Gemeinsam zum Erfolg: Dr. hc. Eggert Vorschau erklärt, wie Kommunen und Regionen zu einer starken Zukunft beitragen können

Raus aus der Berliner Blase, mehr an die Menschen und ihre Alltagssorgen denken und Kommunen stärken: das fordert Dr. hc. Eggert Voscherau von der Politik. Der Bruder des verstorbenen ehemaligen Hamburger Oberbürgermeisters Henning Voscherau war lange Aufsichtsratsmitglied bei BASF und gehörte vor 20 Jahren zu den entscheidenden Wegbereitern der Europäischen Metropolregion Rhein-Neckar. Im Interview mit „Treffpunkt Kommune“ plädiert er für mehr Zusammenarbeit und gebündelte Kräfte, damit Kommunen und Regionen gemeinsam erfolgreich sein können.

Dr. hc. Eggert Voscherau
600 Gäste im Mannheimer Rosengarten waren dabei, als Dr. hc. Eggert Voscherau für seine Verdienste um die Metropolregion mit der Carl-Theodor-Medaille ausgezeichnet wurde. Foto: MRN / Schwerdt

Herr Dr. Voscherau, am 23. September wurden Sie anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) im Mannheimer Rosengarten mit der Carl-Theodor-Medaille geehrt. Was ging Ihnen an diesem Abend durch den Kopf? Schließlich fand der Festakt just an dem Ort statt, an dem zwei Jahrzehnte zuvor mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags die Anstrengung aller Beteiligten für eine länderübergreifende Zusammenarbeit als Metropolregion Rhein-Neckar belohnt wurde. Sie waren maßgeblicher Wegbereiter dafür.

Eggert Voscherau: Vor allem die Frage: Wie geht es weiter? Allein die Anwesenheit von 600 Teilnehmern, darunter zwei Ministerpräsidenten (Herr Schweitzer zog leider seine Zusage kurzfristig wegen seiner Teilnahme an einer TV-Talkshow zurück) und zahlreiche Kommunalpolitiker, hat bewiesen, dass die Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) lebt, pulsiert und den Menschen etwas bedeutet. Im Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und betroffener Bevölkerung hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren viel getan – und zwar über die Lebensadern Rhein, Main, Neckar hinweg. Die Region ist von einer hervorstechenden Besonderheit geprägt. Denn nicht ihre Gesamtheit ist für die einbezogenen Bundesländer von Normalität, sondern nur die darin jeweils sie betreffenden drei Einzelteile.

Deshalb muss von der MRN-Führung intensiv ein direkter Kontakt zu den jeweiligen Ministerpräsidenten gehalten werden. Die drei haben im Wesentlichen den übergeordneten Blick und ermutigen im Zweifelsfall ihre Verwaltungen, die verfügbaren Spielräume auch voll zu nutzen. Der fortwährende Dialog mit ihnen hat sich in meinen Augen als sehr erfolgreich erwiesen und war die Grundlage für die Schaffung der Metropolregion. Für die kommenden Jahre gilt: Die in der Region lebenden Menschen müssen sich weiter gegenseitig unterstützen, ihre Zusammenarbeit verstärken und damit Dinge möglich machen, die sonst keine Chance hätten. Damit kommt die MRN schrittweise dem Ziel näher, in der Summe eine der attraktivsten Regionen Europas zu sein. Die Richtung stimmt, das Potential ist da! Das alles ging mir an dem Abend Stück für Stück durch den Kopf.

Die Metropolregion Rhein-Neckar überschreitet Ländergrenzen

Was war rückblickend die größte Herausforderung?

Voscherau: Es gab zwei. Erstens das Schaffen einer politische Identität über drei Ländergrenzen hinweg. Das war die entscheidende Grundlage für die Metropolregion Rhein-Neckar. Denn die drei einbezogenen Bundesländer sind unterschiedlich stark beteiligt gewesen. Hessen zum Beispiel flächenmäßig relativ wenig, aber wirtschaftlich sehr bedeutsam. Obendrein haben alle drei beteiligten Bundesländer unterschiedliche Eigeninteressen. Eine ihrer größten Sorgen war bei der Gründung, dass den daran angrenzenden Regionen daraus Nachteile entstehen. Die zweite Riesenherausforderung: Berlin und die Ministerkonferenz für Raumordnung davon zu überzeugen, dass Wertschöpfung, Dynamik und Erfolg für Millionen Menschen auch außerhalb wesentlicher Großstädte möglich und für unser Land notwendig sind. Denn Deutschland ist vor allem stark in kleinen Zentren, die von ihrer Vernetzung leben.

