Dialogformate zur Windkraft

Windräder werden für die Energiewende dringend gebraucht, stoßen vor Ort bei den Anwohnern aber oft auf Widerstand. Die Erfahrung zeigt: Es ist hilfreich, Bürgerinnen und Bürger möglichst von Anfang an in den Planungsprozess einzubeziehen. Foto: Adobe Stock/KarachoBerlin

Verschiedene Konzepte können zur Umsetzung von Bürgerbeteiligungen und zum Ausbau von Windkraft führen. Zum Beispiel Schorndorf und Winterbach: Die beiden Gemeinden kamen mit Hilfe einer Planungswerkstatt ins Ziel.

Technisch ist der Ausbau der Windkraft schnell umsetzbar. Beim Thema Akzeptanz stellt er aber die Kommunen vor große Herausforderungen, die auch mit der neuen Gesetzeslage und den vereinfachten Planungsprozessen bestehen bleiben. Die betroffenen Anwohner frühzeitig in die Planung einzubeziehen, hat sich in vielen Fällen bewährt. Das kann schon im Rahmen der Gebietsausweisung gelingen, indem betroffene Kommunen per Gemeinderatsbeschluss eine offene Bürgerbeteiligung vorsehen. Sie bietet die Möglichkeit, Bedenken vorzutragen, Argumente abzuwägen und Lösungen zu finden, die den Interessen aller Beteiligten möglichst nahe kommen.

Eine Gebietsausweisung als Ergebnis eines Bürgerdialogs hat wesentlich größere Chancen auf Akzeptanz als eine Planung, die als „von oben“ übergestülpt empfunden wird. Ein Beispiel dafür ist die Planungswerkstatt in Schorndorf/Winterbach. Im Rahmen der Ausweisung von Windkraft-Vorrangflächen durch den Regionalverband hatten sich die benachbarten Gemeinden Schorndorf (39.000 Einwohner) und Winterbach (7700 Einwohner) in Baden-Württemberg gemeinsam entschlossen, den Gemeinderatsentscheid durch eine Bürgerbeteiligung vorbereiten zu lassen. Um die konfrontative Situation in Richtung Konsens zu bewegen, wurde ein Beteiligungsprozess mit mehreren Veranstaltungen konzipiert.

In einer ersten „Planungswerkstatt“ mit rund 120 Personen − zufällig ausgewählte Bürger aus den beiden Kommunen und interessierte Verbandsvertreter − wurden die geplanten Vorranggebiete vorgestellt. In moderierten Arbeitsgruppen wurden alle Anregungen, Chancen und Risiken ergebnisoffen diskutiert, die aufgeworfenen Fragen wurden erfasst. Um sie zu beantworten, fand ein öffentliches Expertenhearing statt, an dem alle Bürger teilnehmen konnten. Die Antworten bildeten die Grundlage für die zweite Planungswerkstatt, bei der die beteiligten Bürger alle vorgeschlagenen Standorte fundiert diskutieren und bewerten konnten.

Das Ergebnis war eine detaillierte Bürgerempfehlung zu jeder der  Flächen, die zur Debatte standen. Drei der sieben vorgeschlagenen Standorte wurden für die genaue Planung ausgewählt und dem Gemeinderat vorgelegt. Die Gemeinderäte übernahmen die Empfehlung, und der Planungsverband berücksichtigte sie bei der weiteren Planung.

Alle Beteiligten haben den Prozess positiv gewertet. „Diese Art der informierten Bürgerbeteiligung ist eine Möglichkeit, sogenannte ‚NIMBY-Konflikte‘ („not in my backyard“ − „nicht in meiner Nachbarschaft“) aufzulösen, die so oft die Energiewende blockieren“ sagt die Leiterin des Moderationsteams, Ute Kinn. Auch die Kommunen Schorndorf und Winterbach sind noch Jahre später froh, dass sie diesen Weg gegangen sind.

Eine andere Vorgehensweise wurde im Fall des Bundesforschungsprojekts EnAHRgie gewählt. Dieses Projekt hatte den Zweck, für den Landkreis Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) ein Energiekonzept zu entwickeln, mit dem Ziel einer Stromversorgung aus 100 Prozent erneuerbarer Energie bis 2030. Ein „Runder Tisch Vereine und Verbände“ wurde gebildet, an dem alle Verbände vertreten waren, die einen Zusammenhang mit der Energiewende haben. Dazu gehören Naturschutzverbände, Landwirtschaft, Forst, Waldbau, Jagd, Tourismus sowie der Solarverein. Moderiert wurde der „Runde Tisch“ von einem Mitarbeiter des Bundesprojekts und einer neutralen Mediatorin. Das Ergebnis war eine detaillierte Empfehlung für ein nachhaltiges Energiekonzept.

Gemeinsam zur Windkraft

Welches der zahlreichen Veranstaltungsformate gewählt wird, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab. Im einen Fall ist eine Informationsveranstaltung ausreichend, im anderen eine mehrstufige Planungswerkstatt angebracht. Den Einstieg in einen Prozess zur Bürgerbeteiligung bildet ein Mandat des zuständigen Gremiums, das Art der Beteiligung, Leitplanken, Lösungsspielraum und den Umgang mit den Ergebnissen definiert. Wichtig ist auch, dass die Einbindung frühzeitig erfolgt − am besten zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine irreversiblen Entscheidungen gefallen sind. Eine verspätete Einbindung bedeutet viel vergebliche Arbeit und verhärtete Fronten, die nur schwer wieder aufzulösen sind.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine neutrale Moderation. Wenn die Moderation von den beteiligten Parteien nicht als neutral wahrgenommen wird, ist es wahrscheinlich, dass Einzelne aus dem Prozess aussteigen und das Ergebnis nicht mittragen.

Bürgerbeteiligung ist kein Ersatz für die Entscheidungen gewählter Gremien, sondern eine wertvolle Ergänzung, die allen Beteiligten Vorteile bringt: Den Bürgern, die besser informiert sind und ernst genommen werden; ebenso den Politikern, die wichtige Informationen erhalten und Vertrauen gewinnen können. Bürgerbeteiligung sollte am besten von Anfang an im Planungsverfahren integriert sein − bevor Konflikte auftreten. Dann spart sie der Verwaltung sowie  den Gremien Zeit und Nerven.

Gisela Wachinger, Thomas Wiedemann, Uwe Bächer


Die Autoren

Dr. Gisela Wachinger ist Beiratsmitglied der Staatsrätin für Bürgerbeteiligung der Landesregierung Baden-Württemberg. Thomas Wiedemann ist Senior Communication Manager. Uwe Bächer ist zertifizierter Mediator. Alle drei sind Mediatoren bei der Kanzlei Ponschab + Partner.