Städte und Gemeinden sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Mit diesem Pfund sollten die Kommunen in ihrer Außendarstellung und bei der Gewinnung von Fachkräften wuchern, sagt Prof. Markus Karp von der Technischen Hochschule Wildau. Im Interview betont er die gute Qualität einer Verwaltungsausbildung.
Herr Prof. Karp, Sie bilden an der TH Wildau Fach- und Führungskräfte für die Verwaltung aus. Welche Beschäftigungsperspektive haben Ihre Absolventen?
Karp: Unser Studiengang Öffentliche Verwaltung Brandenburg wird ja in Zusammenarbeit mit zahlreichen Brandenburger Kommunal- und Kreisverwaltungen sowie dem Brandenburger Innenministerium durchgeführt. Deshalb haben die Studierenden, die zu uns kommen, schon einen Dienstherrn respektive Arbeitgeber. Wer den Studiengang erfolgreich absolviert, verfügt also über eine sichere Beschäftigungsperspektive. Darüber hinaus steht den Absolventen der gesamte gehobene öffentliche Dienst bei anderen Stellen offen. Bundesweit. Der Fachkräftebedarf ist ja aufgrund des demografischen Wandels und neuer Aufgaben riesig. Die Perspektiven sind somit wirklich ausgezeichnet.
Wie bewerten Sie die Qualität der Ausbildung für Verwaltungsberufe auf kommunaler Ebene generell? In welchen Bereichen sehen Sie Bedarf für Modernisierung und Reformen?
Karp: Die Qualität ist sehr gut. Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung bedeutet auch, dass viel Zeit für Ausbildung im Wortsinn investiert wird. Die Auszubildenden müssen ihre Kraft nicht allein auf Mitarbeitsergebnisse konzentrieren, sondern können sich in der Breite und Tiefe der Verwaltung ausprobieren. Das führt zu einer sehr fundierten Ausbildung, weil das Lernergebnis im Vordergrund steht. Modernisierungsbedarf sehe ich vor allem da, wo er auch in den Verwaltungen selbst existiert: So wie die Digitalisierung und die Kundenorientierung der Verwaltung noch zu intensivierende Zukunftsaufgaben sind, so muss das Thema in der Ausbildung forciert werden.
Im Vergleich mit Recruitingprozessen in der Privatwirtschaft wird der öffentlichen Verwaltung oft Behäbigkeit vorgehalten. Wenn es denn stimmt, worauf ist das Ihrer Ansicht nach zurückzuführen?
Karp: In der Tat geht es nicht besonders schnell. Zum größten Teil ist das so gewollt und unvermeidlich. Der Privatunternehmer sucht sich Mitarbeiter nach subjektiven Kriterien aus. Gern auch von heute auf morgen. Der Markt entscheidet dann, ob die Entscheidungen gut waren oder nicht. Anders im öffentlichen Dienst: Hier gibt es viele Stakeholder, eine Verantwortlichkeit dem demokratischen Souverän gegenüber und eine Fülle von rechtlichen Regelungen, was die Personalauswahl betrifft. Die Öffentlichkeit möchte, dass es transparent und gesamtgesellschaftlich gerecht zugeht. Das ist berechtigt, es geht ja um die öffentliche Sache. Alle Interessen zu berücksichtigen braucht, aber auch seine Zeit.
Gibt es dennoch Optimierungsmöglichkeiten?
Karp: Wie gesagt, da sehe ich gewisse Grenzen. Personalauswahl im öffentlichen Dienst kann niemals wie bei einem Start-up funktionieren. Würde zugunsten der Schnelligkeit auf vorgeschriebene Fristen, Ausschreibungen, Beteiligungen und Anhörungen verzichtet, wäre der Aufschrei zu Recht riesig. Es ist ein hohes rechtsstaatliches Gut, dass der Zugang zum Staatsdienst nicht willkürlich und ungerecht erscheint. Trotzdem ist natürlich oft in gewissen Grenzen eine Beschleunigung möglich: Der Schlüssel ist Planung und schnelle Kommunikation, erneut nenne ich hier das Stichwort Digitalisierung. Mit dem Rekrutierungstempo der Privatwirtschaft kann und soll die öffentliche Hand aber niemals konkurrieren.
Können Sie knapp umreißen, wie sich kommunale Arbeitgeber präsentieren sollten, um im Wettbewerb mit der Wirtschaft kluge Köpfe für sich zu gewinnen?
