Hand in Hand planen

Vielen Menschen ist es nicht gleichgültig, wie sich ihr Wohnort verändert. Die Kommune erreicht eine höhere Identifikation mit Bauprojekten, wenn Bürger ihre Vorstellungen in die Planung einbringen können. Eine Ideenwerkstatt kann dazu den geeigneten Rahmen bieten und zudem Aufbruchsstimmung erzeugen.

Die Bürger wollen bei kommunalen Bauentwicklungen mehr als ein Wörtchen mitreden. Das ist hinlänglich bekannt und auch gesetzlich festgeschrieben. Doch Aushänge im Rathaus und eine Berichterstattung in den lokalen Medien bewirken noch keine Mobilisierung. Dagegen können Ideenwerkstätten, die den Bürgerwillen mit raumplanerischer Expertise verknüpfen, ein erfolgversprechender Weg zu zukunftsfähigen und allgemein anerkannten Projekten sein.

Es gibt nur wenige Gemeinden in Deutschland, die keine baulichen Problemzonen aufweisen. Einst blühende Industrieanlagen verfallen an zahlreichen Standorten. Plätze, die vor 50 Jahren den Nerv der Zeit trafen, sind zu Stätten grauer Ödnis geworden. Leerstehende Einzelhandelsflächen nehmen vielen Ortskernen die einstige Attraktivität und leiten die Einkaufsströme an den Stadtrand oder in Nachbargemeinden.

Gleichwohl haben Gemeinden Alleinstellungsmerkmale. Diese zu entdecken und in eine außergewöhnliche neue Raumnutzung zu übertragen, ist eine lohnenswerte Aufgabe. Sie kann dann besonders erfolgreich gelöst werden, wenn lokales Wissen in Form einer breiten Bürgerbeteiligung mit der Expertise von Architekten und Raumplanern kombiniert wird.

Eine solche gemeinsame kreative Leistung kann idealerweise im Rahmen einer Ideenwerkstatt erfolgen. Der erste Schritt in diesem Prozess ist eine Aktivierung der Einwohnerschaft. Bürger fühlen sich erst dann ernst genommen, wenn die Kommunalpolitik sie als gleichberechtigte Partner wahrnimmt.

In der Planungsphase beginnen

Authentische Bürgerbeteiligung muss bereits in der Planungsphase beginnen und als ergebnisoffener Prozess gestaltet werden. Das schafft die notwendige Motivation für ein gemeinschaftliches Projekt. Dagegen sind gremieninterne Vorabsprachen mit einer bewussten Zielsetzung Gift für partizipative Ansätze.

Zudem muss eine Aktivierung der Bürger Raum auch multimedial erfolgen: Internetforen, Videobeiträge und Online-Gewinnspiele sind geeignete Werkzeuge, um eine breite Ansprache aller Altersgruppen zu erreichen. Dazu zählen insbesondere Kinder und Jugendliche. Denn wer in seiner Jugend eine Identifikation mit seinem Heimatort aufbaut, behält sie dauerhaft.

Der zweite Schritt ist das Installieren einer Plattform, auf der die Bürger die emotionale Verbundenheit zu ihrer Heimat mit kreativen Zukunftsideen verbinden können. Dieses Forum sollte zeitlich klar begrenzt sein. Eine Bürgerwerkstatt wird so zum Gegenentwurf für die üblichen, als ineffizient und schleppend wahrgenommenen kommunalen Entscheidungsprozesse.

Das Architekturbüro Nonconform mit Sitz in Wien hat bisher gute Erfahrungen bei der Durchführung von Ideenwerkstätten gemacht. In Illingen im Saarland zum Beispiel befinden sich Planungen der Architekten für eine Einkaufsgalerie und eine großzügige Aufenthaltsfläche im Stadtzentrum in der Umsetzungsphase. Die fünfte Ideenwerkstatt des Unternehmens in Deutschland findet Mitte April 2016 in Berngau (Bayern) statt. Das Ziel dort ist die Neugestaltung des Zentrums. Im niederösterreichischen Haag entwarf das Unternehmen eine mobile Theatertribüne.

Das Büro entwickelt mit einer partizipativen Planungsmethode direkt vor Ort Lösungen für kommunale Problemflächen. Leerstehende Gebäude und verödete Plätze werden gemeinsam mit der Bevölkerung einer neuen, nachhaltigen Nutzung zugeführt.

Die Ideenwerkstätten erstrecken sich über drei Tage. In diesem Zeitraum ist es möglich, auf der Basis zuvor erstellter Potenzialanalysen Ideen zu sammeln, zu bewerten und in der Folge in ein fertiges Raumkonzept zu überführen.

Es ist entscheidend, dass die Ideenwerkstatt in einer Atmosphäre stattfindet, die Euphorie erzeugt. Emotionale Faktoren wie Sympathie und Vertrauen spielen bei gemeinschaftlichen Vorhaben eine keineswegs zu unterschätzende Rolle. Gemeinsame Mahlzeiten, Theaterdarbietungen oder Wettbewerbe sind tragende Elemente, um der Ideenwerkstatt einen Festivalcharakter zu verleihen.

Es bedarf darüber hinaus einer kompetenten Außenperspektive, um die gesammelten Ideen sinnvoll zu verknüpfen. Dies gilt im Hinblick auf das Zukunftspotenzial für jede Aufgabe und jede Gemeinde. Wissen um Vergleichsprojekte und Kenntnisse internationaler Trends in der kommunalen Bauentwicklung sind daher notwendig.

Dem Projekt Flügel geben

Als dritter Schritt sollte ein klar umrissener Projektentwurf für eine ganz konkrete Maßnahme stehen, damit das Projekt umgehend Flügel bekommt und der Realisierungsweg eingeschlagen wird. An dessen Beginn können diverse kleinere Sofortmaßnahmen stehen, um die zuvor geäußerten Überlegungen nicht im Raum der Theorie zu belassen. Denn während des Ideenprozesses entsteht zwangsläufig eine Aufbruchsstimmung, die es über eine gewisse Zeit hinweg zu bewahren gilt.

Eine Ideenwerkstatt ist insofern auch Garant für ein „Wir-Gefühl“ innerhalb der Gemeinde. Über den Zeitraum der allmählichen Realisierung des Projekts wächst dieses Gefühl kontinuierlich. Die Menschen vor Ort wissen, dass das neue Bürgerzentrum, der neue einzigartige Festplatz oder die neue innerstädtische Einkaufsgalerie nach ihren Ideen entstanden sind. Dies ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Stadtentwicklung.

Roland Gruber

Der Autor
Roland Gruber ist Geschäftsführer des Architekturbüros Nonconform mit Sitz in Wien