Nachfrage bestimmt den Ausbau

Ein Standortbestimmungsmodell bietet eine einheitliche und nachvollziehbare Bewertungsgrundlage für den Aufbau der Elektro-Ladeinfrastruktur. In Hamburg dient ein solches Verfahren als Basis für die Errichtung von rund 450 Ladepunkten.

 

Der Hamburger Senat hat im Jahr 2014 für das Stadtgebiet einen Masterplan zum Ausbau der Elektro-Ladeinfrastruktur auf Basis der zu erwartenden Fahrzeugzahlen beschlossen. Dem Plan zufolge sollen insgesamt etwa 600 Ladepunkte im öffentlich zugänglichen Raum für etwa 5000 E-Fahrzeuge errichtet werden. Zu den bestehenden 138 Ladepunkten sind also 454 Ladepunkte an 227 Standorten neu aufzubauen.

Für die Standortbestimmung setzte das Büro Argus in Zusammenarbeit mit der hamburgischen Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) sowie dem Planungsunternehmen Hy Solutions ein Geoinformationssystem ein, das die benötigten Daten mit der Darstellung des Stadtgebiets verknüpft. Für die Bewertung der potenziellen Standorte wurde das Stadtgebiet in einem ersten Schritt in Zellen mit einem Durchmesser von etwa 300 Meter unterteilt. Für diese Zellen wurde eine Bewertung von 0 (außerhalb des Einzugsradius bzw. niedrige Dichte) bis 3 (innerhalb des Einzugsgebiets bzw. sehr hohe Dichte) ermittelt. In Addition dieser Bewertungen kann eine statistische Zelle bis zu zwölf Punkte erhalten, was einer hohen zu erwartenden Nachfrage für E-Ladestationen entspricht.

Diese so erstellte „Heatmap“ (s. Abb. in der Bildergalerie) bildet die Stadtstruktur mit ihren individuellen Charakteristika in ihrer besonderen Art und Weise ab. Hieran lässt sich ablesen, dass auch Stadtteilzentren und Einkaufszentren mit hohen Verdichtungen abseits des Zentrums sehr geeignet für den Aufbau von einer öffentlichen Ladeinfrastruktur sind. So kann vermieden werden, dass subjektive Stadtbilder einzelner Akteure den Vorzug gegenüber einem gleichmäßigen nachfrageorientierten Ausbau erhalten.

In einem weiteren Schritt wurde diese Kartierung der potenziell geeigneten Standorte mit den politisch vereinbarten Kontingenten für Ladepunkte überlagert. Abhängig von den zu verteilenden Ladesäulen wurden die Verdichtungen von hoch bewerteten Zellen zu stadträumlichen Clustern zusammengezogen und nach ihrer erreichten Bewertung sortiert. So können nicht nur Suchräume für einen aktuellen Infrastrukturausbau aufgezeigt, sondern auch Potenziale für weitere Ausbaustufen identifiziert werden.

Die so identifizierten Suchräume (s. Abb. in der Bildergalerie) bildeten die Grundlage des weiteren Auswahl- und Aufbauprozesses in Hamburg. Um den Aufbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen, werden hier drei Ansätze parallel verfolgt. Zum einen werden (1) individuelle Standortwünsche einzelner Nutzer, (2) Förderanträge und (3) Standortvorschläge aus Nutzungsmustern mit den noch offenen Suchräumen überlagert und auf ihre Eignung im gesamtstädtischen Kontext hin untersucht. Bei einer positiven Bewertung werden die Standorte weiterverfolgt.

Standortbestimmung vor Ort

Die im Makro-Standortauswahlverfahren generierten Standorte wurden unter Berücksichtigung verkehrlicher und städtebaulicher Aspekte bei einer Begehung vor Ort bestimmt, vermessen und dokumentiert. Diese Unterlage (bestehend aus Standortsteckbrief und Planunterlage) bildete die Ausgangslage für die Schätzung der Anschlusskosten durch den städtischen Netzbetreiber Hamburg Energie.

In einem weiteren Schritt wurden die kostengeschätzten Standortvorschläge diskutiert und für eine weitere Umsetzung ausgewählt.

Aufbau, Betrieb und Förderung

Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur an mindestens der Hälfte der Standorte erfolgt durch den stadteigenen örtlichen Verteilnetzbetreiber Stromnetz Hamburg. Das Unternehmen ist wettbewerbsneutral und bietet selbst keine Energie an. Es fungiert hierbei lediglich als „facilitator“ und ermöglicht allen Stromvertrieben, ihre Produkte an den Ladesäulen ihren Kunden anzubieten. Nach Erteilung der Sondernutzungsgenehmigung führt die Stromnetz Hamburg den Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur durch. Als Ergebnis dieses Verfahrens wurden innerhalb von 24 Monaten über 100 Ladesäulen in Hamburg aufgebaut.

Für die Errichtung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auf privaten, aber öffentlich zugänglichen Flächen in Hamburg gewährt die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) Zuschüsse. Damit soll eine bedarfsgerechte und qualitätsgesichterte Versorgung mit öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur auch auf Privatflächen ermöglicht werden. Voraussetzung für die Förderung ist der vertraglich gesicherte und zeitlich unbeschränkte Zugang, der Anschluss an das technische IT-Backend der Stromnetz Hamburg mit RFID-Bezahlsystem, das ausschließliche Anbieten von zertifiziertem „Grün-Strom“ sowie die Übernahme der einheitlichen Farbgestaltung der Säulen nach den von der Stadt Hamburg vorgegebenen Richtlinien.

Konrad Rothfuchs / Christian Scheler

Die Autoren
Konrad Rothfuchs ist Geschäftsführer, Christian Scheler Mitarbeiter des Stadt- und Verkehrsplanungsbüros Argus in Hamburg

Zum Weiterlesen: Der Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur spielt eine wichtige Rolle bei der Etablierung der Elektromobilität. Doch wo sollen die Ladesäulen installiert werden? Der Beitrag stellt das in Hamburg angewendete Modell zur Standortbestimmung vor.