Was nicht mehr gebraucht wird, wird weggeworfen: Ganz so ist es nicht mehr, und so sollte es in Zukunft erst recht nicht sein. Verbandschefin Anja Siegesmund schlüsselt auf, warum Abfall als Wertstoff – Stichwort Kreislaufwirtschaft – wertgeschätzt werden muss.
Kreislaufwirtschaft ist die Zukunft. Das klingt einfach, erfordert aber viel Willen zum Verändern und Mut zu anderen Herstellungsweisen. Und ja: Wir brauchen dieses Wirtschaftsmodell, in dem wir Rohstoffe so lange wie möglich nutzen und natürliche Ressourcen in geschlossenen Kreisläufen führen, ohne neue zu verbrauchen.
Warum? Weil nicht nur die Klimakrise, sondern auch die neuen Kriege und ihre Folgen für die globale Stabilität, für Lieferketten und die Ressourcenfrage ein Umdenken erfordern. Das lang geglaubte Sicherheitsversprechen einer stets verlässlichen Rohstoffversorgung gilt nicht mehr. Daher ist der Wandel von unserer heutigen, viel zu oft noch linear organisierten Ökonomie hin zu einer zirkulären Wirtschaftsweise unverzichtbar.
Ökonomen gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen fließen werden: in den Umbau der Energienetze, in die Transformation der Autoindustrie — und in die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Wenn wir resilienter und unabhängiger sein wollen, muss Zirkularität von Anfang an unser Denkansatz sein.
Anspruchsvoll — aber es lohnt sich
Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) der Bundesregierung, die jetzt im Entwurf vorgestellt wurde, zeigt Wege auf, wie sich umweltfreundliches Produktdesign, Reparaturservices und starke Recyclingmärkte in Zukunft behaupten sollen.
Diese Wege sind manchmal lang und kompliziert. Aber wir sind auch auf dem Mond gelandet, haben in kürzester Zeit Impfstoffe gegen eine Pandemie entwickelt und machen mit Künstlicher Intelligenz das Zuhause zum „Smart Home“. Am Anfang jeder dieser bahnbrechenden Entwicklungen, ob in der Raumfahrt, der Medizin oder in der Gesellschaft, stand eine Idee, getrieben davon, dass es besser werden kann, ja muss.
Und wir? Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE), einst als Verband der Entsorgungswirtschaft gegründet, steht heute für knapp 750 Privatunternehmen, die die gesamte Wertschöpfung vom Hersteller bis zum Recycler repräsentieren. Unsere traditionsreiche und innovative Branche lebt den Wandel: Die Unternehmen haben über Jahrzehnte hinweg gezeigt, dass sie Vorreiter in der Entwicklung neuer Technologien und Prozesse sind — von der Kunststoffmülltonne auf Rädern bis hin zum Einsatz Künstlicher Intelligenz in modernen Sortieranlagen.
Die Kreislaufwirtschaft ist Treiber der jetzigen Transformation — die das wirtschaftliche Handeln betrifft. Mit dem Green Deal ist dieser Wandel längst eingeleitet. Wenn wir den ganzen Lebenszyklus von Produkten in den Blick nehmen, vom intelligenten Ökodesign über längere Nutzungsphasen bis hin zum Recycling, eröffnen sich enorme Potenziale, ökologisch und ökonomisch. Mit geringerem Ressourcenverbrauch minimiert sich die Belastung für Klima und Umwelt, zugleich stärkt das unsere Resilienz und die technologischen Innovationsdynamiken.
Kommunale Betriebe erledigen ebenso wie private Unternehmen die Arbeit von Erfassung, Sammlung, Sortierung, Aufbereitung — sei es in Private-Public-Partnerships, bei der Wertstoffsammlung oder in gemeinsamen Anlagen. Das ist ein Erfolgsmodell: Es hat sich über die Jahre eine Partnerschaft zwischen Kommunen und privaten Entsorgern etabliert. In dieser können beide ihre Stärken ausspielen — die der verlässlichen Daseinsvorsorge und die der privatwirtschaftlichen Innovationskraft.
Mülltonnen als Schatztruhen für die Kreislaufwirtschaft
Ein Beispiel für gelungene Arbeitsteilung ist die Gelbe Tonne. Man kann über das Duale System unterschiedlicher Meinung sein. Aber fest steht: Mit seiner Einführung vor mehr als drei Jahrzehnten ist es gelungen, einen wertvollen Schatz aus dem Hausmüll zu bergen, nämlich wiederverwendbare Stoffe wie etwa Plastik und Metall.
In manchen Kommunen, in Berlin etwa, gibt es sogar eine Wertstofftonne, in der weiteres Material dieser Art gesammelt wird, auch wenn es keine Verpackungen sind. So etwas geht nur, wenn private und kommunale Partner wirklich kooperieren — und das wollen.
Ähnlich bei der Biotonne: Eine hervorragende Idee, allerdings steckt immer noch viel zu viel Organik im Restmüll, der in Kompostierungs- oder Biogasanlagen besser aufgehoben wäre. Leider versäumen es viele Kommunen, ein praktikables Holsystem für Bioabfälle einzuführen. Ein gemeinsamer Vorstoß wäre hier gut. Wir, die Entsorgungsbranche, sollten uns zusammentun, um deutschland- und sogar europaweit eine Biosammlung zu etablieren, mit der Ressourcen gehoben und nicht mehr verschwendet werden. Das ist nicht zuletzt energiewirtschaftlich dran.
Bei Gewerbeabfällen bleibt ebenfalls viel zu tun: Konsequente Mülltrennung auch bei Hotellerie, Gastronomie und Handwerksbetrieben liegt im Interesse der Allgemeinheit. Was private Haushalte seit Jahrzehnten praktizieren, sollte auch für Gewerbetreibende möglich sein. Die mangelnde Kontrolle durch kommunale Abfallbehörden — und damit die unbefriedigende Praxis bei der Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung — nützt daher niemandem.
Was Kommunen für die Kreislaufwirtschaft tun könnten
Für echte Kreislaufwirtschaft sind klare Regeln zur Erfassung, Sortierung und Verwertung sehr wichtig. Ohne einen flächendeckenden Vollzug der Regeln geht es nicht. Daher liegt es im Eigeninteresse der Kreise und Kommunen, die Abfallbehörden personell gut auszustatten.
Es ist klar: Private und kommunale Akteure haben oft unterschiedliche, aber vor allem haben sie sehr viele gemeinsame Interessen. Es ist an der Zeit, die Kräfte zu bündeln und den Wandel hin zu einer konsequenten Kreislaufwirtschaft gemeinsam voranzutreiben. Nicht nur da, wo wir schon heute locker umstellen können — sondern auch da, wo wir erst ganz am Anfang stehen.
Die Autorin
Anja Siegesmund ist geschäftsführende Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE). Bis 2023 war sie acht Jahre lang Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz sowie Vize-Ministerpräsidentin im Freistaat Thüringen.
Anja Siegesmund