Schon 2003 hatten Sie, damals noch als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BASF, einen Brandbrief an alle Entscheider geschrieben, in dem Sie deutlich mehr Kooperation gefordert haben sollen. Ihre „Stimme aus der Wirtschaft“ wurde gehört. Warum war es Ihnen damals schon wichtig, wie Sie es in Ihrer Rede anlässlich des Festakts im September nannten, „Kirchturmdenken, Egoismus und Provinzialität“ zu überwinden?

Voscherau: Wir Menschen teilen gerne ein in „wir hier“ und „die dort“. Heute sogar noch mehr als früher. Dabei sind die Grenzen in Wahrheit völlig diffus. Das Lebensgefühl in der Region Rhein-Neckar reicht weit über Verwaltungsgrenzen und den Rhein oder Neckar hinaus. Mir ging es damals schon darum, die Fenster aufzureißen, um mehr Sauerstoff einzulassen für Arbeitsteilung, Optimierung unserer Ressourcen und zusätzliche Wertschaffung. Nicht jede Kommune braucht die gleiche Ausstattung, wie die ein paar Kilometer weiter. Dafür braucht sie aber eine starke, bezahlbare Infrastruktur in Reichweite.

Mit Hilfe von Investitionen diesseits und jenseits des Rheins sowie wirtschaftlichem Einfluss hatte ich damals die Chance gesehen, die relevanten Entscheider in der Region an den Tisch zu bringen und zum ersten Mal bestimmte regionale Themen gemeinsam mit Weitblick voranzutreiben. Ich sehe es als Teil ihrer d.h. unser aller Verantwortung, für eine funktionierende Infrastruktur zu sorgen. Und dafür müssen wir gewisse Opfer bringen. Denn es bringt uns nun mal nicht schnell genug und erfolgreich weiter, wenn wir uns im Ruderachter einer Region alle als passive Steuermänner sehen und anderen beim Rudern
zuschauen. Anpacken lautet die Devise für alle!

Den Menschen im Blick behalten

Trotzdem wurde die Idee damals in Berlin anfangs in der Ministerkonferenz belächelt – ihr verstorbener Bruder Henning, langjähriger Oberbürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, soll nach Ihren Worten gesagt haben: Was soll das denn? Womit haben Sie ihn – und die übrigen Entscheider – gemeinsam mit dem damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck – überzeugt?

Voscherau: Wir alle tragen unsere Geschichte mit uns im Gepäck. Eine europäische Metropolregion ohne Metropole, also ohne Großstadt als Herz, war damals schlicht eine neue Idee, auf die man in Hamburg nicht so ohne weiteres kommt. Fairerweise muss man sagen, dass auch Rhein-Neckar von der Anbindung an die Metropolen Frankfurt und Stuttgart lebt. Aber darum geht es ja: Vernetzung bis weit in den ländlichen Raum hinein und Bündelung aller Kräfte dort und darüber hinaus. Das endet ja nichts an den Grenzen der Metropolregion, sondern setzt sich fort in die benachbarten Räume – wie die Wellen, den ein ins Wasser geworfener Stein erzeugt.

Worin sahen Sie damals die größten Chancen, die eine gemeinsame Metropolregion bietet – und glauben Sie, dass diese Chancen in den vergangenen 20 Jahren gut genutzt wurden?

Voscherau: Mit Gründung der Metropolregion ergab sich die einmalige Chance für Politik und Wirtschaft, sichtbar für die Bevölkerung in einen institutionalisierten Dialog einzutreten. Eine grenzenlose Gemeinsamkeit wirksam gestalten: das war plötzlich keine leere Formel mehr. Ziel war vom ersten Tag an eine hohe Lebensqualität auf allen Ebenen. Wir alle sind uns bewusst gewesen: das ist natürlich kein 100-Meter-Lauf, sondern ein „Iron Man“, der ständig neue Impulse und Energie braucht. Wir haben nie vergessen, worum es dabei aber wirklich geht: um die Menschen! Uns alle! Wir haben unbestreitbar große Erfolge erzielt.

