Anders einkaufen ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein? In Karlsruhe denkt man nicht so, legt vielmehr großen Wert auf nachhaltige Beschaffung. Mehr noch: Man kooperiert in diesem Bereich mit anderen Kommunen, tauscht sich aus, lernt mit- und voneinander – mit sehr guten Ergebnissen.

Bereits 2016 war es soweit: Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe beschloss am 19. Juli, dass Umweltkriterien und Kriterien des fairen Handels bei Leistungsbeschreibungen und Vergaben der Stadt künftig zu berücksichtigen sind – ein großer Schritt zu mehr Nachhaltigkeit der Stadtverwaltung.
Im Jahr 2023 lag das Volumen der Vergaben von Liefer- und Dienstleistungen bei rund 46 Millionen Euro. Dass die Entscheidung vorausschauend war, zeigt sich daran, dass immer mehr Kommunen in Baden-Württemberg und ebenso deutschlandweit auf eine nachhaltige Beschaffung setzten.
Der Begriff der Nachhaltigkeit wird heute nahezu inflationär gebraucht: Kaum ein Produkt oder eine Werbekampagne, die ohne den Begriff auskommt. Seinen Ursprung hat der Begriff in der Forstbewirtschaftung. Vereinfacht gesagt bedeutet er, der Natur nur so viele Ressourcen zu entnehmen, wie sie wieder erneuern kann. Daran, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, erinnert jedes Jahr der Erdüberlastungstag. Deutschland erreichte ihn in diesem Jahr bereits am 2. Mai.
Öffentlicher Sektor hat Vorbildfunktion
Aus internationaler und nationaler Perspektive betrachtet erscheint der Beitrag einer Kommune zum Thema Nachhaltigkeit überschaubar. Aber dieser Eindruck täuscht. „Der öffentliche Sektor ist deutschlandweit rund 500 Milliarden schwer – dabei haben wir eine Vorbildfunktion und Verantwortung für künftige Generationen“, betont Hennig Sens, der den Gesamtstädtischen Einkauf der Stadt Karlsruhe leitet.
Der Gesamtstädtische Einkauf und die Zentrale Vergabestelle gehören zum Hauptamt der Stadt Karlsruhe und bündeln Liefer- und Dienstleistungsverfahren für die städtischen Dienststellen. In beiden Bereichen arbeiten 17 Mitarbeitende. Seit einigen Monaten wird Henning Sens von Heike Schwarz unterstützt, deren Arbeitsschwerpunkt nachhaltige Beschaffung ist.
„Das Thema ist mir enorm wichtig. Ich habe selbst zwei Kinder und möchte verantwortungsvoll handeln“, so Schwarz. Sie freut sich sehr darüber, wie viel sich bei diesem Thema bewegt. „In dem Bereich geht wirklich vieles voran, und man hat stets den Eindruck, dass alle an einem Strang ziehen“, so Schwarz.
Nachhaltig interkommunal vernetzt
Das Thema Nachhaltigkeit in der Beschaffung ist längst flächendeckend verbreitet. „Wir haben keine größeren Schwierigkeiten, Anbieter zu finden, die nachhaltig produzieren“, erklärt Sens. Man könne daran gut ablesen, dass die Wirtschaft sich auf den Bedarf eingestellt habe.
Der Einkauf beschafft in erster Linie Verbrauchsmaterialien wie Druckerpapier, Post-its, Kugelschreiber, Müllbeutel oder Kleber. Aber auch Büromöbel wie Schreibtische, Schreibtischstühle und Aktenschränke gehören zum Portfolio. Hinzu kommen die persönliche Schutzausrüstung und Arbeitsbekleidung für die städtischen Mitarbeitenden.
Neben den Umweltaspekten und einer Möglichkeit der Wiederverwertung gehören auch soziale Kriterien dazu. So dürfen die Produkte nur unter fairen Arbeitsbedingungen nach den ILO-Kernarbeitsnormen produziert worden sein, die auch Kinderarbeit verbietet. „Natürlich wissen wir, dass es die eierlegende Wollmilchsau nicht gibt. Aber wir achten sehr darauf, die Anforderungen so gut zu erfüllen, wie es der Markt ermöglicht“, erklärt Sens.
Das Angebot der Hersteller nehme immer mehr zu. Sie müssen über Zertifikate nachweisen, dass sie die strengen Vorgaben erfüllen, um Auszeichnungen wie den Blauen Engel zu erhalten, so Sens. „Gerade kleineren Anbietern fällt es oft schwer, alles zu verstehen, was sie beachten müssen. Ein wichtiger Teil unserer Zeit ist daher im Bereich Marktrecherche und Kommunikation zu leisten.
Um Beratung und Kommunikation geht es auch zwischen den Kommunen, darauf weist Schwarz hin. „Wir tauschen uns regelmäßig aus, schauen nach gemeinsamen Projekten und organisieren Workshops.“ Hierbei kommen auch die verschiedenen Ebenen aus Bund, Land und Kommunen zusammen. Das geschieht beispielsweise über das Portal „Kompass-Nachhaltigkeit“. So entstehen unter anderem Initiativen auch über Ländergrenzen hinweg.
Nachhaltige Beschaffung nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip
Jüngstes Beispiel sind T-Shirts, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip hergestellt sind. Die Idee: Produkte kreislauffähig herzustellen, sodass die Naturfasern komplett wiederverwertet oder biologisch abgebaut werden können. Neben Karlsruhe sind die Städte Bremen, Bremerhaven sowie Oldenburg und die Polizei Berlin beteiligt. Das Beispiel zeigt, wie gut die Vernetzung klappt und wie weit wir auf dem Weg in die nachhaltige Zukunft bereits sind.
Daniel Schmid
Der Autor
Daniel Schmid ist Redakteur beim Presse- und Informationsamt der
Stadt Karlsruhe.