oder das Ende der Ölheizung – haben nie verfangen. Eine Fixierung macht erst dann Sinn, wenn die bis dahin erarbeiteten Rahmenbedingungen diese Perspektive belastbar zulassen.
Willkommenskultur für den Wandel
Deutschland braucht eine Willkommenskultur für den digitalen Wandel und die dafür erforderliche Infrastruktur. Die Gemeinden müssen jetzt die Bedeutung der Glasfaser für ihre Teilhabe an der modernen Welt erkennen. Wir wollen Kundinnen und Kunden gewinnen, sich begeistern zu lassen und der Fiber entgegenzufiebern.
Der Autor
Dr. Frederic Ufer ist Geschäftsführer des VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten).
Frederic Ufe