Digitale Verwaltung: Bürger wollen mehr online erledigen

Die digitale Verwaltung in den Kommunen kommt langsam voran. Den Antrag für Personalausweis und Führerschein würden die meisten Bürgerinnen und Bürger inzwischen gern bequem online erledigen – scheitern jedoch häufig noch am fehlenden Angebot. Das zeigt eine repräsentative Befragung von Bitkom zur digitalen Verwaltung. Weiterhin persönlich auf dem Amt möchten die Deutschen dagegen heiraten und sich scheiden lassen.

Digitale Verwaltung
Den Führerschein online beantragen und die Kfz-Ummeldung bequem von zu Hause aus? Die meisten Bundesbürger wünschen sich eine digitale Verwaltung, bei der sie für solche Anträge nicht mehr extra aufs Amt müssen. Foto: Adobe Stock/Noey smiley

Wohnsitzmeldung, Baugenehmigung, Personalausweis oder Bewohnerparkausweis online beantragen – die meisten Deutschen können sich das inzwischen sehr gut vorstellen. Bei lediglich drei von 14 wichtigen Verwaltungsleistungen gibt es laut einer aktuellen Befragung von Bitkom den Wunsch, persönlich vor Ort zu erscheinen: Eheschließung, Scheidung und Strafanzeigen.

Zugleich sagen jeweils 73 Prozent, dass die meisten Behördengange problemlos online erledigt werden könnten und digitale Behördengänge Zeit sparen. In der Praxis haben bisher aber erst 15 Prozent online eine Verwaltungsleistung beantragt und nur knapp ein Drittel (31 Prozent) war damit zufrieden. Der häufigste digitale Kontakt zu Behörden ist die Online-Terminvereinbarung (67 Prozent), mit der immerhin 66 Prozent zufrieden waren.

Trotz aller Kritik schätzt erstmals eine leichte Mehrheit von 52 Prozent den allgemeinen Digitalisierungsgrad ihrer Stadt oder Gemeinde als fortgeschritten ein – vor einem Jahr waren es gerade einmal 40 Prozent. Und 74 Prozent trauen ihrer Stadt- oder Gemeindeverwaltung einen kompetenten Umgang mit dem Thema Digitalisierung zu (2023: 71 Prozent).

Digitale Verwaltung in die Fläche bringen

„Städte und Gemeinden werden in vielen Bereichen digitaler, vom Verkehr und den Schulen bis zur Infrastruktur mit Gigabit-Internet. Aber wenn es um den Kontakt mit der Verwaltung geht, ist vieles noch analog. Bund, Länder und Kommunen müssen das Tempo deutlich erhöhen“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Eine digitale Verwaltung erreichen wir nicht mit immer neuen Leuchtturmprojekten, stattdessen müssen wir die vielen längst vorhandenen und funktionierenden Lösungen in die Fläche bringen.“

Die Mitte Oktober stattfindende Smart Country Convention in Berlin sei, so Wintergerst, eine Möglichkeit, diese Projekte sichtbar zu machen und den notwendigen Austausch zu fördern. „Das Motto muss sein: Das digitale Rad nicht ständig neu erfinden, stattdessen praxiserprobte Lösungen einsetzen.“ Auf der Messe kommen mehr als 15.000 Vertreter von Politik, Wirtschaft, Städten, Gemeinden und Behörden zusammen. Ziel ist, die Digitalisierung der Verwaltung im Bund, in den Ländern und in den Kommunen zu beschleunigen und den Einsatz von Smart-City-Lösungen voranzubringen. Experten des öffentlichen Sektors treffen dabei auf Vordenker der Digitalisierung, um gemeinsam die digitalen Lösungen umzusetzen. „Die starke Präsenz der Bundespolitik mit sechs Ministerien, die an der Smart Country Convention teilnehmen, zeigt, wie wichtig der Schritt in die digitale Zukunft ist. Einen Blick über den digitalen Tellerrand ermöglicht dabei das diesjährige Partnerland Lettland“, erklärt Dr. Mario Tobias, CEO der Messe Berlin.

Lettland: Verwaltung mit sehr hohem Digitalisierungsgrad

In den vergangenen Jahren habe sich die Zusammenarbeit zwischen Lettland und Deutschland im Bereich der digitalen Verwaltung und technologischen Innovationen deutlich vertieft, sagt Gatis Ozols, stellvertretender Staatssekretär für digitale Transformation und CIO der Regierung von Lettland. „Lettland verfügt heute über eine der fortschrittlichsten digitalisierten Verwaltungen in Europa. Diese Transformation war von der Notwendigkeit getragen, Effizienz zu steigern, einen umfassenden Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen zu gewährleisten und den administrativen Aufwand zu reduzieren. Die Digitalisierung bietet uns die Möglichkeit, all diese Ziele gleichzeitig zu verwirklichen. Dabei verfolgen wir einen integrativen Ansatz: digital, wo immer möglich, und persönlich, wo erforderlich“, erklärt Ozols.

