Gezielte Unterstützung für Kommunen

Dietrich Suhlrie, Mitglied des Vorstandes der NRW-Bank Düsseldorf, antwortet auf Fragen der Redaktion zur Wohnungsneubau-Nachfrage durch die Zuwanderung von Flüchtlingen und zur Finanzierung von Flüchtlingsunterkünften und Sozialwohnungen in Nordrhein-Westfalen.

Herr Suhlrie, der Zustrom von Flüchtlingen stellt die Bundesländer vor große Herausforderungen bei der Wohnraumversorgung. Für Nordrhein-Westfalen hat Ihre Bank den Bedarf an Wohnungen errechnet. Was ist dabei herausgekommen?

Suhlrie: Niemand weiß derzeit, wie viele Flüchtlinge tatsächlich kommen und bleiben oder wie viele Familienmitglieder nachziehen werden. Doch um die Größenordnung und den zusätzlichen Wohnungsbedarf einzuschätzen, haben wir und das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr eine Modellrechnung entwickelt. Diese geht davon aus, dass mit den Flüchtlingen, die 2015 gekommen sind und 2016 noch kommen, etwa 200.000 neue Haushalte entstehen. Wichtig ist allerdings, die gesamte Marktentwicklung im Blick zu haben: Durch die Umzüge vor allem jüngerer Menschen in die Städte und Zuwanderung von EU-Bürgern rechnen wir in Nordrhein-Westfalen bis 2020 mit einem zusätzlichen Bedarf an 280.000 Wohnungen. Das ist ganz unabhängig von der Flüchtlingszuwanderung.

Welcher Anteil des zusätzlichen Wohnungsbedarfs lässt sich durch die Mobilisierung von Leerständen decken und in welchem Umfang muss neu gebaut werden?

Suhlrie: Ein Teil der Menschen kann in bereits leer stehenden Wohnungen unterkommen. Das sind etwa 80.000, verteilt auf ganz Nordrhein-Westfalen. Damit bleibt ein Bedarf an 400.000 Wohnungen, die neu gebaut werden müssen.

Um Wohnraum in dem prognostizierten Umfang zu schaffen, sind hohe Investitionen erforderlich. Woher soll das Geld kommen?

Suhlrie: In der Tat: Wohnungsbau kostet Geld. Da es aber aufgrund des niedrigen Zinsniveaus derzeit wenig lukrative Anlagemöglichkeiten gibt, sind gerade jetzt Investitionen in den Wohnungsbau für viele Anleger attraktiv. Es gibt demnach viel Kapital, das in den Wohnungsbau investiert werden kann. Mit unserem Wohnraumförderungsprogramm setzen wir Anreize, damit ein Teil dieses Geldes in den Bau preisgünstiger Wohnungen investiert wird. Die Förderkonditionen sind heute so günstig wie noch nie.

Wie hilft die NRW-Bank als Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen konkret?

Suhlrie: Das Land und die NRW-Bank haben zwei Programme neu aufgelegt, die sich speziell auf die Schaffung von Wohnraum für Zuwanderer konzentrieren. Mit dem Programm „NRW-Bank-Flüchtlingsunterkünfte“ werden grundsätzlich alle Investitionen in den Erwerb und Bau sowie in die Modernisierung und Ausstattung von Flüchtlingsunterkünften finanziert, damit eine gute Erstunterbringung gelingt. Es richtet sich an Kommunen und Kommunalverbände. Mit dem Programm „Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge“ werden kommunale Wohnungsunternehmen, Privatpersonen und die Wohnungswirtschaft gezielt bei der Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge unterstützt. Gefördert werden nachhaltig nutzbare Wohnungen, die zu einem späteren Zeitpunkt auch anderen Menschen als preisgebundener Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann.

Wie werden die beiden Programme bisher angenommen?

Suhlrie: Vor dem Hintergrund der starken Zuwanderung von Flüchtlingen haben wir mit den Programmen einen Nerv getroffen. Seit dem Start des Programms „NRW.BANK.Flüchtlingsunterkünfte“ im Dezember 2014 hat die NRW-BANK bis zum 31. Dezember 2015 160 Darlehen mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 160,1 Millionen Euro zugesagt. Damit konnten mehr als 18000 Unterbringungsplätze finanziert werden. Die „Richtlinie zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge“ erzielte allein im zweiten Halbjahr 2015 ein Fördervolumen von 79,9 Millionen Euro, mit dem 1027 Wohnungen geschaffen werden.

Angesichts der Wohnungsnot im Land, die nicht erst seit der Flüchtlingskrise ein Thema ist, geht es um schnelle Lösungen. Eine Bremse scheint hier zu sein, dass Bauland nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung steht. Was ist zu tun?

Suhlrie: Das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat im November 2015 mit dem Bündnis für Wohnen eine neue Wohnungsbauoffensive gestartet. Ziel ist es, die Wohnungsbautätigkeit in den kommenden Jahren zu verdoppeln. Bausteine der Wohnungsbauoffensive sind Maßnahmen wie Bauland- und Leerstandsmobilisierung, Bauerleichterungen sowie verbesserte Absprachen mit allen Beteiligten.

Interview: Wolfram Markus

Zur Person: Dietrich Suhlrie gehört seit Juni 2010 dem Vorstand der NRW-Bank, der Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Düsseldorf an. Er ist für die Bereiche Förderprogrammgeschäft und Wohnraumförderung sowie für die Felder Bereiche Geschäftsunterstützung, Kreditmanagement und IT/Organisation/Interne Dienste verantwortlich. Der studierte Forst- und Volkswirt war vor seinem Wechsel zur NRW-Bank Direktor in der KfW-Bankengruppe.