Clever kombiniert

Ein beispielhaftes Konzept für Gestaltung und Finanzierung einer teiltransparenten Lärmschutzwand mit integrierter Fotovoltaik wurde 2016 in der oberbayerischen Stadt Neuötting realisiert. Das Projekt bringt Kommune, Energiegenossenschaft und teschnische Unternehmen zusammen.

Ein Sprichwort sagt, „Lärm macht nichts Gutes und Gutes macht keinen Lärm“. Im Fall Neuötting war klar, dass ein neu ausgewiesenes Baugebiet und die neue Montessori-Schule einen Lärmschutz brauchten. Für die Stadt und insbesondere für das Bauamt von Neuötting bestand im Jahr 2016 die Pflicht zum Bau eines Lärmschutzes mit fünf Meter Höhe auf kleinem Grund zu möglichst geringen Kosten.

„Die günstigste Lösung wäre die blickdichte, graue Lärmschutzwand aus Beton gewesen, die in Neuötting aber keiner haben wollte“, kommentiert Bauamtsleiter Alois Schötz den rein monetären Blick auf das Thema. Um den geforderten Schutz bei attraktiver Optik und guter Funktionalität zu liefern, musste die Ausschreibung entsprechend gestaltet werden. Die beste Lösung für Neuötting ergab sich durch einen Kontakt von Stadtvertretern mit der Firma Kolhlhauer auf der Messe „Kommunale“ in Nürnberg. Die Lärmschutzwände dieses Anbieters sind zwar nicht günstig, dafür profitieren die Erbauer von guter Qualität, Optik und der Akzeptanz ihrer Bauwerke. „Eine Lärmschutzwand ist auf 20 Jahre Nutzung ausgelegt“, erklärt Reinhard Kohlhauer, „ in dieser Zeit muss das Objekt am besten ohne Mängel funktionieren“.

Die Neuöttinger Lärmschutzwand ist modular aufgebaut. Zwischen Trägern werden auf vier Metern Breite ein patentiertes Lärmschutz-Gitterdämmsystem, Acrylglaselemente sowie Fotovoltaikmodule installiert. Das Konzept ist flexibel, sodass dort, wo die Fotovoltaik unrentabel ist, das Gitterdämmsystem eingesetzt wird. Außerdem können einzelne Elemente jederzeit ausgetauscht werden.

Die 234 Meter lange Lärmschutzwand besteht aus einem Bohrpfahlfundament mit Tragpfosten für die Lärmschutzsegmente im Abstand von vier Metern. Die Pfosten sind mit einer Neigung von etwa fünf Grad in die Fundamente eingelassen, um die Ausrichtung der Solarstrommodule zur Sonne zu verbessern. Die Felder zwischen den Pfosten sind fünf Meter hoch und sind jeweils in drei Zonen aufgeteilt. Zone 1 besteht aus einem akustisch wirksamen, ein Meter hohen Gitterdämmsystem. Zone 2 besteht aus Acrylglas in Alurahmen und ist 1,50 Meter hoch. Dieses Wandsegment gewährt freien Blick auf die jeweils andere Seite. Zone 3 besteht aus zwei Fotovoltaik-Elementen mit je zwei Modulen auf der Südseite und akustisch wirksamen Gitterdämmsystem auf der Nordseite. Den oberen Abschluss der Konstruktion bildet der Kabelkanal, in dem alle Leitungen des Fotovoltaikgenerators verlaufen.

Das Fotovoltaiksegment wird bei Kohlhauer unter dem Namen „Volta“ geführt. „Lärmschutz ist immer für den jeweiligen Standort geplant“, weiß Reinhard Kohlhauer. Sein Rat: „Die Fotovoltaik sollte immer über Kopfhöhe angebracht werden, denn dort ist das Risiko von Verschmutzung, Vandalismus- und Graffiti-Angriffen wesentlich geringer als im unteren Bereich.“

Spezialisten übernehmen Betrieb und Wartung

Weil die Stadt feststellte, dass die Fotovoltaikanlage für sie zu teuer geworden wäre und außerdem das Fachwissen für Betrieb und Wartung fehlte, wurde sie an die Energiegenossenschaft Inn-Salzach als Betreiber vergeben. Geplant und installiert hat die Anlage das Unternehmen Maxsolar aus Traunstein, das auch Wartung und Überwachung der Anlage übernimmt.

Die leichte Neigung der Lärmschutzwand Richtung Norden steigert die Jahresleistung der 65-Kilowatt-peak (kWp)-Fotovoltaik-Anlage um rund fünf Prozent gegenüber einer senkrechten Ausrichtung. „Wir sind von einem kalkulierten Jahresertrag von 800 bis 850 Kilowattstunden pro kWp ausgegangen, was sehr konservativ und vermutlich zu vorsichtig angesetzt ist“, erklärt Christoph Strasser vom Projektierer Maxsolar.

Der Vorsitzende der Energiegenossenschaft Inn-Salzach, Pascal Lang, ergänzt zum Engagement bei der Realisierung einer lärmschutzintegrierten Fotovoltaikanlage: „Als Genossenschaftsprojekte in Zusammenarbeit mit den Kommunen können solche Lärmschutzwände Renditen von vier bis sechs Prozent erzielen.“ Als reine Investorenanlagen rechneten sich diese Projekte eher weniger. Sobald aber ein Verbraucher, beispielsweise der Neubau der Montessori-Schule Neuötting, versorgt werden könne, steigert das die Rentabilität der Anlage, so Lang.

Die Nutzung der Lärmschutzwand durch die Genossenschaft ist in Form eines Gestattungsvertrags mit der Stadt geregelt. Entgelte für die Nutzung fallen für die Genossenschaft nicht an. Dafür hat sie die Kosten für den oberen Teil der Lärmschutzwand übernommen. Die Leistungen des Lärmschutzlieferanten enden am Stecker.

Bauamtsleiter Alois Schötz berichtet von positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung. „Dabei hatten gerade die Alteingesessenen Neuöttinger große Bedenken, wie eine fünf Meter hohe Lärmschutzwand das Ortsbild verändern würde. Aber selbst von den Skeptikern kommt nur Lob“, erklärt Schötz.

Seit 1996 kombiniert Kohlhauer Lärmschutz und Fotovoltaik. Der Anteil der Lärmschutzwände mit integrierter Fotovoltaik liegt nach Aussage von Reinhard allerdings bei unter 1 Prozent. „Eigentlich ist das ein prima Sache, aber trotz massiv gesunkener Preise für die Fotovoltaikkomponenten trauen sich die Entscheider nicht an das Thema ran.“ Das sei eine „Kopfsache“, so der Lärmschutzexperte. Dabei sei die Monatage der Module in der Lärmschutzwand einfach und der Planungsaufwand gering. Aus Altersgründen erneuerte Lärmschutzwände können mit integrierter Fotovoltaik aufgewertet werden. Gleiches gelte für die nachträgliche Erhöhung von Lärmschutzwänden auf grund von steigendem Verkehrsaufkommen und Grenzwertüberschreitung. „In Deutschland blockieren meistens die Behörden das Fotovoltaik-Schallschutz-Konzept, sei es aus Unwissenheit oder der Pflicht dem billigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen“, so Kohlhauer.

Red.