Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist eine der zentralen gesellschaftlichen Aufgaben in Deutschland. Der starke Zustrom von Flüchtlingen bedeutet eine zusätzlich Herausforderung. Kommunen beschäftigt die Frage, ob sich die Wohnbaukosten auch ohne Qualitätsverluste senken lassen.
Die Rahmenbedingen insbesondere für den Neubau von Wohngebäuden – vor allem im mittleren Preissegment – haben sich in der letzten Zeit allerdings deutlich verschlechtert. Das geht aus Untersuchungen zum Mietwohnungsbau und zu den aktuellen Kostentreibern für den Wohnungsbau in Deutschland der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen mit der systematischen Daten- und Baukostenanalyse von fertiggestellten Neubauvorhaben beschäftigt.
Während zwischen 2000 und 2014 die Preisentwicklung im Wohnungsbau mit einem Anstieg von rund 27 Prozent ungefähr auf dem Niveau der Entwicklung der Lebenshaltungskosten lag, fiel die Entwicklung bei den Bauwerkskosten im gleichen Zeitraum mit 36 Prozent aus den vorgenannten Gründen deutlich höher aus. Bei Berücksichtigung der Energieeinsparverordnung ab 2016 liegt diese Kostenentwicklung sogar bei über 45 Prozent. Die Bauwerkskosten für die Errichtung eines beispielhaften mehrgeschossigen Wohnungsbaus (Typengebäude MFH) von 983 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr 2000 auf 1432 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr 2014 angestiegen.
Im Rahmen der durchgeführten bauwerkskostenbezogenen Detailbetrachtungen konnte über diese deutlichen Kostenanstiege hinaus eine Verteilungsänderung bei den Bauwerkskosten ermittelt werden.Der Kostenschwerpunkt hat sich zwischen 2000 und 2014 immer weiter von den Leistungsbereichen des Rohbaus in die Leistungsbereiche des Ausbaus verlagert.
In der heutigen Baupraxis liegt der Kostenanteil für die Ausbaugewerke bei über 54 Prozent. Ursächlich sind hierfür vor allem die überdurchschnittlichen Preis- und Kostenanstiege im Bereich Ausbau, welche auf der Kostenseite größtenteils auf verschärfte gesetzliche Anforderungen zurückzuführen sind.
Unter anderem gestiegene Qualitätsansprüche an die Energieeffizienz und das barrierefreie Bauen, Auflagen zu Stellplätzen sowie das innerstädtische Bauen mit seinen erhöhten logistischen Anforderungen haben das kostengünstige Bauen in den letzten Jahren schrittweise beeinträchtigt. Bei einem innerstädtischen Mehrfamilienhaus-Typengebäude (MFH) nach dem Standard der Energieeinsparverordnung (EnEV) ab 2016 liegen die Baukosten (einschließlich Nebenkosten) ohne Grundstück mittlerweise bei 2422 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.
Angespannte Marktlage
Das Pestel-Institut untersuchte auf dieser Basis, welche Auswirkungen dies für das „Bezahlbare Bauen und Wohnen“ im Neubau hat. Das Ergebnis der Studie: Für dieses innerstädtische Typengebäude mit den nachgewiesenen Baukosten und einem Grundstücksanteil von 576 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ergibt sich heute eine notwendige Kaltmiete je Quadratmeter und Monat in Höhe von mindestens 10,05 Euro.
In Wachstumsregionen oder Ballungsgebieten, insbesondere in Top-Standorten, kommt es in den letzten Jahren verstärkt zu Marktanspannungen, da der Bedarf an Wohnraum nicht mehr ausreichend durch das Angebot an neu errichteten sowie Bestandswohnungen gedeckt werden kann.
Diese Marktlage verursacht aufgrund mehrerer Faktoren einen deutlichen Ansteig der Immobilienkosten:
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in Verbindung mit steigenden normativen Anforderungen an die Bauerstellung und das Gebäude
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als Folge von immer knapper werdendem Bauland
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in Form von steigenden Erwerbsnebenkosten
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im Zuge einer hohen Kapazitätsauslastung insbesondere im Ausbaugewerbe
Als Folge dessen wird es in diesen Regionen zunehmend schwieriger, kostengünstig zu bauen und somit überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Eine durchgeführte Umfrage zur Identifizierung von weiteren Kostentreibern im Wohnungsbau unter Beteiligung von insgesamt 370 Wohnungsunternehmen hat eine Vielzahl von Problemfeldern und kostentreibenden Punkten dargelegt. Diese reichen von besonderen Kosten im Rahmen von Planverfahren bis hin zu einer Fülle von Kosten, die durch kommunale Anforderungen und eine Reihe von Auflagen verursacht werden.
