Digitalisierung: Was muss getan werden?

Von einer Volkswirtschaft mit digitalem Schönheitsfehler spricht der Verband der Unternehmerinnen: zu wenig Unterstützung für KMU, zu wenig Digitalisierung in der Verwaltung, zu viele weiße Flecken beim Glasfaseraserausbau. Unternehmerin Milen Starke erläutert, was aus Verbandssicht dringend erforderlich ist.

Digitalisierung und schnelles Internet, Innovationen und Investitionen: Der Verband der Unternehmerinnen sieht wesentlichen Handlungsbedarf von Bund, Ländern und Kommunen. Foto: Adobe Stock/Gorodenkoff

Die digitale Transformation ist Treiber des technologischen Fortschritts und wirtschaftlichen Wachstums. Doch Deutschland hängt in Sachen Digitalisierung immer noch weit zurück. Der Leitindex für digitale Wirtschaft und Gesellschaft DESI sieht Deutschland lediglich im europäischen Mittelfeld, beim Breitbandausbau sogar unter dem EU-Durchschnitt. Das hat Auswirkungen auf die Innovations- und damit Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts.

Klar ist: Es sind in vielerlei Hinsicht herausfordernde Zeiten. In den letzten Jahren haben die Unternehmerinnen und Unternehmer ihre schnelle Anpassungsfähigkeit bewiesen. Doch fest steht auch: Langfristiger und nachhaltiger Erfolg braucht mehr als das – vor lauter Krisenmodus dürfen wir nicht den klaren Blick nach vorn verlieren. Heutige Investitionen in neue Technologien garantieren die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen über Krisenzeiten hinaus.

Besonders auffällig ist der Nachholbedarf auf staatlicher Seite. Eine funktionierende digitale Verwaltung sowie eine flächendeckende und leistungsfähige digitale Infrastruktur sind die Grundlage für eine erfolgreiche digitale Transformation des Mittelstandes. Viele KMU sind in ländlichen Regionen angesiedelt und dort gesellschaftlich stark verankert, leiden aber massiv unter der mangelhaften digitalen Infrastruktur. So ist beispielsweise nur gut ein Drittel (35,6 Prozent) des Landes an Glasflaser angeschlossen. Nur wenn der Breitbandausbau forciert wird, können Unternehmen im ländlichen Raum das volle Potenzial neuer digitaler Dienstleistungen nutzen.

Digitalisierung, weiße Flecken und mehr

Obwohl die Politik die Bedeutung eines flächendeckenden Netzausbaus erkannt und sich mit der Gigabitstrategie zum Ziel gesetzt hat, scheitern diese politischen Ziele nach wie vor an der praktischen Umsetzung. Die Ampel-Koalition konnte bis zum vorzeitigen Ende der Legislaturperiode nur 38 Prozent ihrer Vorhaben abschließen. Viele wichtige Digitalprojekte sind damit auf der Strecke geblieben.

Besonders problematisch ist der schleppende Ausbau in den sogenannten „weißen Flecken“, wo aufgrund fehlender wirtschaftlicher Anreize nur langsam investiert wird. Hier ist der Staat gefordert, aktiv zu werden und auch Technologien wie den 5G-Ausbau oder Satelliteninternet als Alternativen zum Glasfaserausbau zu fördern.

Genehmigen sollte schneller gehen

Genehmigungsverfahren sind trotz Reformen oft noch zu langwierig – das verzögert den Ausbau. Der schleppende Fortschritt wird zusätzlich durch den Mangel an Fachkräften im Infrastrukturbereich behindert. Die Digitalisierung geht mit einem steigenden Energiebedarf einher. Energie ist das Lebenselixier der deutschen Wirtschaft und muss daher zuverlässig sowie bezahlbar verfügbar sein.
Da die Weichen für einen flächendeckenden Netzausbau auf kommunaler Ebene gestellt werden, ist entscheidend, wie die Kommunen dabei vorgehen. Zunächst müssen klare Prioritäten für den Ausbau der Gebiete gesetzt werden, die sich an der Bevölkerungsdichte, den wirtschaftlichen Potenzialen und der vorhandenen Infrastruktur orientieren.

Städte zeigen, wie es gehen kann

Die Stadt München hat dies zum Beispiel in einer Breitbandstrategie definiert und klare Ziele gesetzt, bis wann welche Gebiete mit einer Mindestabdeckung ausgestattet werden müssen.
Dies ist auch in der Stadt Görlitz zu beobachten. Hier wurde zudem das örtliche Telekommunikationsunternehmen in die Erarbeitung der Strategie einbezogen, um auch die wirtschaftlichen Anreize der Privatwirtschaft zu berücksichtigen.