Laut Bitkom-Umfrage sieht eine große Mehrheit der Deutschen (81 Prozent) in den baltischen Staaten wie Lettland ein Vorbild für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Aktuell verorten im weltweiten Vergleich nur zwei Prozent deutsche Behörden bei der Digitalisierung an der Spitze und sieben Prozent unter den Vorreitern. Gleichzeitig halten 79 Prozent Deutschland für einen Nachzügler, für acht Prozent gelten die deutschen Behörden im internationalen Vergleich sogar als abgeschlagen.

Digitale Verwaltung

Wunsch nach mehr Investitionen in digitale Verwaltung

Außerdem wünschen sich 78 Prozent, dass Deutschland sehr viel mehr Geld in die Digitalisierung seiner Verwaltungen investiert. Auch bleibt die Erfahrung und die Kritik von 82 Prozent der Deutschen, dass die Behörden hierzulande zu lange brauchen, um ihre Anliegen zu bearbeiten. Dabei halten 84 Prozent eine funktionierende bürgernahe Verwaltung für eine Kernaufgabe des Staates. Zugleich haben 65 Prozent großes Vertrauen in die öffentliche Verwaltung. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es 57 Prozent, bei den 30- bis 49-Jährigen 58 Prozent. „Wenn die Menschen den Eindruck haben, dass ihre Verwaltung nicht funktioniert, dann führt auch das zu Staatsferne, Politikverdrossenheit und grundsätzlicher Demokratiekritik“, so Wintergerst. „Digitalisierung bietet die Chance, die Verwaltung effizienter und dauerhaft funktionsfähig zu machen, auch wenn in den kommenden Jahren viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst in den Ruhestand gehen und Nachwuchs fehlt.“

Verbesserungsbedarf bei Online-Verwaltungsleistungen

Die Realität zeigt, dass der digitale Kontakt zu Behörden eher die Ausnahme ist – und die Erfahrungen auch nicht immer gut sind. Beispielsweise gaben in der Befragung 67 Prozent an, schon Online-Terminvereinbarung gemacht zu haben. 66 Prozent von ihnen waren damit zufrieden. Auch hatten 62 Prozent schon E-Mail-Kontakt mit der Verwaltung – von ihnen waren aber nur 51 Prozent zufrieden. Kontaktformularen auf der Behörden-Website haben 32 Prozent ausgefüllt – 55 Prozent waren mit dem Ergebnis zufrieden. Noch Luft nach oben gibt es bei den Online-Verwaltungsleistungen: Von den gerade einmal 15 Prozent, die diese beantragt haben, waren nur 31 Prozent zufrieden.

Noch niedriger ist die Zufriedenheit bei der Nutzung von Chatbots (30 Prozent), die aber nur 5 Prozent verwendet haben. Auch mit den virtuellen Behörden-Sprechstunden, die acht Prozent genutzt haben, waren lediglich 27 Prozent zufrieden. Ein Viertel hatte noch nie digitalen Kontakt zu Behörden. „Es reicht nicht, irgendetwas Digitales anzubieten. Wir brauchen gute, bürgerfreundliche und leicht zu bedienende digitale Verwaltungsangebote, die funktionieren und einen echten Mehrwert bieten“, fordert Wintergerst.

Digitaler Personalausweis: Wer ihn nutzt ist eher zufrieden

Es gibt aber auch digitale Angebote, mit denen die wenigen, die sie bereits nutzen, durchaus zufrieden sind. Zwar nutzen beispielsweise bisher nur 15 Prozent die Online-Funktion des Personalausweises – von ihnen sagen aber 69 Prozent, dass sie diese Funktion in Zukunft gerne häufiger nutzen möchten. Und 62 Prozent würden den digitalen Personalausweis gerne auch außerhalb der Verwaltung einsetzen, etwa beim Hotel-Check-in. Immerhin 49 Prozent empfiehlt dem eigenen Umfeld die Verwendung des digitalen Personalausweises.

36 Prozent finden die Nutzung allerdings zu kompliziert. „Wo wir auch noch besser werden müssen: Bei der Vermarktung unserer digitalen Verwaltungsangebote. Gerade beim digitalen Personalausweis waren die Behörden lange Zeit zu zögerlich, die Anwendung voranzutreiben“, so Wintergerst. „Der digitale Personalausweis ist eine hervorragende technische Lösung, aber die Einsatzmöglichkeiten sind vielen schlicht unbekannt.“

Mehrheit wünscht sich KI-Einsatz in den Behörden

Bei der Digitalisierung der Verwaltung könnte künftig auch Künstliche Intelligenz helfen, zumindest wenn es nach den Bürgerinnen und Bürgern geht. 61 Prozent wünschen sich, dass der KI-Einsatz in der öffentlichen Verwaltung stärker vorangetrieben wird. Und bereits 41 Prozent würden lieber mit einem KI-Chatbot sprechen als mit einem Menschen, wenn sie dafür Wartezeiten vermeiden könnten oder nicht an Öffnungszeiten gebunden wären. Unter den 18- bis 29-Jährigen würde sogar 53 Prozent in diesem Fall die KI bevorzugen. Zugleich haben aber auch 61 Prozent Angst, dass künftig in den Behörden eine KI ohne Menschen Entscheidungen trifft, etwa über Anträge.

red.

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