Der Smart-City-Ansatz bedeutet für die kommunale Infrastruktur ein enormes Effizienz- und Wertschöpfungspotenzial. Die Digitalisierung hilft dabei, die Potenziale, die sich aus der Vernetzung von Technologien, Infrastrukturen und Nutzern ergeben, erstmals voll zu heben. Aber Technik ist nicht alles.
Städte stehen im 21. Jahrhundert im Zentrum multipler dynamischer Entwicklungen globalen Ausmaßes. Ressourcenverknappung, Bevölkerungswachstum und Klimawandel, aber auch steigender Wohlstand in Schwellenländern sowie demografische Verschiebungen zwingen uns zu radikalen Veränderungen in den Produktions- und Konsummustern, aber auch in unseren Lebensstilen.
Nachdem in den vergangenen 150 Jahren CO2-intensive und auf Ressourcenverbrauch basierende Produktions- und Wirtschaftssysteme entwickelt wurden, müssen nun umso rascher nachhaltige sozio-technische Systeme entwickelt werden, um dem „carbon lock-in“ zu entkommen, in dem unsere Gesellschaft technologisch, aber auch ökonomisch und strukturell gefangen ist. Die Transformation zu neuen intelligenten Systemen managen, können wir nur mithilfe eines Ansatzes, der saubere, intelligente und energieeffiziente Technologien mit innovativen Geschäftsmodellen und stringenten Verwaltungs- und Politik-Ansätzen verknüpft. Benötigt wird ein ganzheitlicher Ansatz einer Smart City, der unsere heutige Industriegesellschaft in eine auf nachhaltiger Ressourcennutzung basierende Smart Society wandelt.
Städtische Infrastrukturen bestehen aus komplexen Systeme, die für ein reibungsloses Funktionieren ineinandergreifen und aufeinander aufbauen müssen. Dazu zählen Energieerzeugung, Energienetze, Verkehr, Produktion, Logistik und Warenfluss, Bauprozesse, Versorgung und Entsorgung. Diese Strukturen hängen wiederum von Technologien, Prozessen, Organisation, sozialem Verhalten, Geschäftsmodellen und rechtlichen Regularien ab. Wechselseitige Aktionen städtischer Teilsysteme führen zu einem exponentiellen Wachstum der Komplexität. Risiko und Unsicherheit sind somit zu systemtypischen Elementen von Planung und Betrieb urbaner Systeme geworden. Das tritt vor allem dann zu Tage, wenn unberechenbare Elemente wie Stürme, Regenfälle, Erdbeben, aber auch Migration oder die Abwanderung von Unternehmen auftreten.
In der Vergangenheit haben viele Lösungsansätze der Stadtentwicklung, die auf Optimierung einzelner Bereiche abzielten, unbeabsichtigte Nebeneffekte in angrenzenden Sektoren und Subsystemen nach sich gezogen. So sollte die funktionale und autogerechte Stadtplanung der 60er- und 70er-Jahre und mithin die Trennung von Arbeits- und Lebensraum eine effiziente urbane Wirtschaft ermöglichen. Als Nebeneffekte stiegen allerdings die Lärm- und Feinstaubbelastung in den Innenstädten sowie volkswirtschaftliche Transaktionskosten durch hohes Verkehrsaufkommen.
Ein aktuelles Beispiel ist die energetische Gebäudesanierung. Durch eine möglichst effektive Wärmedämmung soll der Energieverbrauch reduziert werden. Allerdings ist heute noch nicht abzusehen, welche Folgeschäden eine flächendeckende Anwendung von Dämmstoffen auf Polystorol-Basis in den natürlichen Ökosystemen nach sich zieht.
Kommunale Dienstleistungen neu denken
Seit einigen Jahren verspricht der Smart-City-Ansatz eine Lösung. Durch die datengetriebene Vernetzung kommunaler Infrastrukturen mit Sensorik und Nutzern kann zum ersten Mal eine intelligente Optimierung der Effizienz sowie eine wirklich bedarfsgerechte Investition in kommunale Infrastruktur stattfinden. Wenn wir uns die Daten zunutze machen und kommunale Dienstleistungen hierdurch neu denken, entstehen gänzlich neue Möglichkeiten. Energienetze werden zum Rückgrat einer CO2-neutralen Stadt. Sie verbinden Konsumenten und Erzeuger von Energie dezentral und in Echtzeit und ermöglichen völlig neue Geschäftsmodelle.