Karp: Der jungen Generation geht es nicht mehr allein um Bezahlung und Sozialprestige eines Arbeitsplatzes. Viele achten auch auf die Work-Life-Balance und wollen eine ethisch vertretbare, nachhaltige Tätigkeit ausführen, die gesellschaftlichen Mehrwert stiftet. Das passt zum öffentlichen Dienst. Arbeitszeiten und Einsatzorte lassen sich so ausgestalten, dass noch Raum für Familie, Freizeit und Engagement aller Art bleibt. Gleitzeit, Teilzeit mit Rückkehrmöglichkeit in Vollzeit sind ebenso möglich wie ein Wechsel zwischen den vielen verschiedenen Aufgaben und Bereichen, die eine Kommunalverwaltung umfasst. Die Arbeit der Kommunalverwaltung macht für die Bürger einen spürbaren Unterschied.
Welchen Stellenwert weisen Sie unter diesen Aspekten der Gemeinwohlorientierung der öffentlichen Hand bei? Wird sie deutlich genug betont in der Selbstdarstellung der Kommunen?
Karp: In manchen Kommunen wird sie stark herausgearbeitet, in anderen eher nicht. Ich glaube aber, dass dieser Punkt zentral ist: Der Wunsch, etwas über das eigene Wohlbefinden hinaus zu bewegen, ist weit verbreitet. Das Ansehen eines Arbeitsplatzes hängt heutzutage auch nicht nur davon ab, in welchem Maße er Statussymbole generiert. Da herrscht ein anderer Zeitgeist. Der „Master-of-the-universe“-Banker, der vor 15 Jahren Kultstatus genoss, ist aus der Mode. Kurzum: Die Gemeinwohlorientierung ist ein wichtiges Pfund, mit dem Kommunen wuchern sollten. Hier haben sie auch größte Glaubwürdigkeit, denn für wen sind sie sonst da als für die Stadtgesellschaft oder die Dorfgemeinschaft?
Wie eine Organisation funktioniert und wahrgenommen wird, hängt maßgeblich vom Personal der Leitungsebene ab. Was zeichnet eine gute Führungskraft vor allem aus?
Karp: In der Kommunalverwaltung sieht sich die Führungskraft Herausforderungen ausgesetzt, die doch ein bisschen anders sind als in der Privatwirtschaft. Es gibt zum Beispiel mehr Anspruchsgruppen. Im Unternehmen ist da nur die Hierarchie, auf die Verwaltung wirken andere Verwaltungen und die Politik. Es kommt also, abgesehen von den Führungsqualitäten, die generell gefordert sind, auf die Fähigkeit zum Ausgleich zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen an. Auch die gesellschaftlich-politischen Herausforderungen sind im steten Wandel. Über die eigenen Kennzahlen und das Funktionieren des eigenen Teams hinaus müssen dritte Interessen gewahrt und mitgedacht werden.
„Fordern und fördern“ lautet ein vielzitiertes Führungsprinzip. Beschreibt es die Aufgaben einer Führungskraft in der Kommunalverwaltung zutreffend?
Karp: Nicht ganz. Die Führungskraft in der Kommunalverwaltung muss Teamspieler sein, um erfolgreich zu sein. Fordern und fördern als Ansage von oben genügt da nicht allein. Notwendig ist auch „vorausdenken, berücksichtigen und kommunizieren“ – über das übliche Maß hinaus.
„Vorbild geben“ ist ebenfalls eine geläufige Maxime von Persönlichkeiten auf dem Chefsessel. Wie sieht’s damit Ihrer Erfahrung nach aus?
Karp: So vielfältig wie mit den Menschen selbst. Es gibt leuchtende Vorbilder ebenso wie schlechte Beispiele.
Sie selbst haben schon Bürgermeister im Wahlkampf beraten. Worin sehen Sie den Reiz dieser Position an der Spitze einer Kommune?
Karp: Sie ist abwechslungsreich und anspruchsvoll. Macht der Bürgermeister seine Arbeit gut, ist er das Zentralgestirn des Gemeindelebens. Es kommt auf seine Entscheidungen an. Die Handlungskompetenzen sind real und nicht nur formell. Dabei muss er Allrounder sein: Beste Kenntnisse der Finanzen, der Verwaltung, verschiedener Rechtsgebiete und der Kommune selbst sind vonnöten. Er muss mit unterschiedlichen Menschen können, Bürgern, Mandatsträgern, Kollegen, Mitarbeitern. Spannend, kein Tag ist wie der andere. Und ein guter Bürgermeister hinterlässt Spuren, manchmal für Jahrhunderte. Es gibt höhere Ämter, oft aber nicht so vielfältig und mit weniger Gestaltungsspielraum.
Interview: Jörg Benzing
Zur Person: Dr. Markus Karp (Jg. 1966) ist Professor unter anderem für Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau bei Berlin, Fachbereich Wirtschaft, Informatik, Recht