Gerechte Umlage

Die zentrale Leistung eines Wasserversorgers besteht in der Bereitstellung und Instandhaltung des Versorgungssystems. Die Preisbildung sollte dies berücksichtigen. Die Annäherung der Erlös- an die Kostenstruktur im Rahmen einer Tarifumstellung setzt die Wahl der richtigen Bemessungsgrundlage voraus.

Auf die Bereitstellung und Instandhaltung des Wasserversorgungssystems entfallen bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten. Dieser Tatsache sollte die Bildung von Wasserpreisen Rechnung tragen. Häufig ist jedoch das Gegenteil der Fall: Hohe Arbeitspreise pro Kubikmeter Wasser und geringe Grundpreise pro Anschluss.

Eine starke Diskrepanz zwischen Kosten- und Erlösstruktur ist jedoch problematisch. Bei sinkender Wassernachfrage und (nahezu) gleichbleibenden Gesamtkosten sind Preiserhöhungen unabdingbar, um den Erlösrückgang zu kompensieren. Ein Anstieg des Arbeitspreises steigert jedoch zusätzlich den Anreiz zum Wassersparen – ein weiterer Erlösrückgang ist die Folge.

Dabei ist Wassersparen aus ökologischer Sicht nicht notwendigerweise wünschenswert. Zwar mag ein mäßiger Warmwassergebrauch aus energetischer Sicht sinnvoll erscheinen, Wasserknappheit wie um Beispiel in Teilen Spaniens besteht in Deutschland jedoch bei Weitem nicht. Vielmehr führt der verringerte Wassergebrauch dazu, dass Abwasserentsorger vielerorts die Kanäle mit Trinkwasser spülen, um Schäden aufgrund zu geringer Abwasserfließgeschwindigkeiten zu vermeiden.

Wassersparen hat jedoch noch eine weitere Facette. Diese bezieht sich auf die Frage, welchen Kundengruppen sich grundsätzlich Einsparpotentiale bieten. In der ökonomischen Theorie gibt die Preiselastizität der Nachfrage an, wie stark Kunden auf eine Preiserhöhung reagieren. Einfamilienhäuser weisen bei der Trinkwassernachfrage gemäß unseren Berechnungen einen Wert von -0,27 auf: eine 1-prozentige Preiserhöhung führt zu einem Nachfragerückgang von 0,27 Prozent. Für Gewerbekunden liegt dieser Wert mit 0,7 sogar noch deutlich höher. Bei Wohngebäuden mit mehr als zehn Haushalten liegt der Wert hingegen nur bei 0,03.

Der Grund für diese Unterschiede ist einleuchtend: Einfamilienhäuser und Gewerbekunden können ihren Wassergebrauch durch wassereffiziente Armaturen, Regenwassernutzungsanlagen, eigene Brunnen oder gegebenenfalls einer Kreislaufführung erheblich reduzieren. Bewohner von Mehrfamilienhäusern haben diese Möglichkeiten nicht.

Soziale Komponente berücksichtigen

Vor diesem Hintergrund hat die Bildung von Wasserpreisen durchaus eine soziale Komponente. Steigt der Arbeitspreis aufgrund einer sinkenden Wassernachfrage kontinuierlich an, reduzieren Einfamilienhäuser und Gewerbekunden ihre Nachfrage. Die Erlössituation der Versorger gerät zunehmend unter Druck, was unweigerlich weitere Preissteigerungen zur Folge hat – eine Preisspirale droht. Die Kosten der Systemvorhaltung müssen in der Konsequenz in immer größerem Ausmaß von Kunden in Mehrfamilienhäusern getragen werden, die keine Ausweichmöglichkeit haben.