Hinsichtlich der notwendigen Zielvorgabe jährlich mindestens 400.000 Wohnungen in Deutschland – davon etwa zwei Drittel in Wachstumsregionen – zu errichten, um dem jetzigen und zukünftigen Bedarf gerecht zu werden, stellen sich die aktuellen Rahmenbedingungen und Entwicklungen als nachteilig dar.
Geringe Investitionsbereitschaft
Beispielsweise liegen insbesondere in Regionen mit hoher Nachfrageentwicklung die absoluten Preise für baufreies Land teilweise bereits auf sehr hohem Niveau mit weiter steigender Tendenz. Dass die Investitionsbereitschaft in den vergangenen Jahren erheblich gesunken ist, hat mehrere Gründe:
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deutlich erhöhte Steuer- und Gebührensätze
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verschlechterte Abschreibungsmöglichkeiten
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gestiegene Qualitätsansprüche und ordnungsrechtliche Anforderungen zu einem überproportional ansteigenden Mehraufwand bei Neubauten.
Der starke Zustrom von Flüchtlingen setzt das Bauwesen und die Wohnungswirtschaft noch vor zusätzliche Herausforderungen. Fatal wäre es allerdings, die Bedarfe des „gewöhnlichen“, bezahlbaren Wohnraums von dem Notwendigen für die Flüchtlinge inhaltlich oder technisch zu trennen. Für alle Bevölkerungsgruppen, seien es die Alteingesessenen, seien es die Dazugekommenen, wird nachhaltiger, langfristig nutzbarer und qualitativ angemessener Wohnraum benötigt.
Die hierfür notwendigen Grundstücke können nur einmal vergeben werden. Grundstücke, die mit temporären Lösungen wie beispielsweise Containersiedlungen vollgestellt werden, fallen für den Wohnungsbau auf absehbare Zeit aus. Gefragt sind also Lösungen, die einer kurzfristigen Intensivbelegung und gleichzeitig einer langfristigen, üblichen Bewohnerdichte im Wohnungsbau genügen können.
Im Kieler Modell zählt langfristige Nutzung
Ein Modell hierfür ist das „Kieler Modell“. Es ist darauf ausgelegt, dass eine Gebäudetypologie entsteht, die Erstnutzung mit anschließender langfristiger Nutzung verbindet. So sollte die Erstnutzung als Flüchtlingswohnen einschließlich Gemeinschaftseinrichtungen (Gemeinschaftsversorgung, Unterrichtsräume, Kinderbetreuung, Gebetsräume, Ärzte, Dolmetscher) so konzipiert sein, dass eine spätere Nutzung als Familien-, Alten- oder studentisches Wohnen optimal ohne oder nur mit geringen Umbaumaßnahmen Bestand hat. Die Konstruktion ist so auszulegen, dass Spannweiten von Decken und Trägern optimiert werden, die Erschließung mittig/zentral mit kurzen Verkehrswegen angelegt wird sowie eine konstruktive und materialgerechte Ausführung gewährleistet sind. Einzelne wohnwertsteigernde Applikationen wie Balkone oder Aufzüge können in der Anfangsphase möglicherweise entfallen. Eine Nachrüstung sollte aber konstruktiv angelegt sein.
Energetisch sind die Gebäude auf ein zeitgemäßes Niveau zu bringen. Priorität besitzt hierbei die Orientierung an der Energieeinsparverordnung 2014 und nicht am Mindestwärmeschutz. Diese Gebäude können zu Baukosten errichtet werden, die unter 2000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche liegen und sind als Wohnungen im mittleren Segment dauerhaft an jedem deutschen Wohnungsmarkt platzierbar.
Wenn es in Zukunft weiter zu erheblichen Anstiegen bei den Gestehungskosten kommt, ist absehbar, dass sich vor allem die finanziell schwächeren Haushalte den Bezug einer Neubauwohnung nicht mehr leisten können. Der Wohnungsbau, der heute gebraucht wird, soll für alle Bevölkerungsgruppen geeignet sein. Hier ist nicht zwischen der klassischen deutschen Wohnbevölkerung und dem Anspruch Wohnungsbau für Flüchtlinge zu schaffen, zu differenzieren. Die Flüchtlinge von heute sind die Nachbarn, die Arbeitskollegen und die Freunde von morgen. Freunde bringt man nicht in Containern unter.
Dietmar Walberg
Der Autor
Dietmar Walberg ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen in Kiel