Aber: In einem solchen Prozess lässt es sich trotz aller Anstrengungen naturgemäß nicht vermeiden, einige Chancen liegen zu lassen. Denn was wir erreichen, ist immer das Ergebnis des Zusammenspiels von Bund, Land, Region sowie ihrer Landkreise und Kommunen. Zu den sehr schwer wieder zu reparierenden Versäumnissen zählen besonders die nicht realisierte Rheinquerung südlich von Ludwigshafen nach Mannheim und die verfehlte DB-Schienenführung durch und um Mannheim. Wichtig bei einer derart komplexen Situation ist das Erhalten des Vertrauens der Bevölkerung in die Bemühungen der Region. Das scheint mir über die letzten 20 Jahre gelungen! Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das trotz der heute schwierigen Zeiten nicht auch in der Zukunft möglich sein sollte. Dabei hilft eine offene Kommunikation als eine wesentliche Grundvoraussetzung für den Erfolg. Das sollte gelingen!

Was die Regionen Rhein-Neckar und Heilbronn-Franken gemeinsam haben

Ihr Lob gilt bis heute ausdrücklich den drei involvierten Landesregierungen, die trotz wechselnder Regierungsfarben und Ministerpräsidenten in den vergangenen 20 Jahren, die Metropolregion fortwährend unterstützt haben. In welchen Punkten würden Sie sich in Deutschland diese „Größe im Denken und in der Haltung“, wie sie es nennen, stärker ansonsten wünschen?

Voscherau: Wir erleben es ja jetzt gerade wieder. Die Bundesregierung hat gerade durch zusätzliche Verschuldung ein riesiges Sondervermögen geschaffen. Würde es für Investitionen genutzt, flössen die Mittel wieder zurück und kämen den künftigen Generationen zugute. Danach sieht es aber erschreckenderweise nicht aus. Sondern: Große Teile dieser Milliarden laufen Gefahr, in bestehenden Haushaltslöchern zu versickern. Was für eine gefährliche Versuchung! Wird ihr Berlin widerstehen? Wenn nicht – was unverantwortlich wäre – stehen wir vor einer kleinkarierten Abfahrt in Richtung 2. Liga. Das darf nicht sein! Deswegen wünsche ich der Bundesregierung, endlich die Größe im Denken und in der Haltung für mutige und große Schritte für unser Land. Mein Appell: Denkt an die Menschen! Brecht aus der Berliner Blase aus! Es gibt genau jetzt viel Entscheidendes zu tun! Noch hoffe ich!

Der berühmte Blick über den Tellerrand: Gilt der auch für Heilbronn-Franken, an die die Metropolregion Rhein-Neckar angrenzt? Immerhin haben beide Regionen nicht nur eine Grenze, sondern auch ein Händchen für Innovationen, Weltmarktführer und Weinbau gemeinsam. Gäbe es nach Ihrer Ansicht auch mit dieser Region Baden-Württembergs eine Basis für Zusammenarbeit?

Voscherau: Das ist geradezu der Sinn der Sache. Wo immer die Menschen leben, ziehen sie um sich herum einen 100-Kilometer-Radius und vernetzen sich in diesem Raum. Heilbronn-Franken ist für mich in einer vergleichbaren Situation wie Rhein-Neckar. Beide weisen starke Klein- und Mittel- sowie einige
bedeutende Großunternehmen auf. In beiden Regionen arbeiten die Menschen hart, sind kreativ und wissen, wie man auf dem Weltmarkt erfolgreich besteht. Für beide gilt: Kräfte bündeln, Stärken nutzen und Erfolge feiern.

Chancen für Kooperationen zwischen den Regionen

Worin könnte diese Zusammenarbeit bestehen?

Voscherau: Mir fallen spontan Chancen bei der Entwicklung von Technologie und deren praktische Anwendung ein. Der Bildungscampus in Heilbronn ist eine gute Basis für den regelmäßigen Austausch zwischen den beiden Nachbarn. Im KI-Ökosystem „Innovation Park Artificial Intelligence“ (IPAI) sehe ich in Heilbronn zum Beispiel einen strategischen Partner. Die Struktur der Metropolregion Rhein-Neckar mit ihrer Vielzahl an Großkonzernen und kleinen und mittleren Unternehmen ermöglicht darüber hinaus breitgefächerte Möglichkeiten für die Nutzbarmachung von KI und den auf dem Campus entwickelten neuen Lösungen.

