Der Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur spielt eine wichtige Rolle bei der Etablierung der Elektromobilität. Doch wo sollen die Ladesäulen installiert werden? Dieser Beitrag stellt das in Hamburg angewendete Modell zur Standortbestimmung vor. Es orientiert sich an der Nachfrage der Nutzer.
Nach wie vor sind Elektrofahrzeuge trotz der staatlichen Subventionen mit höheren Kosten und vor allem mit vermeintlichen Einschränkungen für die Nutzer verbunden. Für den Erfolg der Elektromobilität bei privaten Pkw sowie bei elektrisch betriebenen Carsharing-Flotten wird daher die Verfügbarkeit einer verlässlichen Ladeinfrastruktur entscheidend sein.
Private Ladeplätze im Eigenheim, in privaten Tiefgaragen oder auf Betriebsflächen stellen auch weiterhin die Grundversorgung für elektrisch betriebene Pkw dar. Eine öffentliche Ladeinfrastruktur ist jedoch unverzichtbar. Sie dient sowohl der Reichweitenverlängerung als auch der Erzeugung einer gefühlten Verfügbarkeit und damit der Überwindung der „mentalen Beschränkung“. Die Bedeutung der emotionalen Komponente zeigen nicht zuletzt die hohen Absatzzahlen für sogenannte Hybrid-Fahrzeuge (Fahrzeuge mit Verbrennungs- und Elektromotoren) in Deutschland. Auch wenn für einen Großteil der regelmäßigen Fahrten in Städten die Kapazitäten von E-Fahrzeugen völlig ausreichen, entscheiden sich dennoch viele potenzielle Kunden immer noch für die gefühlte „Flexibilität“ und somit für die Kombination aus beiden Antrieben.
Erfahrungen von E-Fahrzeugnutzern in Hamburg zeigen, dass gerade das Zwischenladen an öffentlichen Ladepunkten im Alltag (sog. „opportunity-charging“) zu einer Erhöhung der Flexibilität und somit auch des Gefühls der Zuverlässigkeit bei den Nutzern beiträgt. Ein weiteres Argument für den Ausbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur ist in den Möglichkeiten für die wirtschaftliche Etablierung von E-Carsharing-Modellen zu sehen.
Lage, Lage, Lage
Unabhängig von der Anzahl der Ladesäulen stellt die Standortwahl einen wichtigen Faktor für den Erfolg der Ladeinfrastruktur dar. So können wenige strategisch gut positionierte Ladestandorte zielführender sein, als ein flächendeckender Ausbau von Ladesäulen in Randlagen.
In vielen Kommunen wird durch die Aufstellung einer sogenannten „Bürgermeister-Ladesäule“ vor Rathäusern und symbolträchtigen Orten eine politische Haltung präsentiert. Diese Initialstandorte sind generell mit Blick auf die öffentliche Debatte und ihrem erzeugten „Schaufenstereffekt“ als positiv zu bewerten. Für die alltägliche Nutzung sind diese jedoch nur wenig hilfreich. Als Ergänzung zu „politisch wirksamen“ Standorten gilt es daher ein Standortmodell zu entwickeln, das flächendeckend Orte identifiziert, an denen eine hohe Nachfrage zu erwarten ist.
Bisher gibt es keine verlässlichen Untersuchungen zur Nutzung von Einrichtungen der Ladeinfrastruktur. Zum Großteil sind schlicht noch keine Daten an Bestandssäulen (z. B. in Hamburg oder Berlin) verfügbar. Dies liegt zum einen an dem schleppenden Markthochlauf von E-Fahrzeugen und zum anderen an dem Umstand, dass viele Ladepunkte durch illegal parkende Pkw mit Verbrennungsmotoren blockiert werden.
Erste Analysen und Recherchen zeigen, dass vor allem der verlängerte Ladevorgang die Lagekriterien – gegenüber herkömmlichen Tankstellen – maßgeblich verändern wird. Während Fahrer Schnellladepunkte an autobahnbegleitenden Tankstellen zwangsläufig nutzen, werden Faktoren wie Nutzungsvielfalt und Aufenthaltsqualität während der Ladephase entscheidend sein.
Es ist davon auszugehen, dass Nutzer bei niedrigem Akkustand eine Säule aufsuchen werden, in deren direkter Umgebung zum Beispiel der Einkauf erledigt werden kann. So gaben viele der Nutzer von
E-Fahrzeugen bei einer Befragung der TU Hamburg-Harburg an, dass die Unabhängigkeit von Tankstellen und die Verknüpfung von täglichen Erledigungen mit dem Ladevorgang positiv zu bewerten sind. Folglich sollten neben Ladesäulen in dichten innerstädtischen Quartieren (für sog. Laternenparker), Ladeplätze an „points of interest“ (POI) bei einer Ausbaustrategie eine wichtige Rolle spielen.
