Es gibt viele Gründe für einen Auftraggeber, eine in die Wege geleitete Ausschreibung ohne Zuschlag zu beenden. (BGH vom 5. November 2002 – AZ X ZR 232/00)
Nachdem auf der Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) eine Ausschreibung durchgeführt worden war, ergab sich, dass die Angebote mindestens 30 Prozent über der Kostenschätzung lagen. Da das Objekt mit öffentlichen Mitteln gefördert werden sollte, sah sich der Bauherr zur Realisierung nicht mehr in der Lage. Er hob die Ausschreibung auf, was den günstigsten Bieter veranlasste, Schadensersatz zu fordern.
Generell darf nämlich jeder Bieter davon ausgehen, dass nur Leistungen ausgeschrieben werden, von denen der Ausschreibende bei Ermittlung seiner voraussichtlichen Kosten annehmen kann, sie auch bezahlen zu können. So ist eine Aufhebung der Ausschreibung dann nicht nach Paragraf 26 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) gerechtfertigt, wenn die fehlende Finanzierung bereits vor der Ausschreibung dem Ausschreibenden hätte bekannt sein müssen.
Jedoch sind die Gerichte der Auffassung, dass trotz Geltung der VOB/A der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund besteht, nicht gezwungen werden kann, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Es kann viele Gründe geben, die den Ausschreibenden hindern, eine Ausschreibung ordnungsgemäß mit der Erteilung des Zuschlags zu beenden. Hierzu kann sich ein Ausschreibender insbesondere dann veranlasst sehen, wenn ein Zuschlag auf ein abgegebenes Angebot seine finanziellen Möglichkeiten übersteigt.
Die Möglichkeit, eine Ausschreibung vorzeitig zu beenden, ist Folge davon, dass es ein Zweck des Vergaberechts ist, der ausschreibenden Stelle eine die Bindung der ihr anvertrauten Mittel und das Gebot sparsamer Wirtschaftsführung beachtende Beschaffung zu angemessenen Preisen zu ermöglichen.
Nach dem Urteil des Gerichts ist damit die Annahme, es müsse in jedem Fall eines eingeleiteten Vergabeverfahrens ein Zuschlag erteilt werden, schlechthin unvereinbar. Erst durch die Erteilung des Auftrags erweist es sich für den Bieter als berechtigt, auf die eine Realisierung von Gewinn einschließende Durchführung der ausgeschriebenen Maßnahme vertraut zu haben.
Unterbleibt die Vergabe des Auftrags, kommt nur eine Entschädigung im Hinblick auf das Vertrauen in Betracht, nicht im Ergebnis nutzlose Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren tätigen zu müssen. Es kommt dann nur der so genannte auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch in Frage.
Franz Otto