Ich denke dabei an leistungsstärkere KI-Modelle, die in der Industrie und Forschung sowie für komplexe Simulationen und Steuerungen eingesetzt werden können. Oder nehmen Sie speziell das Exzellenzcluster Biotechnologie und die Health and Life Science Alliance in Rhein-Neckar. In der biotechnologischen Forschung fallen immer größere Datenmengen an, die zukünftig nur noch mithilfe von KI-Systemen ausgewertet werden können, um innovative Entwicklungen zu beschleunigen.

In noch etwas ähneln sich Heilbronn-Franken und die Metropolregion Rhein-Neckar: Beides sind Orte, wo die sich Menschen gegenseitig unterstützen, Zusammenarbeit verstärken und Dinge möglich machen, die sonst keine Chance hätten. Wo Leistungsbereitschaft, Verantwortung und lokale Wertschöpfung Zukunftserfolg sichern – so hatten Sie die Metropolregion charakterisiert. Wie wichtig ist es aktuell in Deutschland, das Gemeinsame zu betonen – über regionale und Ländergrenzen hinweg?

Voscherau: Wichtiger denn je. Wenn wir aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft uns nicht um die Menschen und ihre Sorgen kümmern, stehen unser Zusammenleben und unsere Demokratie zur Diskussion. Ich bin überzeugt davon: Die Menschen bringen größte Opfer, wenn sie wissen, wofür und wenn sich das größere, gemeinsame Ziel für alle lohnt. Die Optimierung rund um den Kirchturm reicht dafür nicht. Abschottung halte ich für ineffizient und ungeeignet, die bestehenden Herausforderungen zu lösen.

Die Kommunen und ihre Herausforderungen

Das Bundeskabinett hat jüngst den Haushaltsentwurf für 2026 beschlossen. Bundesfinanzminister Klingbeil plant für das kommende Jahr Ausgaben von gut 520 Milliarden Euro, inklusive neuer Schulden von insgesamt rund 174 Milliarden Euro. Als jemand, der viele Jahre in verschiedenen Aufsichtsräten saß, bis 2014 Aufsichtsratsvorsitzender der BASF war: Erwarten Sie, dass die Metropolregion Rhein-Neckar von diesen Rekordausgaben profitieren wird, insbesondere die dort angesiedelten Unternehmen?

Voscherau: Ja, das erwarte ich. Und ich erwarte, dass die Region diese Mittel investiert, sie vermehrt und an die Gemeinschaft wieder zurückgibt. Darum geht es: Nicht nur nehmen, sondern durch Leistung veredeln und wieder geben. Das ist der Kreislauf, den wir in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft in Gang halten.

Haben aus Ihrer Sicht Bund und Länder die finanziellen Herausforderungen, vor denen die Kommunen stehen, dabei aktuell genug im Blick? Sie hatten anlässlich des Festakts ja gemahnt, die Kommunen dürften nicht das „Kellergeschoss des Staates“ werden.

Voscherau: Das Leben findet nun mal in Städten und Gemeinden statt, nicht in Kabinetten und Staatskanzleien. Hier spielt das volle Orchester: Klarkommen mit Migration, Ganztags-Kinderbetreuung, Gesundheit und Pflege, Straßen, Brücken, Schulen, Kultur, Sport und Ehrenamt. Hier erleben die Menschen jeden Tag ihre Defizite. Und das in einem der wohlhabendsten Nationen der Erde. Das volle Orchester braucht eine volle Besetzung. Unsere Kommunen müssen wieder finanziellen Spielraum für Investitionen erhalten – aber nicht ohne eigene Gegenleistung!

Gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Kommunen

Unterschätzt man in Berlin die Rolle der Kommunen?

Voscherau: Und wie! Die Distanz zwischen der schon erwähnten Berliner Blase und einzelnen Kommunen ist riesig! Und dazwischen liegen noch die Länder. Was häufig übersehen wird: Die Kommunen bilden die Basis für unser Miteinander. Hier entscheidet sich die Stabilität des Zusammenlebens und Zusammenhalts in unserer Gesellschaft. Zu viele, ganz normal arbeitende Mitbürger fühlen sich mit den enormen Herausforderungen des täglichen Lebens heutzutage überfordert, alleingelassen und nicht mehr angesprochen.

