Glasfaser ist das eine, zudem spielt LoRaWAN zunehmend eine Rolle, etwa für das Grünflächen- oder Abfallmanagement. So in Neu-Ulm: eine Modellkommune, die mit ihrer umfassenden Digitalisierung vom Land Bayern gefördert wird.
Die Stadt Neu-Ulm (rund 60.000 Einwohner) hat sich 2020 erfolgreich auf das Modellprojekt „Smart Cities – Smart Regions“ des Landes Bayern beworben. Nach der Förderzusage hat sie als eine von elf Modellkommunen in den vergangenen beiden Jahren eine Smart-City-Strategie erarbeitet: das Integrierte Digitale Entwicklungskonzept (IDEK). Der Stadtrat hat es im Dezember 2022 verabschiedet.
Das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat die Modellkommunen bei der Entwicklung der Strategie mit 60 Prozent der förderfähigen Kosten unterstützt, im Falle Neu-Ulms waren das rund 90.000 Euro Zuschuss als Anteil an Gesamtkosten in Höhe von rund 150.000 Euro. Die Gesamtkoordination des IDEK-Prozesses innerhalb der Stadtverwaltung lag bei einem Tandem aus der Abteilung Stadtentwicklung und der neu geschaffenen Stabsstelle für Zukunftsthemen.
Mit ihrer Smart-City-Strategie verfolgte Neu-Ulm verschiedene Ziele in vier sektoralen Themenfeldern und einem fünften Querschnittsthemenfeld. Im Themenfeld „Städtebauliche Entwicklung und Demografie“ bestehen Schwerpunkte in der Belebung der Innenstadt, zukunftsfähigen Gewerbegebieten und einem digitalen Gebäude- und Quartiersmanagement. Dabei soll Digitalisierung dazu dienen, den öffentlichen Raum aufzuwerten sowie die Attraktivität Neu-Ulms als Wohn- und Arbeitsort zu steigern.
Im Rahmen des Themenfeldes „Umwelt, Klimaschutz und Energie“ wurden insbesondere Handlungsbedarfe in den Bereichen Klimaschutz und Klimaanpassung identifiziert. Für das Thema „Mobilität und Verkehr“ liegt der Fokus auf digitalen Maßnahmen zur Beschleunigung einer Mobilitätswende hin zu nachhaltigen Mobilitätsformen des Umweltverbundes (Rad- und Fußverkehr, ÖPNV).
Dabei spielt die heterogene Siedlungsstruktur Neu-Ulms eine entscheidende Rolle. Lösungen müssen sowohl für die Innenstadt als auch für dörflich geprägte Stadtteile entwickelt werden. Unter der Überschrift „Daseinsvorsorge, soziales Leben und Teilhabe“ werden digitale Teilhabe und Bildung in Neu-Ulm gestärkt mit dem Ziel, Mehrwerte für alle Menschen in der vielfältigen Stadtgesellschaft zu bringen.
Die Maßnahmen des Querschnittsthemenfeldes „IKT-Infrastruktur, Daten und digitale Kompetenzen“ bilden das Fundament für die anderen Themenfelder. Ein öffentliches kostenloses WLAN an vier Standorten in der Innenstadt gibt es bereits seit 2017. Neu-Ulm setzt sich zum Ziel, die IKT-Infrastruktur insgesamt weiter auszubauen und Open Data zu forcieren. So sollen zum Beispiel das Funknetz LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) ausgebaut, neue Sensorikanwendungsfälle entwickelt und langfristig eine urbane Datenplattform aufgebaut werden.
Praktisch für kleine Datenmengen
Dabei setzt Neu-Ulm auf die Zusammenarbeit mit dem Stadtkonzern und auf interkommunale Kooperation, insbesondere mit der Nachbarstadt Ulm. Beispielsweise wird der LoRaWAN-Netzausbau in der Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm in erster Linie von den gemeinsamen Stadtwerken durchgeführt. Die Funktechnologie ist relativ kostengünstig im Betrieb, strahlungsarm, energieeffizient und damit auch klimafreundlich. Kleine Datenmengen lassen sich über größere Distanzen übermitteln.
