Der Ausbau der Glasfasernetze verläuft vielerorts nicht so schnell wie nötig. Das liegt zum einen an Kosten für die Leitungsverlegung, aber auch am Aufwand und der Dauer der Tiefbauarbeiten in klassischer offener Bauweise. Hier bieten grabenlose Verfahren einen innovativen und wirtschaftlichen Lösungsansatz.
Die ökologischen und ökonomischen Vorteile der verschiedenen grabenlosen Tiefbauverfahren („Nodig-Techniken“) gegenüber der offenen Bauweise liegen auf der Hand. Aufwendige Aushub- und Wiederherstellungsarbeiten entfallen, der Verkehrsfluss wird kaum behindert, Emissionen und der Verbrauch von Naturkapital sind stark reduziert, die Bauzeiten werden erheblich kürzer, sodass die direkten wie indirekten Kosten deutlich niedriger sind.
Innovative grabenlose Verfahren sind für ländliche Gebiete genauso geeignet wie für den urbanen Raum. Ausreichende Verlegetiefen garantieren die Versorgungssicherheit sowohl beim Netzausbau (Backbone) als auch bei der Herstellung der Hausanschlüsse beim Endverbraucher. Die verschiedenen Nodig-Techniken ermöglichen:
-
Die schnelle unterirdische Rohr- und Kabelverlegung entlang von Straßen (FTTC) und unter Verkehrswegen mit Kurz- oder Langrohren aus allen gängigen Materialien
-
Die Verlegung von Glasfaserkabeln durch Abwasserkanäle
-
Die Herstellung von einzelnen oder seriellen Glasfaser-Hausanschlüssen vom Verteiler zum Gebäude (FTTB) und direkt in den Keller (FTTH)
Für die unterirdische Verlegung der Kabelschutzrohre zum Netzausbau und zur Herstellung der Hausanschlüsse werden je nach Rahmenbedingungen verschiedene grabenlose Verfahren eingesetzt. Ungesteuerte Bohrgeräte wie eine im Bodenverdrängungsverfahren arbeitende Erdrakete kommen zum Einsatz, wenn die Bohrtrasse geradlinig verläuft.
Beim Horizontalspülbohrverfahren wird mit einem steuerbaren HDD-Gerät mittels eines steuerbaren Bohrkopfes zuerst eine Pilotbohrung entlang der flexibel planbaren Bohrtrasse erstellt. Beim Zurückziehen des Bohrgestängestrangs wird das Bohrloch durch einen Aufweitkopf vergrößert und das anhängende Rohr in die Trasse eingezogen. So können Rohrleitungen auch entlang kurviger Trassen unter Straßen, Gleisanlagen und Gebäuden verlegt werden.
Da sich auf diese Weise große Rohrdurchmesser entlang flexibel planbarer langer Trassen verlegen lassen, eignet sich das Horizontalspülbohrverfahren besonders für den Netzausbau, sowohl innerhalb komplexer städtischer Infrastrukturen als auch im ländlichen Raum.
Eine besonders schonende Variante des steuerbaren Bohrens ist das minimal invasive Keyhole-Verfahren, bei dem Hausanschlüsse von der Hauptleitung aus der kleinstmöglichen, runden Baugrube (Durchmesser 65 cm) direkt bis ins Haus oder in eine kleine Montagegrube vor dem Haus verlegt werden. Alle Anschlussarbeiten werden oberirdisch ausgeführt und das Keyhole wird mit dem entnommenen Bohrkern anschließend ohne zusätzlichen Asphaltierungsaufwand oder Folgeschäden wiederhergestellt.
Horizontalspülbohrverfahren auf der Schwäbischen Alb
Beim Breitbandausbau der Gemeinde Hohenstein auf der dünn besiedelten Hochfläche der Schwäbischen Alb wurde das Horizontalspülbohrverfahren eingesetzt. Dieses „Hinterland“ der Großen Kreisstadt Reutlingen ist eine Hightech-Region mit mittelständischen Marktführern, die auf schnelles Internet angewiesen sind.
Um leistungsfähige Internetverbindungen zu schaffen, wurde die Gemeinde Mitglied einer Breitbandversorgungsgesellschaft, die schon im Nachbarlandkreis Sigmaringen tätig ist und hier bereits wichtige Breitbandstrecken gebaut hat. Die Anbindung kommt in diesem Fall also aus dem Süden und umfasst lange Wegstrecken im Gemeindegebiet, zumal auch alle Teilorte einen FTTC-Ausbau (Fiber to the Curb, Glasfaser bis zum Kabelverteiler) erhalten sollen.
Das teilweise unter Biotopschutz stehende Gelände durfte keinesfalls durch offenen Leitungsbau beeinträchtigt werden. Somit wurde auf einer Strecke von einem Kilometer Länge in diesem wertvollen Naturraum der Leitungsbau grabenlos mittels HDD-Bohrtechnologie ausgeführt. Aufgrund kleinster Schürfgruben am Rand der Natursäume war bekannt, dass massiver Fels mit Druckfestigkeiten bis 230 MPa schon in wenigen Dezimeter Tiefe anzutreffen war. Zum Teil waren kantige Felsbrocken und Felsplatten im Verwitterungsboden bereits dicht unter der Erdoberfläche anzutreffen, teilweise ragten kleine Felsköpfe sogar aus der Erdoberfläche heraus.
Für die Bohrarbeiten zur Leerrohrverlegung zur späteren Aufnahme der Glasfaserbündel in 1 bis 1,60 Meter Tiefe kam daher nur der Einsatz einer Bohranlage Grundodrill 18 ACS (Hersteller: Tracto-Technik) infrage. Als Tagesziele waren zumeist Bohrabschnittslängen von 140 Meter festgelegt worden.
Das „All Condition System“ dieser Bohranlage mit Doppelrohrgestänge ist in allen Bodenbedingungen mit unterschiedlicher Bohrkopfbestückung einsetzbar. Das Innengestänge nimmt den Bohrmeißelantrieb auf, das Außengestänge dient der Steuerung und dem Schutz der Bohrung. Für die Bewältigung des harten Massenkalkes wählte man einen Bohrkopf mit PCD-Besatz. Die polykristallinen Diamantplatten (PCDs) am Bohrmeißel sind zwar sehr teuer, jedoch bei richtiger Geräteführung schnittleistungsstark und langlebig.
Schon bei der Pilotbohrung wurde ein Durchmesser von 165 Millimeter und somit schon nahezu der Enddurchmesser erzeugt. Der nachfolgende Aufweitgang in der Gegenrichtung des Bohrloches hatte den gleichen Durchmesser. So konnte hinter dem Aufweitkopf gleich das Produktrohr, nämlich ein Schutzrohr zur späteren Aufnahme der Glasfaserröhrchen, eingezogen werden. Der Einziehvorgang verlief schneller als die Pilotbohrung, sodass die verbleibende Tageszeit zum Umsetzen und Positionieren des Bohrgerätes für den nächsten Tagesabschnitt genutzt werden konnte. Alle vorgesehenen Tagesleistungen konnten jeweils problemlos erreicht werden. Die gesamten Felsbohrstrecken von nahezu 1000 Meter Länge wurden in etwas mehr als zwei Wochen bewältigt.
Red.