Autonomes Fahren fordert die Planung heraus

Das autonome Fahren wird nicht nur den Verkehr, sondern auch den städtischen Raum verändern – Straßen, Parkflächen, Siedlungsstrukturen. Die Kommunen sollten sich daher bereits heute mit dem Thema beschäftigen und als Aufgabe einer integrierte Stadt- und Verkehrsplanung verstehen.

Die Erwartungen an die Verfügbarkeit autonomer Pkw und Lkw haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Was ferne Fantasie war, wird nun als eine zeitlich nahe Wirklichkeit diskutiert. Nach Aussagen von Technologieunternehmen und -plattformen sind selbstfahrende Fahrzeuge sind schon bald keine Utopie mehr. Bereits heute verkaufen Hersteller Fahrzeuge mit hochautomatisierten Funktionen wie automatisches Bremsen, Einparkassistenten, Längs- und Querführung und variabler Geschwindigkeitsregulierung. Doch das ist nur ein Zwischenschritt.

Bereits im September 2013 schickte Daimler-Benz einen selbstfahrenden Mercedes S 500 über eine 100 Kilometer lange Strecke durch Städte und Ortschaften. Der Wagen musste hochkomplexe Situationen autonom bewerkstelligen. Die dabei verwendete Technologie galt als seriennah und ist in ähnlicher Form in serienmäßigen Fahrzeugen verfügbar. Nun plant der Elektroautohersteller Tesla, alle neuen Fahrzeuge mit der nötigen Technik für autonomes Fahren auszurüsten. Tesla-Chef Elon Musk sagte im vergangenen Jahr, bis Ende 2017 solle es möglich sein, von Los Angeles nach New York gefahren zu werden, ohne auch nur einen Handgriff machen zu müssen.

Mit der wachsenden Verfügbarkeit der Technologie werden auch in Städten zunehmend Anwendungen erprobt. Betreiber von öffentlichen Verkehrsangeboten, Flughäfen und Häfen haben bereits viel Erfahrung mit dem Betrieb fahrerloser Züge auf festen Fahrspuren. In Singapur sind seit August 2016 fahrerlose Taxis auf einer Teststrecke im Einsatz. In Pittsburgh in den USA können Bürger nun über eine App ein autonomes, im Moment noch durch einen Überwachungsfahrer auf dem Fahrersitz begleitetes Taxi der Firma Uber rufen. Seit Dezember 2015 sind zwei autonome Elektrobusse fast täglich in der Schweizer Stadt Sitten (Sion) unterwegs.

Für Nutzer könnten sich viele Vorteile ergeben, zum Beispiel einfacheres Parken, deutlich schnellere Zustellung von Waren oder Zeit für andere Beschäftigungen während der Fahrt. Zudem bekämen Menschen Zugang zu Pkws, die derzeit gar nicht oder nur mit einem Fahrer im Auto unterwegs sein können, zum Beispiel mobilitätseingeschränkte Personen. Erste Studien zeigen, dass die reine Fahrzeit deutlich sinken könnte. Durch den Verzicht auf einen Fahrer in einem vollautomatisierten Fahrzeug werden außerdem deutlich günstigere Nutzungskosten für autonome Taxis oder autonome Fahrzeuge im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erwartet. Im Vergleich zur Nutzung eines eigenen konventionellen Autos könnten diese Kosten bis zu 80 Prozent niedriger liegen.

Straßen fassen mehr Verkehr

Aus kommunaler Sicht bietet die Automatisierung auch Lösungen für Verkehrsprobleme. Vermutlich wird mit der Technologie der Verkehr sicherer. Die vorhandene Kapazität der Straßen und mehr noch der Straßenkreuzungen könnte deutlich erhöht werden, insbesondere bei zunehmender Vernetzung zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen. Mit dem Einsatz von Fahrzeugen als autonome Taxis, sogenannte Robotaxis, könnte die Verkehrsnachfrage zudem mit deutlich weniger Fahrzeugen bewältigt werden, was den Bedarf an Parkraum bedeutend verringern könnte.