Diese Technologie wird zunehmend eine zentrale Rolle bei der Erledigung von Aufgaben im kommunalen Umfeld über das „Internet der Dinge“ (IoT) spielen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: von Füllstandsmessungen, etwa im Abfallmanagement, bis hin zum Parkraum- und Grünflächenmanagement.
Wie andere Kommunen steht auch Neu-Ulm vor großen Herausforderungen. Stadt, Wirtschaft und Gesellschaft müssen Antworten auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel finden. Trotz Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums gilt es, den Flächenverbrauch zu minimieren. Beim Klimaschutz muss die Stadt mit gutem Beispiel und Investitionen in die Infrastruktur vorangehen: etwa beim Energiemanagement öffentlicher Gebäude, beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der Stärkung klimaverträglicher Alternativen zum Auto – mit dem ambitionierten Ziel der klimaneutralen Stadt bis 2040. Außerdem will Neu-Ulm möglichst viele Bürgerinnen und Bürger fit für den digitalen Wandel machen und sie konsequent beteiligen.
In all diesen Bereichen ist die Stadt auf smarte Lösungen angewiesen. Der intelligente und vernetzte Einsatz digitaler Technologie hilft dabei. Angesichts dieser Herausforderungen wird klar: Das IDEK-Konzept hat den zeitlichen Horizont eines ganzen Jahrzehnts, und die Stadtverwaltung und städtische Unternehmen können es allein nicht umsetzen.
Ein Großteil der Kompetenz, die zur Lösung komplexer Fragen der digitalen Stadtentwicklung benötigt wird, liegt verteilt bei vielen Akteure in der Gesellschaft: bei Vereinen und Initiativen, Start-ups, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie bei Bürgerinnen und Bürgern. Aus der Vielzahl von Ideen aus der Bürgerschaft im Rahmen der IDEK-Öffentlichkeitsbeteiligung wurden 16 Maßnahmen mit höherer Priorität ausgewählt − die meisten von ihnen gehen auf Bürgerideen zurück.
Schon in der Konzeptionsphase wurden erste Schritte einzelner Maßnahmen umgesetzt. Ein Beispiel ist das Aufstellen energetisch autarker, mit Solarenergie betriebener Behälter, die eingeworfenen Müll platzsparend verpressen, dem Abfallentsorger den Füllstand übermitteln und somit wegweisend für ein ganzheitliches smartes Abfallmanagement sind.
Ein weiteres Beispiel ist ein Anwendungsfall des sensorbasierten Hochwassermanagements mit LoRaWAN-Übertragung: In besonders gefährdeten Ortsteilen Neu-Ulms warnt es vor Überflutungsgefahren bei Starkregenereignissen. Aus diesem Beispiel will die Stadt für künftige weitere LoRaWAN-basierte Anwendungsfälle lernen.
Mit dem digitalen Zwilling in die Zukunft
Zu den wohl aufwändigsten und komplexesten Projekten der Neu-Ulmer Smart-City-Strategie zählt die Entwicklung und der Betrieb eines sogenannten digitalen Zwillings der Stadt, also ein virtuelles Abbild des städtischen Lebens auf Grundlage eines 3-D-Modells, das über Sensoren mit der Realität verbunden ist. Je umfassender und genauer die Sensoren die Stadt mit Daten beschreiben können, desto besser lassen sich mithilfe des digitalen Zwillings interaktive Simulationen hypothetischer Veränderungen durchspielen, etwa in der Mobilitätsplanung und Klimafolgenanpassung.
Neu-Ulm will zeigen, dass nicht nur Großstädte wie München oder Hamburg mit Elementen eines digitalen Zwillings innovative raumbezogene Lösungen entwickeln können, sondern auch eine typische Mittelstadt.
Robert Schwarz