Die EU-Regelung über Sorgfaltspflichten in Lieferketten muss umgesetzt werden. Für Kommunen hat das vergaberechtliche Relevanz. Was beim Lieferkettengesetz zu berücksichtigen ist, schlüsselt Rechtsanwalt Benjamin Pfannkuch auf.

Seit dem 1. Januar 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – kurz Lieferkettengesetz. Es verpflichtet Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung im Inland und mindestens 1000 Arbeitnehmern zur Beachtung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten. Die Unternehmen sind zum Beispiel verpflichtet, ein Risikomanagement einzurichten, regelmäßige Risikoanalysen durchzuführen, Präventionsmaßnahmen zu verankern und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
Für Kommunen ist das LkSG bei der Durchführung von Vergabeverfahren relevant. Sie müssen vor Zuschlagserteilung im Rahmen der Wettbewerbsregisterabfrage prüfen, ob Verstöße gegen die Pflichten des LkSG eingetragen sind. Ist dies der Fall, hat der Aufraggeber § 22 LkSG zu beachten.
Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber über die zwingenden und fakultativen Ausschlussgründe nach §§ 123 und 124 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) einen speziellen Tatbestand über den Ausschluss von Unternehmen normiert. Dieser gilt für Unternehmen, die wegen eines Verstoßes gegen bestimmte Pflichten des LkSG mit einer Geldbuße in Höhe von mindestens 175.000 Euro belegt worden sind. Der Ausschluss darf nur innerhalb eines angemessenen Zeitraums von bis zu drei Jahren erfolgen. Im Vergabeverfahren sollte der Auftraggeber von den Bewerbern oder Bietern eine Eigenerklärung über das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen auch in Bezug auf § 22 LkSG anfordern.
Umgang mit einem Verstoß gegen das Lieferkettengesetz
Der Gesetzgeber hat im Falle eines Verstoßes gegen das LkSG zwar keine ausdrückliche Pflicht der Auftraggeber geregelt, die betreffenden Unternehmen auszuschließen, vielmehr „sollen“ diese ausgeschlossen werden. Ein Ausschluss hat demnach in der Regel zu erfolgen. Nur in atypischen Konstellationen – zum Beispiel bei einem drohenden Verlust einer erheblichen Zahl an Arbeitsplätzen im Falle eines Ausschlusses – kann davon abgesehen werden. Das Unternehmen ist vor dem Ausschluss anzuhören.
Das Lieferkettengesetz
„Das Gesetz stärkt in globalen Lieferketten Menschenrechte und den Umweltschutz“, so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. „Das Gesetz verpflichtet Unternehmen in Deutschland zur Achtung von Menschenrechten durch die Umsetzung definierter Sorgfaltspflichten. Diese Pflichten gelten für den eigenen Geschäftsbereich, für das Handeln eines Vertragspartners und das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer. Damit endet die Verantwortung der Unternehmen nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette.“
www.bmas.de
Das Unternehmen kann einen Ausschluss abwenden, wenn es eine sogenannte Selbstreinigung im Sinne des § 125 GWB nachweist. Das Unternehmen muss für den Schaden einen Ausgleich zahlen beziehungsweise sich zur Zahlung verpflichten, mit den Ermittlungsbehörden und dem Auftraggeber bei der Aufklärung kooperieren und Compliancemaßnahmen zur Vermeidung weiteren Fehlverhaltens ergreifen. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Auftraggeber von dem Ausschluss abzusehen. Die Vorschrift des § 22 LkSG vermittelt überdies Bieterschutz, das heißt: Unternehmen können in einem Vergabeverfahren vom Auftraggeber verlangen, einen Wettbewerber wegen eines Verstoßes gegen das LkSG auszuschließen. Dies kann in einem Vergabenachprüfungsverfahren durchgesetzt werden.
Die Begründung zum LkSG sieht eine Evaluierung spätestens sechs Monate nach Verabschiedung einer EU-Regelung über Sorgfaltspflichten in Lieferketten vor. Mittlerweile wurde die „Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ (RL 2024/
1760, EU-Abl. L vom 5. Juli 2024) verabschiedet, die innerhalb von zwei Jahren von den Mitgliedstaaten umzusetzen ist.
Die Kriterien werden jedes Jahr strenger
Die Richtlinie, die den Begriff „Aktivitätskette“ verwendet, gilt sowohl für Unternehmen, die nach dem Recht von Mitgliedstaaten gegründet worden sind, als auch für solche, deren Gründung sich nach dem Recht von Drittstaaten bestimmt. Für den Anwendungsbereich stellt die Richtlinie auf die Beschäftigtenzahl und den Umsatz ab.
Beide Kriterien verengen sich jährlich, so dass der Anwendungsbereich kontinuierlich ausgeweitet wird (ab 2027: 5000 Arbeitnehmer und 1,5 Milliarden Euro Umsatz; ab 2028: 3000 Arbeitnehmer und 900 Millionen Euro Umsatz; ab 2029: 1000 Arbeitnehmer und 450 Millionen Euro Umsatz). Für Unternehmen aus Drittstaaten wird nur auf die Umsätze abgestellt.
Die Richtlinie nimmt ebenso wie das LkSG bestimmte völkerrechtliche Verträge zum Anknüpfungspunkt für die Normierung der von den Unternehmen zu erfüllenden Sorgfaltspflichten, die Unternehmen über das LkSG hinaus auch im Hinblick auf mittelbare Zulieferer zu beachten haben. Darüber hinaus werden die Unternehmen zur Erstellung von Plänen zur Minderung der Folgen des Klimawandels verpflichtet. Ferner sieht die Richtlinie über die gegenwärtige Regelung des LkSG hinaus eine zivilrechtliche Haftung bei Verletzung von Sorgfaltspflichten vor.

Sorgfaltspflichten als Vergabekriterien
Zum Ausschluss von Unternehmen von Vergabeverfahren verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Einhaltung der Sorgfaltspflichten als „umweltrelevanter oder sozialer Aspekt“, also als Zuschlagskriterium, oder als Auftragsausführungsbedingung gilt. Dies wird bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, gegebenenfalls im Rahmen des bestehenden § 22 LkSG zu beachten sein.
An der Pflicht der Auftraggeber, Verstöße gegen die Vorgaben der Richtlinie im Vergabeverfahren zu prüfen, und an der Möglichkeit für die Auftraggeber, Unternehmen im Falle von Verstößen auszuschließen, wird sich nichts ändern; möglicherweise wird dies noch erweitert.
Der Prozess der Umsetzung der EU-Richtlinie bleibt mit Spannung zu verfolgen, insbesondere mit Blick auf die zivilrechtliche Haftung. Für die Kommunen als Auftraggeber wird wie bisher zu prüfen sein, ob ein Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen Sorgfaltspflichten ausgeschlossen werden soll. In jedem Fall sollten die Kommunen die Vorgänge der Prüfung im Vergabeverfahren umfassend dokumentieren.
Benjamin Pfannkuch
Der Autor
Dr. Benjamin Pfannkuch ist Rechtsanwalt bei der Ernst & Young Law GmbH in Hamburg.