Objektive Auswahl
Für das Stadtgebiet Hamburg wurde 2014 vom Hamburger Senat ein Masterplan zum bedarfsgerechten Ausbau der Ladeinfrastruktur auf Basis der zu erwarteten Fahrzeugzahlen beschlossen. Hiernach sollen insgesamt etwa 600 Ladepunkte im öffentlich zugänglichen Raum für etwa 5000 E-Fahrzeuge errichtet werden. Zu den bestehenden 138 Ladepunkten sind also 454 Ladepunkte an 227 Standorten neu aufzubauen.
Um eine gleichmäßige Versorgung des Stadtgebietes zu gewährleisten und die zahlreichen Nutzervorschläge fundiert bewerten zu können, entwickelten das Büro Argus, die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) sowie das Planungsunternehmen Hy Solutions ein Modellverfahren. Als Ergebnis eines mehrstufigen Analyse- und Rechercheverfahrens wurden für Hamburg folgende Faktoren als relevant für die Nachfrage nach öffentlichem Laden identifiziert:
Hohe Wohn- und Gewerbedichte: Der Bedarf nach öffentlicher Infrastruktur ist in Gebieten mit geringer Dichte eher niedrig, da dort (zum Beispiel in Einfamilienhausgebieten) die Möglichkeit besteht, Ladeinfrastruktur auf dem privaten Grundstück zu installieren. Vor diesem Hintergrund sind Standorte mit hoher Wohn- und / oder Gewerbedichte bei der Standortbestimmung zu bevorzugen.
Gute Verknüpfung mit dem ÖPNV: Das langfristige politische Ziel ist, neben der Innovation der Antriebstechnologie auch eine intermodale Nutzung verschiedener umweltfreundlicher Verkehrsträger zu etablieren. Diverse Untersuchungen und Projekte (u. a. das E-Carsharing-Pilotprojekt „be.mobility“ in Berlin) haben gezeigt, dass E-Carsharing-Kunden häufig mehrere Verkehrsträger auf einem Weg nutzen oder nutzen möchten. Um dieses intermodale Verkehrsverhalten zu optimieren und sogenannte Mobilitäts-Hubs zu stärken, sind Ladestationen in direkter Nähe zu Bahn-/Bus- und Leih-Rad-Stationen im Vergleich höher zu bewerten und zu empfehlen.
Nähe zu „Points of Interest“: Ladesäulen in der Nähe sogenannter „Points of Interest “ bieten die Möglichkeit, das Laden bei alltäglichen Erledigungen zu integrieren. Als POI gelten in diesem Zusammenhang als Orte, an denen sich möglichst viele Menschen für eine Dauer von bis zu zwei Stunden aufhalten. Dazu zählen Einkaufszentren, Universitäten, Büchereien, Sportzentren, Museen, Behörden und Sehenswürdigkeiten.
Diese Faktoren wurden mithilfe eines Geoinformationsprogrammes auf das Stadtgebiet übertragen. Die hierfür notwendigen Datensätze sind durch die Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes in Hamburg frei verfügbar. Weitere Informationen wie POI wurden aus dem Open-source-Projekt „Openstreetmap.org“ übernommen. Durch die Verknüpfung von individuell zu bestimmenden Lageparametern im Geoinformationsprogramm können potenziell geeignete Standorte für Ladepunkte identifiziert werden.
Das in Hamburg angewendete Verfahren zur Standortbestimmung bot eine einheitliche und nachvollziehbare Bewertungsgrundlage für den Aufbau von E-Ladeinfrastruktur, die einen strategischen Ausbau und eine fundierte Argumentation gegenüber Dritten ermöglicht. Hiermit kann vermieden werden, dass subjektive Standortvorschläge den Vorzug vor objektiv ermittelten Orten erhalten.
Auf der Basis der modellhaft ausgeführten Standortbestimmung in Hamburg konnten innerhalb von 24 Monaten über 100 Ladesäulen aufgebaut werden. Sie stellen schon heute ein strategisches Netz dar und unter Einsatz des Planungsinstruments weiter ergänzt werden.
Konrad Rothfuchs / Christian Scheler
Die Autoren
Konrad Rothfuchs ist Geschäftsführer, Christian Scheler Mitarbeiter des Stadt- und Verkehrsplanungsbüros Argus in Hamburg