Naturbäder statt Chlorbecken: eine zukunftsweisende Alternative für Kommunen

Nach dem Sommer ist vor der nächsten Freibadsaison: Was dann für Naturbäder spricht, schlüsseln Experten von der Deutschen Gesellschaft für naturnahe Badegewässer auf – am Beispiel einer Anlage aus Niedersachsen.

Naturbad
Der Wasserpark Wennigsen hat in einer typischen Saision mehrere zehntausend Besucher – unter ihnen sind viele Kinder und Jugendliche. Foto: Deutsche Gesellschaft für naturnahe Badegewässer e.V.

Am Fuße des Deisters lädt der Wasserpark Wennigsen zu einem besonderen Badeerlebnis ein:
Schwimmen in chemiefrei aufbereitetem Wasser, umgeben von Natur. Seit der Umgestaltung des ehemaligen Freibads im Jahr 2000 bietet die Anlage auf rund 2000 Quadratmetern Schwimmfläche nicht nur Erholung, sondern auch ein Vorzeigemodell ökologischer Wasseraufbereitung.

Der Wasserpark Wennigsen setzt auf ein ausgeklügeltes, rein biologisches Wasseraufbereitungssystem, das vollständig ohne chemische Zusätze auskommt. Herzstück sind der sogenannte Rieselfilter und ein bepflanzter Nassfilter. Das Beckenwasser wird zunächst über Schwallrinnen und Überläufe gesammelt und in den Rieselfilter geleitet, wo es mehrstufig gereinigt wird: mechanisch durch das Zurückhalten von Schwebstoffen im Filtersubstrat; physikalisch durch Adsorption von Phosphat an das Filtermaterial; biologisch durch einen Biofilm, der organische Stoffe, Algen und Keime abbaut. Gleichzeitig wird das Wasser beim Durchrieseln aktiv belüftet.

Was für eine dauerhaft hohe Wasserqualität in Naturbädern nötig ist

Der Nassfilter arbeitet nach ähnlichem Prinzip, nutzt aber zusätzlich die Kraft von Sumpf- und Unterwasserpflanzen, die Nährstoffe aufnehmen und Zooplankton Lebensraum bieten. So wird das ökologische Gleichgewicht stabilisiert und Algenwachstum nachhaltig reduziert. Ein Phosphatadsorber bildet die dritte Reinigungsstufe und bindet gelöste Phosphate aus dem Wasser, bevor es wieder in die Badebecken zurückgeführt wird.

Die gesamte Aufbereitung wird von einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) geregelt, die Temperatur- und Wasserstandsdaten auswertet und die Leistung automatisch dem Bedarf anpasst. Regelmäßige Kontrollen durch das Gesundheitsamt sowie eigene Laboranalysen sichern dauerhaft hohe Wasserqualität – ganz im Sinne eines naturnahen, umweltfreundlichen Badeerlebnisses.

Ehrenamtliches Engagement

Der Wasserpark wird in einer typischen Saison von mehreren zehntausend Gästen besucht, darunter ein hoher Anteil an Kindern und Jugendlichen. Besonders beliebt sind Früh- und Abendschwimmen für Erwachsene, Familienangebote sowie besondere Veranstaltungen wie Nachtschwimmen, Ferienprogramme oder Themenabende.

Der Betrieb liegt in den Händen des Wasserparks Wennigsen e. V., einem gemeinnützigen Verein, der mit hohem ehrenamtlichem Engagement den Erhalt und die Weiterentwicklung des Bades sicherstellt. Wartung, Veranstaltungen und viele bauliche Maßnahmen werden maßgeblich von Freiwilligen getragen. Unterstützung erhält das Bad zudem durch saisonale Rettungsschwimmer, Minijobkräfte für Kasse und Grünpflege sowie einen Betriebskostenzuschuss der Gemeinde.

Ein Schwerpunkt liegt auf dem Schwimmenlernen. Da immer mehr Kinder aufgrund fehlender Kapazitäten in öffentlichen Bädern nicht sicher schwimmen, stellt der Wasserpark gemeinsam mit Schulen, Vereinen und Familien Schwimmkurse bereit – ein wichtiger Beitrag zur Unfallprävention. Zudem ist das Bad ein sozialer Treffpunkt und Ort der Naherholung, der das kulturelle Leben in der Region bereichert.

