Zentrale Planung erschließt Potenziale

Die automatische Steuerung von Heizen, Kühlen und Lüften in Räumen ist ein notwendiger Bestandteil für den energieeffizienten Gebäudebetrieb. Leider wird in der Praxis die Bedeutung der gewerkeübergreifende Systemstruktur der Gebäudeautomation häufig noch nicht richtig erkannt.

Die energetischen Anforderungen an Gebäude in Planung, Ausführung und Betrieb werden zunehmend verschärft. Treiber der Entwicklung sind die energiepolitischen Ziele in Europa und Deutschland mit den damit verbundenen Richtlinien wie die EPBD (Energy Performance of Building Directive) auf europäischer Ebene oder die Energieeinsparverordnung (EnEV) in Deutschland und deren nachgelagerte Normen wie die DIN V 18 599 (Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden). Insbesondere mit Blick auf den energieeffizienten Betrieb von Gebäuden kommt der Gebäudeautomation sowie dem Energie- und Gebäudemanagement eine Schüsselrolle zu.

Die Rolle der Raum- und Anlagenautomation in einem Gebäude lässt sich mit dem Nervensystem des Menschen vergleichen. Die Automatisierung von gebäudetechnischen Anlagen (z. B. Heizung, Lüftung, Kälte) gehört schon seit Jahren zum Stand der Technik. Eine allgemein bekannte Automatisierungsfunktion ist die außentemperaturabhängige Regelung der Vorlauftemperatur des Heizkessels.

Um einen möglichst effizienten Betrieb eines Gebäudes zu gewährleisten, ist es zwingend erforderlich, dass auch der Bedarf aus der aktuellen Nutzung der Räume an die Anlagen mitgeteilt werden kann und dass die Räume selbst nutzerangepasst eingestellt und betrieben werden können. Diese Automatisierungsaufgaben übernimmt die sogenannte Raumautomation. Hierbei werden über BUS (engl.: binary unit system)-Systeme vernetzte Komponenten eingesetzt, die abgestimmt auf die Nutzungsanforderungen für die Raumtemperatur und die Luftqualität das Heizen, Kühlen, Lüften in Räumen übernehmen, aber auch auf die Beleuchtung, den Verschattungs- und Sonnenschutz sowie die Tageslichtversorgung einwirken.

Weitere Komponenten für die Raumautomation sind beispielsweise BUS-basierte Schalter, die als Bedienelemente zum manuellen Ein- oder Ausschalten genutzt werden oder Präsenzmelder, welche die Beleuchtung in einzelnen Räumen bei Nicht-Belegung des Raumes automatisch nach einer einstellbaren Zeit abschalten und gleichzeitig die Heizungsregelung absenken.

Leider wird in der Praxis die Bedeutung der gewerkeübergreifende (integralen) Systemstruktur der Gebäudeautomation häufig noch nicht richtig erkannt und bei der Planung und Ausführung von Gebäuden berücksichtigt. Dabei ist die Gebäudeautomation ein eigenständiges Gewerk und als eigene Kostengruppe 480 in der Norm DIN 276-1 für die Kalkulation der Kosten im Hochbau verankert. In dieser Norm ist die Gebäudeautomation in Unterkostengruppen gegliedert.

Für eine übergreifende Planung der Gebäudeautomation ist eine strukturiere Konzeption und ein systematisches Engineering erforderlich. Hierfür stehen seit einigen Jahren entsprechende Normen und VDI-Richtlinien zur Verfügung.

Während zum Beispiel die Richtlinie VDI 3814 „Gebäudeautomation“ die Grundlage für die Planung und Ausführung der Anlagenautomation liefert, beschäftigt sich die relativ neue Richtlinie VDI 3813 speziell mit der Planung und Ausführung der Raumautomation. Beide Richtlinien bilden zusammen eine hervorragende Basis zur strukturierten Planung und Ausführung der Anlagen- und Raumautomation. Nach Willen der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik (VDI-GBG) sollen die beiden Richtlinien in eine zusammengeführt werden, um der gewerkeübergreifenden Betrachtung noch besser gerecht zu werden.

Das Energie-Einsparpotenzial durch die Gebäudeautomation wurde an der Hochschule Biberach speziell durch Funktionen der Raumautomation wissenschaftlich untersucht. Dabei wurde auf die europäische Norm DIN EN 15232 Bezug genommen. Sie unterteilt die Funktionen der Gebäudeautomation (GA) in vier Effizienzklassen. Hierbei gilt:

  • – Klasse D entspricht GA-Systemen, die nach heutigem Stand der Technik nicht energieeffizient sind. Gebäude mit derartigen Systemen sind zu modernisieren. Neue Gebäude dürfen nicht mehr nach dieser Klasse gebaut werden.