Tarifmodell-Umstellungen mit dem Ziel der Grundpreiserhöhung bei gleichzeitiger Arbeitspreissenkung erscheinen vor diesem Hintergrund für viele Wasserversorger mittelfristig unabdingbar. Problematisch ist dabei jedoch die oftmals verwendete Bemessungsgrundlage Zählergröße. Wird diese beibehalten, resultieren erhebliche Verwerfungen im Umstellungszeitpunkt. Der Grund hierfür besteht darin, dass viele Kunden einen Zähler gleicher Größe verwenden. Die mit Abstand häufigste Zählergröße ist der „Qn 2,5“ – ein Wasserzähler durch den pro Stunde bis zu 2,5 Kubikmeter Wasser geleitet werden können. Sowohl Einfamilienhäuser als auch Wohngebäude mit bis zu 30 Haushalten können über einen solchen Zähler versorgt werden. Daneben werden auch viele Gewerbekunden über diese Zählergröße versorgt, obwohl ihre jährliche Nachfrage nicht selten ein Vielfaches der Nachfrage größerer Wohngebäude beträgt. Diese heterogene Kundenstruktur bei der Zählergröße erschwert eine Tarifmodell-Umstellung erheblich.

Ein Beispiel illustriert diese Problematik: Eine Verdreifachung des Qn-2,5-Grundpreises auf 300 Euro erhöht den Grundpreis für ein Einfamilienhaus um 200 Euro. Die Einsparung aufgrund eines verringerten Arbeitspreises kann diesen Anstieg nicht annähernd kompensieren. Die zusätzliche Belastung je nach Ausgangsniveau des Arbeitspreises liegt für ein repräsentatives Einfamilienhaus nicht selten bei über 60 Prozent.

Ein Bewohner in einem Wohngebäude mit 20 Haushalten hat hingegen lediglich eine (anteilige) Grundpreiserhöhung von zehn Euro zu tragen. Seine Einsparung aufgrund der Arbeitspreissenkung führt insgesamt zu einer erheblichen finanziellen Entlastung von mitunter 20 bis 30 Prozent.

Ebenfalls profitieren Gewerbekunden, die über einen kleinen Zähler versorgt werden, gleichzeitig aber eine hohe Wassernachfrage haben. Eine Senkung des Arbeitspreises beschert ihnen Entlastungen, die bisweilen bei 70 Prozent und mehr liegen können.

Zahl der Wohneinheiten pro Gebäude

Die Wahl der Bemessungsgrundlage ist aus diesem Grund entscheidend, um die Be- und Entlastungen der unterschiedlichen Kundengruppen ausgewogen zu gestalten. Als sehr geeignet hat sich hierbei die Anzahl der Wohneinheiten pro Gebäude herauskristallisiert. Diese Bemessungsgrundlage trägt im Vergleich zur Zählergröße dem Äquivalenzprinzip stärker Rechnung. Dieses Prinzip ist bei der Bildung von Wasserpreisen zu beachten und erfordert, dass die zumindest wahrscheinliche Inanspruchnahme einer Leistung berücksichtigt wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht sachgerecht, dass ein Einfamilienhaus den gleichen Grundpreis zu bezahlen hat, wie alle Haushalte eines 20-Wohneinheiten-Gebäudes zusammengenommen.

Mit der Wahl der Bemessungsgrundlage „Wohneinheiten“ lässt sich die geschilderte Problematik verhindern. Ein 20-Wohneinheiten-Gebäude bezahlt einen höheren Gesamtgrundpreis als ein Einfamilienhaus. Gleichzeitig liegt dieser jedoch unterhalb des 20fachen eines Einfamilienhaus-Grundpreises, um die tatsächlichen Systemvorhaltekosten abzubilden. Die Ausgestaltung der Wohneinheiten-Grundpreise ist folglich degressiv. Jede einzelne Wohneinheit bezahlt entsprechend ein Zwanzigstel des Gesamtgrundpreises und damit einen geringeren Grundpreis als ein Einfamilienhaus.

Übertragbar ist diese Logik auch auf die Situation der Abwasserentsorgung. Hier erscheint der Handlungsbedarf sogar noch größer – bis zu 95 Prozent der Kosten sind unveränderlich!

Mark Oelmann / Christoph Czichy

Die Autoren
Prof. Dr. Mark Oelmann und Christoph Czichy sind geschäftsführende Gesellschafter des Beratungsunternehmens „MOcons“ in Mülheim an der Ruhr