Der klassische, schienengebundene Öffentliche Personennahverkehr wird zum Rückgrat eines viel flexibleren und bedarfsgerechteren Mobilitätssystems, bei dem öffentliche und private Angebote perfekt ineinandergreifen und sowohl im Wirtschafts- als auch im Personenverkehr maximale Mobilität bei minimaler Straßenbelastung ermöglichen. Im Wasser- und Ressourcen-Sektor sind ähnliche Ansätze möglich. Spannend sind folgende Neuerungen:
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Der Smart-City-Ansatz ist gekommen, um zu bleiben. Wenn sich die Kommunalwirtschaft nicht damit auseinandersetzt, tun es andere. Mächtige private Konzerne stehen in den Startlöchern, um bisher hoheitliche Aufgaben der Daseinsvorsorge zu übernehmen und mit gewieften Geschäftsmodellen zu hinterlegen. In den ersten Städten in Holland und Großbritannien wird Infrastruktur und Technologie bereits gratis bereitgestellt, damit das eigentliche Geschäftsmodell hierüber betrieben werden kann: die Verwertung und Vermarktung von Daten.
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Das Geschäftsmodell der Smart City spielt kommunalen Unternehmen in die Hand. Auf Basis hoher versunkener Kosten (physische Infrastruktur und Datennetze) lassen sich digitale Dienstleistungen beliebig oft vermarkten und replizieren zu sehr geringen Grenzkosten. Ein kommunales Unternehmen, das den Sprung in die digitale Welt der Smart City schafft, kann bestehende Infrastrukturen als Plattform begreifen, auf der alle möglichen neuen Dienstleistungen angeboten werden.
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Daten über Nutzung und Zustand der Infrastruktur und des öffentlichem Raum geben uns zum ersten Mal (in Echtzeit) die Gelegenheit, unsere Stadt als ganzheitliches System zu betrachten und zu optimieren. Infrastrukturen und bisher getrennte Sektoren wie Energie, Wasser, Gebäude und Verkehr gilt es als Teile eines Systems „Stadt“ zu verstehen. Eine echte Smart City kommt dann zustande, wenn wir dieses Verständnis in ganzheitliche (neue) Planungs- und Managementansätze überführen. Das Heilsversprechen der Smart City nach qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen, nachhaltigem kommunalem Wachstum und effizientem Umgang mit Steuergeldern kann nur eingelöst werden, wenn diese mehr ist als Technologie.
Daten und Algorithmen sind zunächst Instrumente. Sie entfalten ihre Wirkung basierend auf der Absicht, die der Programmierung zugrunde liegt. Ein vernetzter Quartiersspeicher lässt sich zur Optimierung des Eigenverbrauchs oder zur Maximierung des Erlöses aus dem Energieverkauf nutzen. Sharing-Plattformen verleiten dazu, Dinge zu nutzen, aber nicht mit anderen zu teilen. Der kurz gemietete Scooter wird dann gerne mal im Hinterhof versteckt.
Ebenso gefährden smarte Infrastrukturen unsere Persönlichkeitsrechte. Erfasst ein Sensor permanent, wo ich bin und was ich in der Öffentlichkeit tue, wann erhalte ich dann die Möglichkeit der Nutzung dieser Daten zu widersprechen?
Die Entwicklung und Nutzung kommunaler Infrastruktur im Sinne einer Smart City muss somit in einen Diskurs über Werte eingebettet sein – und das möglichst unter Einbeziehung der Akteure, die von einer effizienten, lebenswerten Stadt profitieren sollen: der Bürger und ihrer politischen Repräsentanten.
Alanus von Radecki
Der Autor
Alanus von Radecki ist Leiter des Kompetenzteams Urban Governance Innovation beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart
Info: Stadtentwicklung global
Bis zum Jahr 2030 werden knapp fünf Milliarden Menschen in Städten leben – die große Mehrheit davon in heutigen Schwellen- und Entwicklungsländern. Es wird erwartet, dass Städte weltweit bis 2030 ihre heutige Fläche um den Faktor 2,5 ausdehnen und dabei bis zu sieben Prozent des global verfügbaren fruchtbaren Landes versiegeln. Nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verbrauchen Städte bereits heute 60 bis 80 Prozent der globalen Energieproduktion und sind für einen ähnlichen Anteil der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Zwischen 2010 und 2025 wird allein das Bruttoinlandsprodukt der 600 größten Städte weltweit um über 30 Billionen US-Dollar steigen und über 60 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums ausmachen. Es wird erwartet, dass in demselben Zeitraum eine zusätzliche Menge an Geschossfläche gebaut werden muss, die 85 Prozent des gesamten heutigen globalen Baubestands entspricht.
Die Herausforderung besteht somit in der Entwicklung und Umsetzung von innovativen Technologien und Prozessen in Städten, die einerseits die Alltagsbedarfe von Menschen befriedigen, gleichzeitig aber radikal weniger Ressourcen und Energie verbrauchen als heutige Lösungen, sowie nahezu keinen Abfall und keine Emissionen produzieren.