Schlauchlining bringt das Rohr ins Rohr

Fremdwasser im Kanal treibt die Kosten der Abwasserentsorgung in die Höhe. Welches Sanierungsverfahren technisch und wirtschaftlich geeignet ist, hängt von den individuellen Bedingungen des Schadensfalls ab. Schlauchlining­verfahren punkten unter anderem mit kurzer Bauzeit.

Der größte Vermögenswert einer Kommune ist in der Regel ihr Kanalnetz. Regional unterschiedliche Vorschriften legen fest, in welchen Zeiträumen die Standsicherheit, Betriebssicherheit und Dichtheit der abwassertechnischen Anlagen kontrolliert werden müssen. Spätestens wenn das Wasserwirtschaftsamt Bedenken anmeldet, sind Netzbetreiber gezwungen, ihre Kanäle zu inspizieren und instand zu setzen.

Neben der Sicherheit des Kanalnetzes beschäftigt der Kostenpunkt jeden Betreiber. Dabei spielen Undichtheiten und eindringendes Fremdwasser eine entscheidende Rolle. Fremdwasser ist Wasser, das im Kanal „fremd“ ist – also Wasser, das aufgrund seiner Qualität keiner Reinigung bedarf, nicht in den Kanal gehört: eindringendes Grundwasser, Drainagewasser, Bach- oder Quellwasser, Oberflächenwasser aus Außengebieten oder Wasser aus Fehlanschlüssen.

Die Kanalsanierung stellt zumeist einen wichtigen Baustein zur Reduzierung des Fremdwasseranteils in der Kläranlage dar. Bei der Wahl des technisch wie wirtschaftlich geeigneten Sanierungsverfahrens kommt es auf die kombinierte Betrachtung von Schadensbild, Nennweite des Kanals, Rohrmaterial, Bodenverhältnissen, Grundwassersituation und Zugänglichkeit an.

Als vor rund 50 Jahren die ersten Schlauchliner („Rohr im Rohr“) eingebaut wurden, ahnte wohl kaum jemand, welche Bedeutung den geschlossenen Sanierungstechniken eines Tages zukommen würde. Geschlossene Verfahren kommen ohne Aufgrabungen vor Ort aus und sind dementsprechend attraktiv. Über die Jahre konnten sich die Schlauchliner neben der nach wie vor unverzichtbaren Sanierung durch Erneuerung der abwassertechnischen Anlagen in offener Bauweise am Sanierungsmarkt etablieren.

Dabei wird der Kanal mit einem Inliner von innen ausgelegt, abgedichtet und stabilisiert. Die Methode überzeugt durch ein breites Anwendungsspektrum, eine wirtschaftliche Kostenstruktur, ein ausgereiftes Zulassungs- und Qualitätsmanagementsystem sowie einen mittlerweile langfristigen Erfahrungszeitraum. Doch es gibt auch Grenzen: So bietet zum Beispiel ein mittels Schlauchliner sanierter Kanal lediglich rund die Hälfte der statistischen Lebenserwartung von 70 bis 80 Jahren eines Neubaus. Es ist also stets eine Langzeitbetrachtung durchzuführen – mindestens über den Vergleichszeitraum eines Kanalneubaus –, um die Wirtschaftlichkeit eines Sanierungsverfahrens zu ermitteln.

Für eine bayerische Gemeinde verfolgen die Ingenieure bei der Wipflerplan Planungsgesellschaft eine langfristige Sanierungsstrategie. Das im Wesentlichen im Mischbetrieb ausgeführte Kanalnetz der an einem See gelegenen Gemeinde leitet sein Abwasser über einen Sammelkanal zu einer Pumpstation am Seeufer. Von dort wird das Abwasser durch die unter dem See verlegte Druckleitung zur Kläranlage am gegenüber liegenden Seeufer befördert. Da der Grundwasserspiegel sich bis zu acht Meter unter Geländeniveau befindet, ist Fremdwassereintrag in das Kanalnetz nicht von Relevanz. Trotzdem darf die Dichtheit als Schutzziel einer Sanierungsplanung nicht vernachlässigt werden.

Neben zahlreichen mit Steinzeugrohren, Stahlbetonrohren oder Kunststoffrohren hergestellten Kanalabschnitten existieren auch mehrere 100 Meter sogenannte Betonfalz- oder Spitzmuffenrohre im Netz. Es handelt sich hierbei um teilweise bis in die 1980er-Jahre hinein verbaute, reine Betonrohre ohne Stahlbewehrung mit einfacher Dichtung aus damals verwendetem Teerstrickmaterial. Mittlerweile ist hinlänglich bekannt, dass die Verbindungen dieser Rohre im Lauf der Zeit undicht werden.

Lebensdauer verlängert

Optisch war der Kanal aus Betonfalzrohren in einwandfreiem Zustand. Erst die stichpunktartigen Druckprüfungen offenbarten viele undichte Rohrverbindungen. Durch die große Menge schadhafter Stellen ließ sich in der Langzeitbetrachtung ein Reparaturverfahren nicht mehr wirtschaftlich darstellen. Bei vergleichbaren Kosten wäre die statistische Lebenserwartung im Gegensatz zu einem Renovierungsverfahren geringer.

In der Konsequenz erwies sich eine Renovierung durch Schlauchlining als wirtschaftlichste Lösung, wovon im ersten Sanierungsabschnitt bereits ein Teil umgesetzt wurde. Hierdurch wird nicht nur eine Sicherung der statistisch zu erwartenden Lebensdauer der Kanalrohre erreicht, sondern darüber hinaus eine maßgebliche Verlängerung dieser Zeitspanne erzielt. Neben deutlich geringeren Kosten im Vergleich zu einem Neubau stellen die kürzere Bauzeit und kaum wahrnehmbare Beeinträchtigungen der Anwohner durch Sanierungsarbeiten Pluspunkte des Verfahrens dar.

Franz Kühr

Der Autor
Franz Kühr leitet bei der Wipflerplan Planungsgesellschaft Pfaffenhofen/Ilm den Fachbereich Kanalsanierung

Info: Schlauchlining

  • Die Sanierung eines schadhaften Abwasserkanals im Schlauchlinerverfahren läuft in diesen Schritten ab:

  • Zustandserfassung durch Kamerabefahrung und optische Inspektion

  • Sanierungskonzept (Bedarfsplanung und Kostenschätzung) auf Grundlage der Schadenserhebung

  • Abstimmung mit dem Netzbetreiber, gegebenenfalls Aufteilung des Sanierungsumfangs in Bauabschnitte

  • Vorbereitung des Linereinbaus: Ein Kanalroboter misst die Zuläufe von Grundstücken und Straßensinkkästen ein und beseitigt Hindernisse im Altrohr (der Liner darf beim Einbau an keinem Hindernis hängen bleiben).

  • Einbau des Liners: Durch Wassersäule oder über Einzug mittels Seilwinde wird der Schlauchliner in den Kanal inversiert oder eingezogen.

  • Aushärtung des Liners: Damit der Liner dicht an die Rohrwand des Kanals anschließt, wird der Liner mit Druckluft aufgeblasen. Dann härtet das Liner-Harz durch Wasserdampf oder UV-Licht aus und bildet so ein „Rohr im Rohr“.

  • Zuläufe öffnen: Sofort nach der Aushärtung des Liners fräst ein Roboter die Zuläufe im Kanal auf.