Erste Analysen der Wirkungen des autonomen Fahrens zeigen aber auch mögliche Entwicklungen auf, die aus Sicht der Stadt- und Verkehrsplanung nicht nur positiv zu beurteilen sind. Eine erhöhte Attraktivität selbstfahrender Fahrzeuge könnte eine Zunahme der Pkw-Nutzung (mehr Wege, längere Wegestrecken) nach sich ziehen, insbesondere der privat genutzten Fahrzeuge. Automatisierte Fahrzeuge könnten Menschen befördern, die keinen Führerschein besitzen: Kinder zur Schule oder ältere Menschen. Was aus Sicht der individuellen Mobilität sehr positiv ist, könnte zu mehr Fahrzeugen und Wegen auf städtischen Straßen führen. Dies gilt im Übrigen auch für Robotaxis. Denn ihr Einsatz würde, auch dies zeigen Modellrechnungen, zwischen der Beförderung von Passagieren Leerfahrten erzeugen. Diese mögliche Zunahme der Pkw-Fahrleistung würde bei einem Einsatz von Verbrennungsmotoren die verkehrlichen Emissionen in Städten erhöhen. Sie könnte die Nutzung des öffentlichen Verkehrs senken. Und sie könnte weitreichende Auswirkungen auf die Siedlungsstruktur haben.

Wie lassen sich aus Sicht der Kommunen positive Entwicklungen fördern, insbesondere in Verbindung mit dem ÖPNV? Wie kann Automatisierung im städtischen Wirtschaftsverkehr eingesetzt werden? Welche Potenziale bieten sich für kommunale Aufgaben, wie beispielsweise die Entsorgungswirtschaft? Wie lassen sich mögliche negative Wirkungen auf die Siedlungsentwicklung vermeiden? Dies sind Fragen, denen sich die kommunale Stadt- und Verkehrsplanung bereits heute zuwenden sollte. Denn die Autonomisierung des Verkehrs wird in einem Zeitraum erfolgen, der innerhalb der Zeithorizonte strategischer Planungsinstrumente wie Verkehrsentwicklungsplänen oder Stadtentwicklungskonzepten liegt. Was aber können Kommunen heute tun, um den Entwicklungsrahmen für die Automatisierung so zu gestalten, dass autonome Verkehrssysteme zu einer ökologischen, ökonomischen und sozial zukunftsfähigen Mobilität beitragen?

Lernen im Reallabor der Stadt

Es bedarf einer kommunalen Perspektive , wie das technologische Potenzial sich am besten für die Ziele der Kommunen nutzen lässt und welche kommunalen Instrumente dazu benötigt werden. Vor allem die Entwicklung intelligenter Angebote in Verbindung mit dem öffentlichen Verkehr kommt dafür in Betracht. Die jeweilige Perspektive sollte in Planungsinstrumenten verankert, fortgeschrieben und operationalisiert werden.

Die Umsetzung könnte idealerweise als lernende Strategie erfolgen. Reallabore zur Erprobung innovativer Systeme und Angebote erlauben es, schrittweise Erfahrungen zu sammeln. Sie können zudem der Einbindung der komplexen und sicherlich kontroversen Erwartungen der Bürger dienen. Aufgrund der bislang noch nicht gut verstandenen systemischen Wirkungen ist es unabdingbar, von Beginn an die Erfassung und Bewertung von verkehrlichen und darüber hinausgehenden Effekten der Automatisierung mit einzubeziehen.

Die Umsetzung wird davon profitieren, dass die Kommunen Partnerschaften pflegen. Dies betrifft zum Beispiel die Vernetzung mit Akteuren der Wirtschaft oder die Kooperation innerhalb der kommunalen Verwaltung. Besonders wichtig ist das Zusammenwirken von Verkehrsplanung und Stadtplanung. Das autonome Fahren wird nicht nur den Verkehr, sondern auch den städtischen Raum (Straßenraum, Parkraum, Siedlungsstruktur) verändern. Mehr denn je erfordert dies eine integrierte Stadt- und Verkehrsplanung.

Dirk Heinrichs

Der Autor
Prof. Dr.-Ing. habil. Dirk Heinrichs ist Abteilungsleiter Mobilität und Urbane Entwicklung im Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin