Soziale Pflicht

Fällt Laub von einem geschützten Baum auch auf das Nachbargrundstück, kann vom Baumbesitzer kein Ausgleich für die Beseitigung des Laubs verlangt werden. (OLG Hamm vom 1. Dezember 2008 – AZ 5 U 161/08)

Wegen der Beeinträchtigungen, die von zwei geschützten Bäumen auf einem angrenzenden Grundstück ausgingen, verlangte der Nachbar rund 27000 Euro Schadensersatz. Gehen nämlich von der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks Einwirkungen auf ein anderes Grundstück aus und beeinträchtigen sie dessen Benutzung unzumutbar, kann der Betroffene einen Ausgleich in Geld verlangen.

Maßgebend für die Frage, ob eine Einwirkung wesentlich ist oder nicht, ist das Ausmaß, in dem die Benutzung des Grundstücks gestört wird. Dabei ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, abzustellen. Damit können auch wertende Momente wie etwa die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewusstseins der Bevölkerung in die Beurteilung einbezogen werden.

Der Betroffene gab an, er müsse 72 Stunden im Jahr Laub, Bucheckern und Äste beseitigen, jährlich rund 120 Säcke voll Blätter, Bucheckern und Zweigen zur Deponie abfahren, einmal im Jahr das Dach seines Hauses abstrahlen und zweimal im Jahr die Abwasserkanäle säubern. Nach dem Urteil lagen indes keine Einwirkungen vor, die den Wohngenuss und die Grundstücksnutzung dauerhaft und nachhaltig beeinträchtigten. Das geschärfte allgemeine Bewusstsein und das Streben nach Erhaltung herkömmlicher Baumbestände durfte in diesem Fall nicht unberücksichtigt bleiben. Würde man großzügig Ausgleichsansprüche zubilligen, würde dies dazu führen, dass viele Eigentümer ihre Bäume beseitigten, nur um solchen Ansprüchen zu entgehen, so das Gericht.

Überhaupt stand dem Entschädigungsanspruch entgegen, dass es sich um geschützte Bäume handelte und daher ein Anspruch auf Beseitigung der Bäume ausgeschlossen war. Nicht allein der Baumeigentümer ist auf seinem Grundstück sozialpflichtig in der Weise, den Baum dulden zu müssen, sondern auch der Nachbar in der Weise, dass er die Einwirkungen des Baumes ohne Ausgleichsanspruch hinnehmen muss.

Franz Otto