Rheinland-Pfalz geht seinen eigenen Weg

Mit der Pendler-Radroute zeigt das Land Rheinland-Pfalz einen eigenen Weg für Radschnellverbindungen auf. Die PRR-Machbarkeitsstudie zeigte für die Region Bingen-Ingelheim-Mainz ein Modell auf, mit dem das Radwegenetz unkompliziert und kostengünstig aufgewertet werden kann.

Das Fahrrad wird für den Alltags- und Freizeitverkehr immer wichtiger und erlebt einen beachtlichen Aufschwung. Europäische Nachbarländer haben mit „Fietssnelwegen“ (Niederlande), „Cykelsti“ (Dänemark) und „Velobahnen“ (Schweiz) bereits auf das veränderte Mobilitätsverhalten reagiert. In Deutschland steckt das Thema „Radschnellwege“ dagegen noch in den Kinderschuhen.

Radschnellwege schaffen direkte Verbindungen zwischen Wohn- und Arbeitsorten, Freizeit- und Einkaufsbereichen. Radfahrer können mit gleichbleibendem Tempo sicher und zügig von A nach B gelangen. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) hat Anforderungen für Radschnellverbindungen zusammengefasst. Danach müssen diese ausreichend breit sein, eine geringe Steigung und eine gute Oberfläche haben. Sie sollten inner- und außerorts beleuchtet und vom Fußgängerverkehr getrennt sein, an Knotenpunkten Vorfahrt haben und bei der Querung von Hauptverkehrsstraßen über Tunnel oder Brücken geführt werden.

Radschnellwege sorgen dafür, dass mehr Menschen auf das Rad umsteigen. Sie entlasten den Verkehr auf den Straßen und tragen durch weniger Lärmbelastung und Schadstoffemissionen zur Luftreinhaltung und zum Klimaschutz bei. Gleichzeitig tun Radler etwas für ihre Gesundheit.

Schnell umsetzbare Lösungen

Vor diesem Hintergrund hat der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz das Beratungs- und Planungsunternehmen Sweco im Auftrag des rheinland-pfälzischen Verkehrsministeriums im Jahr 2014 Korridore ermitteln lassen, in denen Radschnellverbindungen nach rheinland-pfälzischem Modell (sogenannte Pendler-Radrouten, PRR) möglich sind. Im Raum Bingen-Ingelheim-Mainz wird zwischen dem Oberzentrum Mainz und der Stadt Bingen auf etwa 30 Kilometer ein besonderes Potenzial für eine Radschnellverbindung gesehen. Für diesen Raum wurde die erste Machbarkeitsstudie für eine Pendler-Radroute erarbeitet.

Im Unterschied zu den Qualitätsanforderungen an Radschnellwege gemäß der FGSV setzt man in Rheinland-Pfalz auf definierte und modifizierte Standards. Ziel der ersten Stufe ist es, überwiegend auf vorhandener Infrastruktur kostengünstige und schnell umsetzbare Lösungen zu ermöglichen.

Pendler-Radrouten sollen möglichst umwegfrei und störungsarm geführt werden und dabei Bereiche mit hohem Nutzeraufkommen verbinden. Der Schwerpunkt liegt auf dem Berufs- und Ausbildungsverkehr (Pendlerströme). Bedeutende Ziele sind Arbeitsplatzschwerpunkte, Stadtzentren, Gewerbegebiete, Hochschulen, Verwaltungsstandorte und Bahnhöfe. Die Anforderungen ähneln denen der Radschnellwege, sind aber an die Gegebenheiten angepasst (z. B. in Bezug auf die Breite). Wichtig sind eine hohe Belagsqualität, weitestgehende Separation vom Fußverkehr, möglichst Bevorrechtigung für den Radverkehr sowie geringe Beeinträchtigung durch andere Verkehrsarten.

Breite Beteiligung an der Planung

In einer Grundlagenermittlung wurden zunächst Topografie, Bevölkerungsentwicklung, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Naturschutzbelange, das vorliegende Radwegenetz und bisherige Planungen betrachtet. In einer anschließenden Potenzialermittlung standen die wesentlichen Quellen (Wohnorte) und Ziele (Arbeits- und Ausbildungsplätze, Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten) sowie Bahnhöfe und Bushaltestellen im Fokus. Außerdem fand eine Analyse der bestehenden Pendlerverflechtungen anhand vorhandener Daten und Studien statt.

Um eine konkrete Linienführung festzulegen, wurden mögliche Trassen ermittelt, die sich an den Ost-West-Verkehrsverbindungen wie der Autobahn 60, einer Bahnlinie und dem Rhein-Radweg orientieren. Die Bewertung der Varianten zeigte, dass es sinnvoll ist, Teilabschnitte der Varianten zu kombinieren. Die favorisierte Linienführung soll das größtmögliche Potenzial nutzen, gleichzeitig aber Defizite und Einschränkungen vermeiden.

Neben den beteiligten Kommunen waren von Anfang an auch Radverkehrsexperten und Vertreter der Landwirtschaftskammer und des Bauern- und Winzerverbands in die Planung eingebunden.

Bezüglich des Finanzbedarfs ist die PRR deutlich günstiger als andere Radschnellverbindungen: So kostete der Radschnellweg 1 (RS 1) in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1,8 Milliionen Euro pro Kilometer, während im Rahmen der Machbarkeitsstudie Bingen-Ingelheim-Mainz Kosten in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro für 30 Kilometer geschätzt wurden. Dennoch hat sich das Land Rheinland-Pfalz noch während der Erstellung der ersten Machbarkeitsstudie entschlossen, Pendler-Radrouten in die landesweite Förderkulisse aufzunehmen.

Ludger Schulz / Marion Gutberlet

Die Autoren
Ludger Schulz ist Mitarbeiter beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz, Marion Gutberlet ist Ressortleiterin Regionalentwicklung Koblenz bei der Planungsgesellschaft Sweco