Tipps für Kommunen

Durch eine Ausbildungsmöglichkeit können erhebliche Kosten für Vereine wie auch für Kommunen eingespart werden. Während eine fachangestellte Aufsicht in einem konventionellen Bad mit Chlor-Einsatz unbedingt erforderlich ist, können im Naturbad auch andere Personen dafür zum Einsatz kommen. Entsprechende Lehrgänge werden von der Deutschen Gesellschaft für naturnahe Badegewässer (DGfnB) angeboten. Gerade in einer Zeit, in der viele Bäder aufgrund der laufenden Kosten schließen, ist die Alternative zum Umbau in ein Naturbad ein großer Vorteil für die angespannten Finanzen in den Gemeinden.

Wenn Kommunen ein Naturfreibad planen, sollten sie auf eine vertikale Richtung der Wasserdurchströmung achten. Ein rundum laufender Wasserüberlauf – anstelle eines Zentralablaufs – verbessert die Wasserqualität enorm. Kies- oder Sandbereiche stellen eine größere Sedimentfalle dar, sodass heutige Planungen davon absehen. Damit wird auch der Reinigungsaufwand reduziert, und Roboter können leichter zum Einsatz kommen.

Die Teilnahme an den jährlichen Bädertreffen ist für die Kommunen ein wichtiges Hilfsmittel für den Erfahrungsaustausch. Denn: Fehler die schon ein anderer gemacht hat, braucht man nicht zu wiederholen.

Interkommunale Zusammenarbeit

Gemeinsam mit den Freibädern Goltern und Bennigsen setzt der Wasserpark Wennigsen auf eine enge interkommunale Zusammenarbeit, um die Attraktivität und Nutzungsmöglichkeiten der Anlagen deutlich zu erweitern. Ziel des Projekts ist es, die Freibäder nicht nur in den Sommermonaten, sondern auch in den kühleren Jahreszeiten als lebendige Freizeit- und Begegnungsorte zu etablieren.

Geplant sind unter anderem moderne Veranstaltungstechnik für kulturelle Events, ein mobiles Open-Air-Kino für stimmungsvolle Filmabende sowie eine umweltfreundliche synthetische Eisbahn, die unabhängig von Wetter und Jahreszeit betrieben werden kann. So entstehen neue Angebote wie Winterfeste, Weihnachtsmärkte oder Konzertabende, die das Freibadgelände auch außerhalb der Badesaison beleben.

Das Naturbadprojekt wird im Rahmen des EU-Regionalentwicklungsprogramms LEADER gefördert und steht beispielhaft für nachhaltige Regionalentwicklung und bürgerschaftliches Engagement. Mit ökologischer Technik, innovativen Nutzungsideen und einem starken ehrenamtlichen Fundament kommen in Wennigsen Naherholung, Sport, Kultur und Klimaschutz zusammen. Dank LEADER-Förderung und regionalem Zusammenhalt wird das Naturfreibad fit für die Zukunft.

Otto Hoffmann, Martin Dankert, Michael Meßner


Die Autoren

Otto Hoffmann und Martin Dankert sind Vorstände, Michael Meßner ist Pressewart bei der Deutschen Gesellschaft für naturnahe Badegewässer e.V. (DGfnB).


Mehr zum Thema

Schwimmbad trotz Kostendruck

Neues Schwimmbad trotz Kostendruck: Wie sich die Wirtschaftlichkeit gewährleisten lässt

Vielerorts wird geschlossen, im nordrhein-westfälischen Verl aber schwimmt man gegen die aktuelle Zeitströmung: Dort ist ein neues Hallenbad entstanden. Wie …
Energetische Sanierung von Lehrschwimmbädern in Oberhausen

Energetische Sanierung von Lehrschwimmbädern: Die Stadt Oberhausen schützt das Klima

Sieben Lehrschwimmbäder in Oberhausen wurden saniert – dabei ging es um mehr als „nur“ ums Schwimmen: Für ihr energetisches Sanierungskonzept …
Parkbad Weende

Vom klassischen Freibad zum Treffpunkt mit Modellcharakter

Ein sanierungsbedürftiges Freibad zu einem ganzjährigen Treffpunkt für die Anwohner umgestalten: Das ist im Göttinger Stadtteil Weende gelungen. Mit viel …