Die Stadt der Zukunft wird mehr Lebensqualität bieten können als heute. Sie ist ruhiger, sauberer und sicherer. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der umweltverträglichen Gestaltung der Mobilität. Das breite und unverzichtbare Fundament ist der öffentliche Verkehr. Der Dieselmotor spielt keine Rolle mehr.
Wir sind heute so mobil wie nie zuvor. Neben den „Klassikern“ auf der Straße und der Schiene wie Pkw, Lkw, Bus oder Bahn sind in den letzten Jahren Car-Sharing-Angebote und Mitfahrgelegenheiten hinzugekommen. Privatpersonen können über den Dienstleister „Uber“ online andere Menschen dazu einladen, mit ihnen gemeinsam überschaubare Strecken von A nach B zu fahren. Niedrigzinsen und günstige Leasingverträge führen dazu, dass sich immer mehr Menschen ein Fahrzeug leisten können.
Die Glorifizierung von Pkw-Mobilitätskonzepten der Autokonzerne verspricht mehr Komfort und Flexibilität. In Wirklichkeit stellt sie jedoch eine Gefahr für die lebenswerte Stadt dar. Sogenannte „Free-floating“-Mietwagen, die ohne feste Stationen auskommen und überall im Stadtbereich zur Verfügung stehen, verstopfen die Straßen und schwächen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Mit überdurchschnittlich großen Verbrennungsmotoren betriebene, sogenannte Plug-In-Hybrid-Limousinen drängen auf die Busspuren.
Wenn wir es nicht wagen, in den Städten den Pkw-Verkehr deutlich zurückzudrängen, werden Staus, vorzeitige Todesfälle ebenso wie immer neue Atemwegserkrankungen der Bürger die Folge bleiben. Denn je mehr Fahrzeuge unterwegs sind, desto mehr klima- und gesundheitsschädliche Luftschadstoffe wie CO2, Feinstaub und Stickstoffoxid (NOx) strömen aus dem Auspuff und gelangen ungefiltert in die Atemluft. Insbesondere Radfahrer und Fußgänger sind im Straßenverkehr durch die Abgase gefährdet.
Ein besonderes Problem für die innerstädtische Lebensqualität stellt die fortgesetzte Vergiftung der Luft durch Dieselabgase dar. Berechnungen der Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT) sowie Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigen, dass Euro-6-Diesel-Pkw im Durchschnitt über sieben Mal mehr Stickoxide (NOx) emittieren. Sie sind damit sogar noch schmutziger als Euro-4-Diesel-Pkw. Im Verhältnis zu den Realemissionen von Euro-6-Benzin-Pkw beträgt der Unterschied sogar 50:1. Praktisch alle Hersteller von Diesel-Pkw und eben nicht nur Volkswagen setzen illegale Abschalteinrichtungen ein. Aus diesem Grund werden Fahrverbote für Diesel ab Anfang 2018 realistisch.
Aktuell basiert unsere Mobilität auf fossilen Energieträgern – doch deren Verbrennung befeuert nicht nur den Klimawandel. Die Ressource Erdöl ist nicht unendlich verfügbar – sodass heute schon über Alternativen nachgedacht werden muss. Fest steht: Es muss sich etwas ändern bei der jetzigen Form unserer Mobilität und zwar schnell! Wie könnte die städtische Mobilität der Zukunft aussehen?
Szenario für das Jahr 2025
Eine lebenswerte Stadt im Jahr 2020 oder 2025 wird deutlich leiser sein. Sehr viel häufiger treten an die Stelle von Fahrgeräuschen Kinderlachen und die Gesänge der Vögel. Vielleicht hören wir auch wieder das Rauschen von Blättern naher Bäume? Nunmehr tatsächlich abgasgereinigte Busse und vielleicht die ersten Oberleitungsbusse dominieren die Straßen.
Taxen mit Dieselmotor sind wie in asiatischen Metropolen endlich verboten und Privat-Pkw deutlich zurückgedrängt. Statt ihrer dominieren Umwelttaxen, saubere Busse und Schienenfahrzeuge das Straßenbild. Sie bewegen sich fast geräuschlos durch die Gassen und befördern ihre Fahrgäste im Minutentakt dorthin, wo sie hin möchten.
Das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs ist so gut ausgebaut, dass man jederzeit und ohne Probleme von A nach B gelangt – auch in Regionen außerhalb der Stadtgrenzen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind durchweg barrierefrei, es gibt genügend Sitzplätze für Jung und Alt und Platz für Kinderwagen oder Fahrräder.