Weiterhin ist eine aktive Bürgerbeteiligung nicht zu unterschätzen – denn Bürgerinnen und Bürger sind schlussendlich die Verbraucher. Bleiben Telekommunikationsanbieter auf ihren Verträgen sitzen, weil die Abnahme zu gering ist, können definierte Mindestmengen nicht eingehalten werden und ganze Ausbaugebiete sind plötzlich nicht mehr versorgt. Meist fallen hierbei ländliche Gebiete oder auch Gewerbegebiete zum Opfer.

Digitalisierung
Zu viele lose Enden insbesondere in ländlichen Regionen: Der Verband der Unternehmerinnen fordert mehr Tempo bei der Digitalisierung, beim Breitband- und Glasfaserausbau. Foto: AdobeStock/Christian Schwier

Die Stadt Osnabrück hat hierbei auf eine frühzeitige Bürgerbeteiligung gesetzt und zwei Breitbandkoordinatoren eingestellt, die Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantworten. Durch eine enge Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene – von Stadtverwaltung, Telekommunikationsunternehmen und Bürgern – können Ausbauprojekte somit effizienter umgesetzt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Stadt Dresden, die mit einem gemeinsamen Breitbandbüro von Stadt und Landkreis den Ausbau koordiniert und die lokalen Netzbetreiber bei der Umsetzung unterstützt.

Appell an die Kommunen

Wir erwarten von den kommunalen Akteuren eine strategische Zusammenarbeit und eine klare Positionierung für einen flächendeckenden Netzausbau. Entscheidend ist, dass sich die kommunalen Entscheidungsträger mit den vorherrschenden Strukturen auseinandersetzen und auch finanzielle Unterstützung durch Förderprogramme des Bundes in Anspruch nehmen, wenn sie die Aufgabe des Netzausbaus nicht selbst stemmen können.

Gleichzeitig muss der Staat proaktiv eingreifen, wenn strukturschwache Gebiete nicht in der Lage sind, die wirtschaftlichen Anreize für private Telekommunikationsunternehmen zu gewährleisten. Auch reicht es nicht aus, ambitionierte Strategien zu formulieren – es bedarf einer entschlosseneren Umsetzung.
Konkret fordern wir langfristige Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur: Der Netzausbau darf nicht privaten Anbietern überlassen werden, sondern staatliche Förderung muss sicherstellen, dass auch in kleineren Ortschaften ein entsprechender Zugang gewährleistet ist. Hier muss die föderale Struktur auf den Prüfstand gestellt werden. Denn auch im bundesweiten Vergleich gibt es gravierende Unterschiede, keine Standards und keine Einheitlichkeit. Es bedarf einer stärkeren Koordination aller Beteiligten: Bund, Länder, Kommunen und Netzbetreiber.

Digitalisierung: Innovation vorantreiben

Zudem ist die Förderung der digitalen Transformation in KMU unser Anliegen: Unternehmen profitieren von der Digitalisierung und Modernisierung interner Prozesse und können zusätzlich ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation und Effizienzsteigerung sichern. Unternehmerinnen und Unternehmen stehen jedoch vor einem Dilemma: Sie erkennen die Notwendigkeit von Investitionen in die Digitalisierung, müssen vor dem Hintergrund krisenbedingter Liquiditätsengpässe aber abwägen, wo sie investieren. Staatliche Förderprogramme müssen daher planbar fortgeführt werden.
Ebenfalls wichtig: Die öffentliche Verwaltung muss dringend digitalisiert werden, um deren Effizienz zu steigern und gleichzeitig Unternehmen bürokratisch zu entlasten. Der Staat sollte nicht nur mit gesellschaftlichen Entwicklungen mithalten können, sondern proaktiv neue Standards setzen und an der Spitze der Innovation stehen.
Milen Starke


Die Autorin

Milen Starke ist Geschäftsführerin des Familienunternehmens Q-SOFT GmbH. Zudem engagiert sie sich im Bundesvorstand des Verbands der Unternehmerinnen in Deutschland (VdU) für die Förderung und Sichtbarkeit von Frauen in MINT-Berufen und im Unternehmertum. Für ihren Unternehmergeist wurde Milen Starke 2022 mit dem Emily-Roebling-Preis als Thüringer Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet.