Die Brache als Chance

Flächenrecycling versteht sich als nutzungsbezogene Wiedereingliederung von Brachflächen in den Wirtschafts- und Naturkreislauf. Dies ist oft ein jahrelanger Prozess, der von den Akteuren ein umsichtiges Handeln und „Stehvermögen“ erfordert, damit daraus keine auf Dauer vergessenen Orte werden. Persönliches Engagement und langfristige Kooperationen zwischen den Akteuren bilden die Grundlage für den Veränderungsprozess.

Aufgrund struktureller Veränderungen sind in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Flächen in Innenstädten brachgefallen. Ehemalige gewerblich oder industriell genutzte Gebäude prägen oft das Stadtbild in Industriestädten. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung ist deren Nachnutzung, insbesondere in kleinen und mittleren Städten, mit neuen Herausforderungen für die betroffenen Akteure verbunden.

Unter bautechnischen Gesichtspunkten handelt es sich um interessante Objekte. Zumal wenn sie unter Denkmalschutz stehen, stellen sie durch ihre Einmaligkeit einen besonderen Anreiz für eine Nachnutzung dar. Andererseits können gewerbliche oder industrielle Vornutzungen zu Kontaminationen der Gebäudesubstanz, des Bodens und des Grundwassers geführt haben. Diese zunächst vermuteten sogenannten Altlasten sind ein wesentliches Hemmnis für eine Nachnutzung.

Potenziele zur Nachnutzung

Die wirtschaftliche Entwicklung (Wandel) ist verbunden mit Veränderungen in der Nutzung vorhandener Flächen und Gebäude. In Abhängigkeit von der konkreten Situation und der Interessenlage des Grundstückeigentümers oder Verfügungsberechtigten kommen verschiedene Handlungsoptionen in Betracht. Diese erstrecken sich vom sogenannten „Liegen lassen“ und die Entwicklung über die Zwischennutzung bis hin zur Renaturierung der Brachfläche.

Mögliche Zwischennutzungen wie beispielsweise in Form von Stadtgärten waren Gegenstand von bundesweiten Forschungsvorhaben. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) wurden in Sachsen-Anhalt in ausgewählten Städten Konzepte zum Umgang mit Brachflächen entwickelt. Die Renaturierung ehemaliger Industriestandorte erfolgte unter anderem im Rahmen von Bundes- und Landesgartenschauen.

Gute Beispiele sind die Nachnutzung ehemaliger Kasernengebäude durch Landrats- oder Finanzämter oder die industriekulturelle Nachnutzung früherer Werksgebäude.

In-Wertsetzung durch Flächenrecycling

Der Prozess der In-Wertsetzung kann in vier Stufen unterteilt werden.

  • Zunächst müssen die Voraussetzungen für eine Entwicklung vorhanden sein. Neben einem bestehenden Interesse und der Verfügbarkeit des Grundstücks muss ein entsprechender Handlungsdruck bestehen.

  • Für die Initiierung von Maßnahmen werden Informationen und die Schaffung einer Organisation sowie ein Impuls (Ideen) benötigt.

  • Management, Planung und Marketing sind unterstützende Elemente des Prozesses der In-Wertsetzung und bilden gleichzeitig die Rahmenbedingungen für

  • die Realisierung der verschiedenen Maßnahmen.

Vor der Ausführung von baulichen Maßnahmen stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit des Vorhabens. Erforderliche Rückbaumaßnahmen und eventuell notwendige Altlastenbeseitigungen sind mit Mehraufwendungen gegenüber einer Baumaßnahme auf der Grünen Wiese verbunden. Ohne eine öffentliche Förderung werden derartig belastete Grundstücke selten eine Nachnutzung durch private Investoren finden. Altlastenfreistellungen waren in der Vergangenheit die Voraussetzung für Investitionen auf Altstandorten.

Gestaltung des Veränderungsprozesses

Infolge der demografischen Entwicklung nicht mehr benötigte Wohngebäude, öffentliche Einrichtungen und Verkaufseinrichtungen führen in „schrumpfenden“ Regionen zu neuen Brachflächen. Das Flächenrecycling von brachliegenden Grundstücken gewinnt, auch im Zusammenhang mit dem bundesweiten Ziel der Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar pro Tag, an Bedeutung.

Die Berücksichtigung der verschiedenen Interessenlagen und die frühzeitige Beteiligung der Anwohner sind wesentliche Faktoren eines erfolgreichen Flächenrecyclings. Persönliches Engagement und langfristige Kooperationen zwischen den Akteuren bilden die Grundlage für den Veränderungsprozess.

Die Bewältigung der Komplexität zu klärender Problemstellungen beim Flächenrecycling erfordert eine interdisziplinäre, ressortübergreifende Herangehensweise. Die Bedeutung der öffentlichen Verwaltungen als Initiator und Moderator der In-Wertsetzung und zur Vermeidung weiterer Brachflächen wird weiter zunehmen. Dies beinhaltet eine bedarfsgerechte Ausweisung von Bauflächen und eine vorausschauende Stadtplanung.

Michael Hanke

Der Autor
Dr. Michael Hanke ist beim CiF Kompetenz-Zentrum für interdisziplinäres Flächenrecycling & erneuerbare Energien in Freiberg (Sachsen) als Projektmanager tätig