Es gibt in der Stadt breite, sichere Radwege und ausreichend sichere Stellplätze für Fahrräder. Zu Fuß gehen ist besonders in den Innenstadtbereichen dank eines flächendeckenden Tempolimits von 30 km/h und ausgebauten Fußgängerwegen eine beliebte Form der Mobilität.
Die Züge fahren nicht nur vor Ort, sondern bundesweit elektrisch und schadstoffarm. Auch Busse sind emissionsarm unterwegs – etwa mit Erdgas- oder elektrischem Antrieb. Dieselbusse und Lkw sind nur noch für die längeren Strecken im Einsatz. Sie werden regelmäßig hinsichtlich ihrer Emissionswerte im Betrieb auf die Einhaltung der Abgasgrenzwerte von unabhängigen Stellen überprüft.
Die Stadt der Zukunft hat noch einen Vorteil: Die Luft, die die Menschen dort atmen, ist sauber. Sie verursacht kein Kratzen im Hals, keine Dieselrußablagerungen oder Salpetersäureverätzungen aus dem eingeatmeten NO2 in unseren Lungen.
Der öffentliche Verkehr ist das breite und unverzichtbare Fundament städtischer Mobilität der nahen Zukunft. Die Bürger tragen ihren Anteil an der Finanzierung durch ein „Bürgerticket“, das zugleich die Nutzung von Bussen und Bahnen, Taxen, Leihwagen und -fahrrädern deutlich vereinfacht, auch im Hinblick auf die individuelle Abrechnung des gewählten Verkehrsmittels. Ergänzt wird der öffentliche Verkehr durch eine Taxiflotte, die mit Erdgasantrieb, als Benzin-Hybrid oder batterieelektrisch unterwegs ist.
Diesel-Pkw, Diesel-Taxen und -Lieferfahrzeuge sind in der Stadt nicht mehr zu finden. Sie alle fahren mit abgasarmen Alternativen. Benzin- und Benzin-Hybrid-Fahrzeuge und Erdgasantriebe sind wichtige Antriebsarten für den Übergang – batterieelektrische Antriebe werden jedoch langfristig überwiegen. Auch, weil sich das Angebot von Elektrofahrzeugen immer weiter verbessert und der Markt immer mehr Modelle anbietet.
Die Stadt der Zukunft wird mehr Lebensqualität bieten können. Sie ist ruhiger, sauberer und sicherer. Und das ohne Verzicht auf Komfort oder Flexibilität. Wir haben mehr Platz auf der Straße, denn der individuelle Pkw-Verkehr wird genauso zurückgedrängt wie die ökonomisch gescheiterten Car-Sharing-Konzepte der Autohersteller. Wer braucht ein Auto in der Stadt, wenn es kostengünstiger, bequemer, sicherer und umweltfreundlicher ist, mit den angebotenen Alternativen unterwegs zu sein? Immer weniger Menschen haben in der Zukunft ein eigenes Auto. Grund dafür sind nicht nur Fahrverbote für Diesel, sondern auch der immer weitergehende Rückbau von Stellflächen auf öffentlichem Straßenland für Pkw sowie die Einführung einer City Maut.
Jürgen Resch
Der Autor
Jürgen Resch ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe mit Sitz in Berlin und Radolfzell
Info: Wende im Verkehrssektor
Die anhaltende Herausforderung der verkehrsbedingten Luftbelastung wird, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, es erforderlich machen, in den Städten auf nachhaltige Mobilitätsformen zu setzen und die Abkehr von fossilen Kraftstoffen, eingesetzt in ineffizienten und nicht ausgelasteten Fahrzeugen, voranzutreiben. Anstatt überzüchteter SUVs, die die schmalen Straßen vor Grundschulen jeden Morgen verstopfen, sollten bequeme, sichere und saubere Transportmittel das Straßenbild prägen.
Wie kann eine solche Perspektive Wirklichkeit werden? All dies ist nur möglich durch die sofortige Einleitung einer Verkehrswende. Dazu notwendig sind die frühzeitige Kommunikation all der damit verbundenen Maßnahmen sowie die Bereitstellung von bezahlbaren Alternativen. So lässt sich die Akzeptanz des Umbaus unserer Mobilität bei den Bürgern fördern – zumal sie selbst von den Vorteilen profitieren: saubere Luft, mehr Raum für städtisches Leben auf der Straße und mehr Sicherheit – vor allem auch für die Kinder.
Jürgen Resch