Jeder Ast zählt in der Baumpflege

Der Beruf mutet exotisch an. In der Tat zählt das Baumklettern nicht zu den üblichen Tätigkeiten. Schon die Ausbildung zeigt das ungewöhnliche Profil: Wer als Baumkletterer arbeiten möchte, besucht privat organisierte Kurse und erhält ein entsprechendes Zertifikat. Eine staatliche Ausbildung, etwa im Rahmen des Dualen Ausbildungssystems, existiert nicht.

Eine Chance für Anbieter mit ganz unterschiedlichen Arbeitsbiographien, sich auf diesem Feld zu etablieren. Gleichzeitig aber für Kommunen eine heikle Sache, da ohne behördliche Leitplanken einem Anbieter auf dem freien Markt vertraut werden muss. Der kann erst einmal einiges über sich erzählen, doch alle vorgelegten Zertifikate sind immer in Relation zum Aufwand der absolvierten Kurse zu bewerten.

Ohne Richtlinie können Kommunen kaum abschätzen, ob ein Dienstleister ausreichend qualifiziert ist. Ein gründliches Auswahlverfahren ist daher gefragt. Hilfestellung leistet hier der Fachverband geprüfter Baumpfleger. Mit dessen Online-Tool lassen sich regional empfehlenswerte Baumkletterer ausfindig machen (www.baumpflegeverband.de).

Vorsorge durch Baumkletterer

Neben ästhetischen Gründen spielt der Sicherheitsaspekt eine wichtige Rolle bei der korrekten Baumpflege. Die Gesetzeslage ist unklar und führt zu häufigen Klagen gegen Kommunen bei Sach- oder Personenschäden durch herabfallende Äste. Abhilfe schafft das Befolgen der Richtlinien der Forschungsstelle Landschaftsentwicklung Landschaftsbau, kurz FLL. In den Richtlinien werden Maßnahmen zur regelmäßigen Kontrolle vorgeschlagen. Gesetzlich bindend sind sie allerdings nicht.

Teuer wird es trotzdem, denn die Überwachung des Baumbestands verursacht laufende Kosten. Ein kräftiges Rütteln am Stamm reicht nicht mehr aus, um den Zustand eines Baums zu bestimmen. Kontrolle und Vorsorgemaßnahmen bilden eine Einheit und werden von externen Dienstleistern angeboten. Sparen die Verantwortlichen an dieser Stelle, droht neben der unkalkulierbaren Unfallgefahr zusätzlich ein Imageschaden.

In Zeiten hoher Schadstoffbelastung in Innenstädten und breitem Protest gegen das Fällen pittoresker Bäume sind Kommunen gut beraten, das Thema Pflege des Baumbestands mit Sorgfalt zu behandeln. Der Aufwand ist enorm: Hamburg zählt als eine der grünsten Städte Deutschlands knapp 250.000 Bäume, im Schnitt kommt eine Mittelstadt auf einen Bestand von 30.000.

Wertvolle Unterstützung bei der Organisation der Baumpflege leisten inzwischen entsprechende Online-Baumkataster, doch selbst in größeren Städten behelfen sich Mitarbeiter noch mit schlichten Excel-Tabellen. Bei der Beauftragung externer Baumpfleger kann das zu Komplikationen führen, da diese in der Regel digital voll vernetzt sind. Die Vorteile spezieller Software sollten beachtet werden: Lösungen wie beispielsweise Synergie Kommunal strukturieren die Daten und erstellen GPS-basierte Karten des Stadtgebiets.

Kommunen haben Bäume, aber keine Kletterer

Bei allem Potenzial, das der Baum als Symbol des Lebens besitzt, betrachtet die Branche ihn vor allem als zu bearbeitende Substanz. Und das mehr denn je: In Zeiten einer zurückhaltenden Einstellungspolitik verfügen Kommunen über kein eigenes Fachpersonal, um Spezialeinsätze wie das Baumklettern durchführen zu können. Denn die sind teuer, sündhaft teuer. Von den laufenden Personalkosten, die ein festangestellter Baumkletterer verursacht, ganz zu schweigen. Neben rund 5000 Euro an grundlegenden Ausbildungskosten – diverse Sonderschulungen exklusive – benötigen Profikletterer zusätzlich eine Menge Ausrüstung.

Kletterseile sind kein schickes, sondern unabdingbares Accessoire, zusätzliche Hilfsmittel wie eine Hebebühne sind für den Arbeitsalltag unverzichtbar. In der Anschaffung schlagen sie deutlich zu Buche, die Kosten betragen etwa bei einer Hebebühne mindestens 40.000 Euro. Können derartige Hilfsmittel vielleicht noch in den Haushaltsplan eingerechnet werden (oder sie sind bereits im Besitz der Kommune), dürften spätestens bei Überlegungen hinsichtlich einer Personalaufstockung keine Mittel mehr vorhanden sein.

Baumkletterer sind Spezialisten, deren Einsatz entsprechende Kosten verursacht. Etwa ein Drittel von ihnen arbeitet freischaffend. Der Stundensatz liegt hier durchschnittlich bei 60 Euro. Setzen Kommunen auf entsprechende Baumpflegefirmen, erhöhen sich die Kosten um das eingesetzte Spezialgerät. Je nach Baumbestand ist außerdem das parallele Arbeiten mehrerer Baumkletterer ratsam. Einmal angerückt, kann das koordinierte Vorgehen Kosten sparen. An anderer Stelle lässt sich allerdings nicht sparen: Sollte die Kommune anbieten, die Abfuhr geschnittener Äste mit dem ohnehin vorhandenen Fuhrpark selbst zu organisieren, würde das die Kosten kaum mindern.

Baumpflegefirmen kalkulieren in Tagessätzen, bei überschaubaren Einsätzen auch auf Stundenbasis. Da der Aufwand stark vom jeweiligen Einsatzort abhängt, nicht nur von der Anzahl, sondern vor allem von der Höhe und Größe der Bäume, zählen Kostenvoranschläge zum üblichen Gebaren in der Branche. Kommunen sind gut beraten, einen selbstständig arbeitenden Baumkletterer oder eine Firma nur nach vorangegangener Begutachtung des Baumbestands und detailliertem Kostenplan zu engagieren.

Till Röcke

Der Autor
Till Röcke, Remagen, ist Autor und freier Journalist

Info: Baumklettern mit Diplom
Die Münchner Baumkletterschule wurde 1996 von Johannes Bilharz in Gilching bei München gegründet. Sie war damals die erste ihrer Art in Deutschland. Bei der Baumpflege ist es mit Hinaufklettern und Astabschneiden nicht getan, das zeigt die Bandbreite an Kursen der Ausbildungsstätte. Auch überregional veranstaltet das Institut seine Ausbildungslehrgänge; Weiterbildungen nach erfolgreichem Abschluss inklusive. Die Schule hat nicht nur einen exzellenten Ruf, sondern auch Einfluss auf das Niveau versierter Baumkletterer.