Es besteht zunehmend der Eindruck – bei allem Respekt für die betroffenen Gruppen – dass sich Berlin mehr Sorgen um Bürgergeldempfänger und Zuwanderer aller Art macht, als um die Tag für Tag wertschöpfend im Arbeitsleben stehenden 20 bis 30 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um die Schulen für ihre Kinder, um die Straßen, Brücken, Sporteinrichtungen, Energie- und Gesundheitsversorgung, die sie brauchen und mit ihrer Abgabenlast bezahlen. Das frustriert, führt zu extremen Ausschlägen und ist ein explosives Gemisch.

Welche drei Punkte sind für die Metropolregion Rhein-Neckar, aber auch die Region Heilbronn-Franken, wichtig, um auch in Zukunft stark zu sein?

Voscherau: Für beide Regionen gilt: Nach außen noch stärker mit einer Stimme sprechen. Nur Geschlossenheit beeindruckt in Brüssel, Berlin, Stuttgart und sonst wo. Dann zweitens: Keine wichtigen Chancen liegen lassen. Wir alle brauchen als Voraussetzung für eine starke Wirtschaftsregion eine gut
funktionierende Infrastruktur (darunter Arbeitswege, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Breiten-/Spitzensport, Kultur und Umwelt) – also eine hohe Lebensqualität auf allen Ebenen. Dabei helfen übergreifende Arbeitsteilung und das Gespür für die Umsetzbarkeit von Lösungen.

Alle übernehmen eine Teilverantwortung – nicht nur die Gewählten. Es ist ja so einfach alles auf die abzuwälzen und selbst nur zu fordern. Die Gewählten müssen allerdings auch liefern. Und drittens: Die Menschen mitnehmen. Wir müssen aufzeigen, dass unsere Regionen konstant sichtbare Fortschritte machen: DAS stärkt auch das Vertrauen in die Demokratie. Für die Mitbürger einfacher, wirksamer, spürbarer sein. So kommen die Regionen voran.

Die Regionen sollten die Kommunen voranbringen

Was wünschen Sie sich für die Zukunft entlang Rhein, Main und Neckar – und für Deutschland?

Voscherau: Es klemmt schon an der fehlenden Vision für unsere künftige Rolle in der Welt, für Zusammenleben und an fortschrittlichen Regeln. Die Nachkriegsordnung ist völlig aufgelöst. Wir müssen unsere Zukunft jetzt selbst und zusammen mit unseren europäischen Partnern in die Hand nehmen. Es ist jetzt Zeit für einen wirklich großen Wurf.

Ich plädiere daher für drei Handlungs- und entwicklungsleitende Grundgedanken: Erstens, Aufzeigen der Vision, d.h. des Zielbilds und künftigen Rollenverständnisses für Deutschland in Europa. Zweitens, Anreize für individuelle Leistungsbereitschaft erhöhen und Ermutigung jener Leistungsbereiten im Inland und aus dem Ausland, die unsere Gemeinschaft nach vorne bringen. Drittens, deutlich vereinfachte und beschleunigte Verfahren für die Anpassung unserer Wirtschaft und Verwaltungen an moderne Technologien wie zum Beispiel die Künstliche Intelligenz.

Die Regionen sind dabei die Motoren, die unsere Kommunen vorantreiben und durch vernetzte, übergreifende Maßnahmen unterstützen.

Interview von Natalie Kotowski


Zur Person

Vor 20 Jahren gehörte Dr. hc. Eggert Voscherau zu den maßgeblichen Wegbereitern der Europäischen Metropolregion Rhein-Neckar, deren Ehrenvorsitzender er heute ist. Der Bruder des verstorbenen langjährigen Hamburger Oberbürgermeisters Henning Voscherau machte im Chemiekonzern BASF Karriere, war zuletzt Arbeitsdirektor der BASF und Standortleiter für das Werk Ludwigshafen. Bis 2014 war er Aufsichtsratsvorsitzender der BASF, ebenso hatte er wechselnde Aufsichtsratsposten unter anderem bei der Deutschen Bahn, Nordstream, Talanx und Carl Zeiss inne. Bis 2004 war Voscherau Präsident des Verbands der Europäischen Chemischen Industrie. Der gebürtige Hamburger ist auch Vizepräsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und gehörte der Rürup- und der Hartz-Kommission an.


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