  • – Klasse C entspricht Standard-GA-Systemen

  • – Klasse B entspricht energieeffizienten GA-Systemen mit einigen speziellen TGM-Funktionen (TGM = Technisches Gebäudemanagement)

  • – Klasse A entspricht hoch energieeffizienten GA-Systemen und TGM-Funktionen

Die Norm bietet zwei grundlegende Verfahren an: das detaillierte Verfahren und das vereinfachte Verfahren (GA-Faktor-Verfahren). Das vereinfachte GA-Faktor-Verfahren erlaubt Faktoren anzuwenden, mit denen der Endenergiebedarf eines Gebäudes sehr einfach und schnell, in Abhängigkeit der GA-Effizienzklasse, berechnet werden kann. Durch diese Vorgehensweise kann zum Beispiel einem Bauherrn erläutert werden, dass und in welcher Größenordnung durch Funktionen der Gebäudeautomation der Energiebedarf bei einem bestimmten Gebäudetyp (z. B. Bürogebäude, Schulgebäude) reduziert werden kann. Um diese normativen Verfahren auch unter realen Praxisbedingungen zu untersuchen, wurden an der Hochschule Biberach neben theoretischen Untersuchungen (Simulationsstudien) auch experimentelle Untersuchungen in mehreren Seminarräumen durchgeführt.

Untersucht wurde der elektrische Energieverbrauch in drei unterschiedlich ausgestatten Seminarräumen. Die unterschiedliche Belegung der Räume wurde herausgerechnet (bereinigt). Während im Referenzraum (GA-Effizienzklasse C) die Beleuchtung manuell ein- und ausgeschaltet wurde, wurden im Raum der Klasse B eine helligkeits- und präsenzabhängige Schaltung und im Raum A zusätzlich eine Konstantlichtregelung realisiert. Im Vergleich zum Refezenrzaum betrug die Einsparung im Raum der Klasse B acht Prozent, in Raum A sogar 20 Prozent.

Für einen späteren Messzeitraum wurden die Erfahrungen in der ersten Messperiode nochmals optimiert (z. B. durch bessere Platzierung der Sensoren). Nun betrug die Einsparung im Raum der Klasse B zehn Prozent und in Raum A 35 Prozent.

Dies verdeutlicht auch, wie wichtig die Optimierung während des laufenden Gebäudebetriebs unter Nutzung der Gebäudeautomation für ein kontinuierliches Energie- und Gebäudemanagement ist.

Derzeit ist sehr viel Bewegung im Heimautomationsbereich (Stichwort: Smart Home) festzustellen. Hierbei handelt es sich allerdings hauptsächlich um relativ „günstige“ Systeme, die mehr auf den Komfortbereich (z. B. Smart-Phone-Bedienung mittels Apps) als auf ein gewerkeübergreifendes Gesamtsystem abzielen.

Im Bereich der Nichtwohngebäude sind insbesondere im laufenden Gebäudebetrieb noch immense Einsparpotenziale vorhanden. Technologisch wird hier aus heutiger Sicht weiterhin auf bereits etablierte Systeme zurückgegriffen. Diese haben sich bewährt und werden kontinuierlich weiterentwickelt, zum Beispiel durch die Integration neuer Funktionen wie etwa Kommunikation über Funk oder durch die Integration webbasierter Technologien.

Aufgrund der zunehmenden Kosten bei der Ausführung, Inbetriebnahme und anschließenden Fehlersuche von BUS-basierten Automationssystemen ist zu erwarten, dass Innovationen im Bereich der abgestimmten Planung (System Engineering) und der gewerkeübergreifenden Betriebsführung erfolgen werden.

Auch das sogenannte „intelligente Stromnetz“ (Smart Grid) mit den geplanten variablen Stromtarifen wird zu einem kräftigen Schub der Gebäudeautomation führen, da die Gebäudeautomation mit der Funktion „Energie- und Gebäudemanagement“ in das übergeordnete elektrische Netzmanagement angebunden werden muss. Durch die Kopplungsmöglichkeiten dieser bisher voneinander getrennten Managementsysteme kann dann ein neues Kapitel für ein dezentrales Energie- und Lastmanagement aufgeschlagen werden.

Martin Becker / Peter Knoll

Die Autoren
mailto:becker@hochschule-bc.de lehrt an der Hochschule Biberach im Fachgebiet Energie-Ingenieurwesen, Peter Knoll ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Biberach im Bereich Gebäudeautomation

Info: Die Hochschule Biberach hat die bisher getrennten Bachelor-Studiengänge Gebäudeklimatik und Energiesysteme zu einem neuen Bachelor-Studiengang Energie-Ingenieurwesen mit den beiden Vertiefungsrichtungen Gebäudesysteme und Energiesysteme zusammengeführt. Ergänzend bietet sie einen Master-Studiengang Energie- und Gebäudesysteme an.

Absolventen dieser Studiengänge sind unter anderem auch im kommunalen Umfeld bei Städten und Gemeinden zum Beispiel im Bereich des Gebäudemanagements und der Gebäudebewirtschaftung tätig sowie bei Wohnbaugesellschaften, Krankenhäusern, Energieagenturen, Stadtwerken oder regionalen Energieversorgern.

Die Hochschule bietet auch ein Weiterbildungs-Seminar an, bei dem es unter anderem um kommunales Energiemanagement geht.