Der Breitbandausbau darf nicht an den Kommunen und lokalen Unternehmen vorbeigeplant werden. Der TK-Branchenverband VATM fordert eine Stärkung des Investitionswettbewerbs sowie die Herstellung verlässlicher Rahmenbedingungen. Dazu zählen transparente Informationen über Ausbauvorhaben.
Flächendeckend 50 Mbit/s bis 2018 – die von der Bundesregierung ausgegebenen Breitbandziele sind sehr ehrgeizig, aber im Ansatz richtig. Denn eine leistungsfähige Netzinfrastruktur bildet das Fundament für eine erfolgreiche Digitalwirtschaft in Deutschland und Europa. Schnelles Internet ermöglicht leistungsfähige Datenkommunikation und ist damit ein wichtiger Standortfaktor bei der Unternehmensansiedlung sowie der Schlüssel, um eine fortschreitende digitale Spaltung zwischen Bürgern in urbanen und ländlichen Gegenden zu verhindern.
Die Breitbandziele können aber nur erreicht werden, wenn alle potenziellen Synergien, aber auch neue Technologien genutzt werden. Der wichtigste Treiber ist aber der Wettbewerb und zwar konkret der Investitionswettbewerb. Entweder bauen die Wettbewerber selbst, auch Kommunen und Zweckverbände, oder der Ex-Monopolist Deutsche Telekom fühlt sich durch den Wettbewerb gezwungen, auch in weniger attraktiven Gebieten und ländlichen Regionen auszubauen.
Genau hier brauchen die Wettbewerber Planungssicherheit und Netzzugang, damit Investitionen – in vielen Fällen zunächst bis zum Kabelverzweiger (KVz) in den Dörfern – getätigt werden können. Wer hier Zugangsregulierung infrage stellt, der stellt die Investitionen infrage.
Die Regulierung von Vectoring spielt hierbei eine wichtige Rolle. Vectoring ermöglicht auf kurzer Distanz eine Verdoppelung der verfügbaren Bandbreite und darüber hinaus vor allem eine ganz erheblich gleichmäßigere, bessere Qualität der einzelnen Kupferleitungen vom KVz auf der Straße bis zum Bürger. Leider bremsen hier zwei Faktoren eine zügigere und effizientere Nutzung.
Europäische Dimension
Zu einen verweigert die EU-Kommission, aufgrund der aktuell fehlenden Entbündelbarkeit von Vectoring, noch ihre Zustimmung zur NGA-Rahmenregelung (Next Generation Access; Netzwerkinfrastruktur für die einheitliche Übermittlung von Datenpaketen). Entbündelung ist zurzeit nur möglich durch herstellerunabhängiges Node-Level-Vectoring (NLV). Wie und wann NLV zum Einsatz kommen soll, ist noch nicht abschließend geklärt.
Zu Recht geht die Kommission davon aus, dass Entbündelung grundsätzlich erforderlich bleiben soll und NLV einzuführen ist. Die Frage ist aber, was bis dahin in geförderten Gebieten und bei Ausschreibungen geschehen soll. In Italien etwa sagt der Regulierer nichts dazu, mit der Folge, dass dort die Kunden nicht von Vectoring profitieren können.
Zum deutschen Lösungsansatz und zur hiesigen Vectoring-Regulierungssituation bestehen erhebliche Kompatibilitätsprobleme. Hier soll bis zur Verfügbarkeit von NLV ein Bitstromprodukt als Vorleistung ausreichen. Damit wird der Einsatz der neuen Technologie in nicht geförderten Gebieten sofort ermöglicht, wenn ein Unternehmen Glasfaser neu verlegt hat.
Mit der Europäischen Kommission sondiert der VATM aktuell Lösungsansätze, wie dieses sinnvolle Prinzip auf geförderte Gebiete übertragen werden kann. Um Investitionen nicht weiter zu blockieren, hat die Kommission nun angedeutet, auf europaweit einheitliche Vorgaben zur Bereitstellung von NLV gegenwärtig zu verzichten. Die nationalen Regulierer könnten dann zunächst eigene Regelungen treffen, bis NLV als verfügbar angesehen wird.
Zum anderen erschwert die herrschende Intransparenz bei der Ausbauplanung – auch für den Einsatz der VDSL2-Vectoring-Technik – Investitionen von Unternehmen. Dies führt zu Ausschreibungen von Fördergebieten durch die Länder und Kommunen, die nicht effizient sind oder zu Überbau führen.
Ein Ausbau von TK-Infrastruktur in ländlichen Gebieten verursacht hohe Kosten, insbesondere beim Tiefbau. Erforderlich ist daher eine umfängliche Vorab-Analyse, ob und gegebenenfalls wie sich ein Business Case mit oder ohne Einsatz von öffentlichen Fördermitteln realisieren lässt. In der Regel setzt ein belastbarer Investitionsplan voraus, dass das Unternehmen als „First Mover“ mit einer angemessenen Anzahl an Endkunden für einen überschaubaren Zeitraum kalkulieren kann.
Transparente Informationen darüber, ob im geplanten Ausbaugebiet schon Ausbauplanungen von Drittunternehmen bestehen, ermöglichen den Unternehmen, Fehlinvestitionen zu vermeiden und erhöhen dadurch gleichzeitig die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Regionen, in denen in nächster Zeit mit keiner Versorgung durch einen Konkurrenten zu rechnen sein dürfte.
Hemmschuhe beseitigen
Eine Veröffentlichung von bereits mit VDSL2-Vectoring-Technik erschlossenen Kabelverzweigern sowie der bestehenden Ausbauplanung der Unternehmen bei der Erschließung und Ertüchtigung von KVz würde deutlich helfen, Investitionshemmnisse insbesondere für die kleineren und mittleren Unternehmen massiv abzubauen und für die öffentliche Hand die Ausschreibung der Fördergebiete zu vereinfachen.
Weitere Bremsschuhe sind zu kurze Ausschreibungsfristen und Bürgschaften, die Mittelständler oft nicht beibringen können und was diese daher unweigerlich aus dem Wettbewerb drängt. Dabei kommt lokal und regional operierenden TK-Anbietern bei Investitionen und Innovationen zentrale Bedeutung zu. Eine flächendeckende Breitbandversorgung in Deutschland – und damit die erfolgreiche Realisierung der Breitbandziele der Bundesregierung – kann nur im Wettbewerb aller Marktteilnehmer, großer wie kleinerer Unternehmen, gelingen.
Jürgen Grützner
Der Autor
Jürgen Grützner ist Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) mit Sitz in Berlin
Fachbegriffe
Vectoring: Die Technologie soll Internetzugänge schneller machen, indem sie Störungen unterdrückt, die den Datenfluss in den Kupferleitungen der „letzten Meile“ zum Nutzer stören und verlangsamen. Vectoring zwischen Kabelverzweiger und Teilnehmeranschluss im jeweiligen Gebäude ist kostengünstiger umzusetzen als der Ausbau mit Glasfaser bis ins Haus.
Bitstromprodukt: Damit Telekommunikationsunternehmen, die keine eigene TK-Infrastruktur bis zum Endkunden vorhalten, diesen mit Internet- und Telefondiensten versorgen können, muss ihnen das infrastrukturführende Unternehmen einen Datenstrom anbieten, auf dem die Dienste gesendet werden können.