Autarke Wärmeversorgung in Malchin

Moor; Niedermoor; Mecklenburg-Vorpommern
Intakte Niedermoore sind natürliche CO2-Senken. Mecklenburg-Vorpommern will sie wieder vernässen – und Malchin sammelt damit gute Erfahrungen. Foto: Adobe Stock/Christian Schwier

Malchin verbindet Klima- und Moorbodenschutz mit der Wärmeversorgung – die 7000-Einwohner-Stadt nutzt den Aufwuchs revitalisierter Niedermoore als Energieträger für das städtische Fernwärmenetz. Bürgermeister Axel Müller erklärt das Konzept für die autarke Wärmeversorgung.

Wie ist die Idee entstanden, bei der Energieversorgung neue Wege zu gehen und unter anderem auf Biomasse zu setzen?

Axel Müller: Malchin liegt in einer langgestreckten Niedermoorsenke zwischen dem Malchiner und dem Kummerower See. Der Torfabbau hatte hier eine jahrhundertealte Tradition. Intakte Niedermoore sind jedoch natürliche CO2-Senken. Die Landesregierung verfolgt das Ziel – auch vor dem Hintergrund des Klimaschutzes –, die großen Niedermoorflächen zwischen dem Malchiner und dem Kummerower See sowie die Flächen an der Peene wieder zu vernässen und die nasse Grünlandbewirtschaftung zu fördern.
Der Wasserspiegel steigt an, und die Futtergräser werden durch Pflanzen wie Schilf, Erlen oder Nasswiesengräser verdrängt. Sie sind aufgrund ihrer holzigen Struktur zwar nicht als Futtermittel, dafür aber als Brennstoff geeignet. So entstand die Idee, diese Biomasse für die Wärmeerzeugung zu nutzen.

Wer war an dieser Entscheidungsfindung beteiligt?

Müller: Wir verdanken den Bau unseres Heizwerkes einer gemeinsamen Initiative von Wissenschaftlern der Universität Greifswald, der Stadtverwaltung und -vertretung, engagierten und interessierten Bürgern der Stadt, dem Land, unserem langjährigen Fernwärmewärmeversorger energicos und der Agrotherm GmbH als Betreiber und Inhaber des Biomasseheizwerkes.

Der Anteil der Biowärme soll in diesem Jahr noch einmal deutlich gesteigert werden – das klingt nach einem erfolgreichen Konzept.

Müller: Der Bau dieses Heizwerkes war genau die richtige Entscheidung für Malchin. Im Laufe der inzwischen neun Betriebsjahre haben wir zusätzliche neue Technologien nachgerüstet, beispielsweise ein hocheffektives Filtersystem. Damit wird sichergestellt, dass es für Anwohner zu keinerlei Geruchsbelastung kommt. Der Betrieb der Anlage war von Anfang an wirtschaftlich. Und die jüngste Preisexplosion bei den fossilen Brennstoffen hat noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt: Zukunftsfähige Wärmeversorgung kann nur mit dem Einsatz erneuerbarer Energien gelingen. Wir konnten so den Erdgasanteil an unserer Wärmeversorgung drastisch senken. Auch die steigenden CO2-Abgaben sprechen für die Wirtschaftlichkeit dieser Lösung. Und für den Klimaschutz ist die Wärmewende ohnehin erforderlich.

Moor; Neukalen; Landwirtschaft
Heuernte im nassen Moor bei Neukalen in der Nähe von Malchin: Die wiedervernässten Flächen werden weiterhin landwirtschaftlich genutzt — jetzt aber mit anderen Pflanzen, die einen Beitrag zur Wärmeerzeugung leisten. Foto: Wendelin Wichtmann

Welche Erfahrungen machen Sie im Bereich der Lieferanten und Verträge?

Müller: Die Pflanzen aus unserem Niedermoor, die als Rohstoff oder Energieträger dienen, stehen in ausreichender Menge zur Verfügung. Bei Bedarfsspitzen nutzen wir ergänzend Holzhackschnitzel. Hier setzen wir auf lokale und regionale Zulieferer und haben uns mit der Zeit ein dichtes und sehr zuverlässiges Lieferantennetz aufgebaut.

Würden Sie mit Ihren heutigen Erfahrungen die Anlage anders konzipieren?

Müller: Grundsätzlich würden wir die Anlage heute wieder so bauen. Kommunen, die über Niedermoorflächen verfügen, sollten allerdings beachten, dass dieser Brennstoff besondere Anforderungen an die Verbrennungstechnik stellt. Das führt zu höheren Planungs-, Genehmigungs-, Investitions- und Personalkosten gegenüber einer herkömmlichen Anlage. Wir haben seit Betriebsbeginn 2016 eine steile Lernkurve durchlebt und würden die eine oder andere Komponente heute anders verbauen – Stichwort Feuerrostlänge. In jedem Fall braucht man einen erfahrenen Partner an der Seite, das war in unserem Fall die Agrotherm GmbH.

See; Malchiner See; Sonnenuntergang; Schilf
Wunderbare Natur – und mehr: Flächen um den Malchiner See spielen eine wichtige Rolle für die lokale Wärmewende. Fotos: Adobe Stock/tilody16

Aktuell steigern Sie den Biomasseanteil an der städtischen Wärmeenergie von 25 auf 75 Prozent. Reichen die Pflanzen aus den Moorgebieten dafür aus?

Müller: Wir haben bereits 2021 mit unserem Fernwärmeversorger über die Verlängerung und Anpassung unseres Fernwärmeliefervertrages gesprochen, mit dem Ziel, die angekündigte CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe im Interesse unserer Kunden so gering wie möglich zu halten. Da wir über die notwendigen Flächen für die Bereitstellung der Biomasse wie auch die notwendigen Kapazitäten in unserem Biomasseheizwerk verfügen, klappt die Umstellung seit dem 1. Januar 2023 problemlos. Perspektivisch wollen wir den Erdgasanteil weiter verringern. Flächen zur Gewinnung von Biomasse zur energetischen Verwendung gibt es mehr als genug: In einem Umkreis von 20 Kilometern um die Stadt Malchin existieren fast 4600 Hektar Niedermoorflächen.


Online

Weitere Informationen zu Bioenergiedörfern gibt es hier:

https://mediathek.fnr.de/broschuren/bioenergie/bioenergie-kommunen.html


Interview: Nicole Paul


Zu den Personen

Axel Müller (CDU) ist seit November 2015 Bürgermeister der Kleinstadt Malchin (7000 Einwohner) in Mecklenburg-Vorpommern.

Nicole Paul ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) in Gülzow.