Attraktiver Nahverkehr für alle – auch auf dem Land

Der ÖPNV ist Teil der Daseinsvorsorge und muss kommunale Pflichtaufgabe sein – das ist das Credo des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland. Das heißt: attraktive Angebote nicht nur in städtischen Regionen, sondern insbesondere auch Nahverkehr auf dem Land fördern, damit mehr Bus und Bahn statt Autos genutzt werden.

Nahverkehr auf dem Land
Nach der Pandemie sind die Fahrgäste zurück – aus Verbandssicht bleibt aber noch viel zu tun. Insbesondere der Nahverkehr auf dem Land muss ausgebaut werden. Foto: Adobe Stock/dizfoto1973

Mit dem 9-Euro-Ticket ist 2022 etwas ins Rollen gekommen. Menschen, die es sich vorher nicht vorstellen oder leisten konnten, fuhren Bus und Bahn. Plötzlich wurde das ganze Potenzial des ÖPNV sichtbar. Überfüllte Züge und genervte Pendler zeigten aber ebenso deutlich bestehende Probleme auf.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 doppelt so viele Fahrgäste auf die Schiene zu bekommen, und auch die Zahl der Fahrgäste im ÖPNV soll deutlich steigen. Um das zu erreichen, müssen Bund und Länder mehr investieren. Nur so können sie den Bestand erhalten, die Preissteigerungen auffangen und mehr Busse und Bahnen fahren lassen.

Geringe gesellschaftliche Kosten durch den Nahverkehr

Dass sich das lohnt, hat im April 2024 eine Studie gezeigt, die vom ökologischen Verkehrsclub VCD, der Klima-Allianz und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) beauftragt wurde: „MIV und ÖPNV im Kostenvergleich“. Fast 96 Prozent der gesellschaftlichen Kosten im Verkehr gehen auf das Auto zurück. Das entspricht rund 104 Milliarden Euro. Steuern und Bußgelder decken diese Kosten nur teilweise. Mehr als die Hälfte der gesellschaftlichen Kosten werden von der Allgemeinheit getragen, also auch von Menschen, die selbst kein Auto nutzen.

Schon die Verlagerung von zehn Prozent der Autofahrten auf öffentliche Verkehrsmittel hätte einen großen Effekt: Damit würden im Jahr knapp sechs Millionen Tonnen CO2 weniger in unsere Atmosphäre gelangen. Gleichzeitig würden die gesellschaftlichen Kosten um rund 17 Prozent sinken. Umgerechnet würden wir als Gesellschaft jährlich 19 Milliarden Euro sparen.

Zurzeit können viele Menschen nicht frei wählen, wie sie mobil sein wollen. Gerade im ländlichen Raum gibt es zahlreiche Orte, in denen Bus und Bahn zu selten oder nur als Schülerverkehr fahren – oder auch gar nicht. Zudem sind die Fahrpläne häufig nicht gut aufeinander abgestimmt. Lange Wartezeiten auf den Anschluss schrecken viele Menschen ab.

Forderung nach ausreichend Angeboten im Nahverkehr auch auf dem Land

Der VCD fordert daher eine Mobilitätsgarantie. Für den ÖPNV bedeutet dies unter anderem: In allen Orten ab 200 Einwohnerinnen und Einwohnern muss es ein Angebot mit öffentlichen Verkehrsmitteln geben, mit dem man mindestens einmal pro Stunde bis zum nächsten Mittel- oder Oberzentrum kommt. In kleineren Ortschaften sowie in Schwachlastzeiten können auch alternative Bedienformen – zum Beispiel Rufbus oder on demand-Ridesharing – eingesetzt werden.

Außerdem darf der Weg zur Haltestelle nicht zu weit sein, und es braucht eine zuverlässige Gewährleistung des Angebots von früh morgens bis spät abends. Ebenfalls wichtig ist, dass die Verbindungen nicht zu umständlich sind. Konkret fordert der VCD, dass man mit maximal einmal Umsteigen zum nächsten Mittel- oder Oberzentrum kommt.

Was ist der Nahverkehr wert?

Das 49-Euro-Ticket ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die drohende Preiserhöhung offenbart, dass die Strukturen für einen stabilen Preis nicht ausreichen. Der VCD hat eine Petition für den Erhalt des 49-Euro-Tickets zum aktuellen Preis gestartet. Nur so wird man mehr Menschen dazu bewegen, das Ticket zu abonnieren. Diskussionen über höhere Preise schrecken ab und sind auch kein Anreiz für Arbeitgeber, das Ticket als Jobticket anzubieten.

Derweil steht jedoch der von Bundesregierung und Landesregierungen angekündigte Ausbau- und Modernisierungspakt (AMP) für den ÖPNV auf dem Abstellgleis. Wie der AMP finanziert werden soll, ist unklar und zwischen Bund und Ländern hoch umstritten. Damit ist die Frage offen, ob es überhaupt mehr Geld für den ÖPNV und seinen Ausbau gibt.

Aufgrund der aktuellen Preissteigerungen drohen Landesverkehrsministerien damit, Angebote zu reduzieren. Das wäre ein dramatischer Rückschritt für den ÖPNV und für die Menschen, die kein eigenes Auto haben oder wollen.

Nahverkehr auf dem Land
Der Nahverkehr aufm dem Land auf dem Abstellgleis? Das sollte aus Verbandssicht gerade nicht sein: Der VCD plädiert für eine Mobilitätsgarantie für alle, die kein Auto haben oder es nicht immer nutzen wollen. Foto: Adobe Stock/Enrico Obergefäll

Neue Akzente bei der Infrastruktur

Für den VCD ist der ÖPNV Teil der Daseinsvorsorge und muss zur kommunalen Pflichtaufgabe werden. Selbstverständlich braucht es dafür eine entsprechende Finanzierung. Wir schlagen vor, im Gegenzug umweltschädliche Subventionen abzubauen. Bei Straßen und Brücken sollte die Politik sich auf deren Sanierung und Erhalt konzentrieren. Der Straßenneu- und -ausbau ist in Zeiten knapper Kassen in einem Land mit dem dichtesten Straßennetz in Europa nicht die dringendste Priorität.

Insgesamt zeigen die Untersuchungen zur Haltestellendichte des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), dass regional sehr unterschiedlich in die ÖPNV-Anbindung investiert wird. Gerade dort, wo die nächste Haltestelle mehr als einen Kilometer entfernt ist, gibt es viel Nachholbedarf.

Gemeinsam für den Nahverkehr

Auch der Personalmangel stellt ein großes Problem für den ÖPNV dar. Allzu oft kommt es zu Ausfällen und Verspätungen durch zu wenig Fachpersonal. Umso mehr müssen Bund, Länder und Kommunen jetzt an Lösungen arbeiten, um mehr Busse und Bahnen bereit zu stellen.

Wir hoffen, dass der Mehrwert des öffentlichen Personennahverkehrs endlich erkannt wird und sein Erhalt und Ausbau nicht mehr nach Kassenlage geschieht, sondern als Teil der Daseinsvorsorge gesehen wird. Bund, Länder und Kommunen müssen dafür an einem Strang ziehen.


Der Autor

Alexander Kaas Elias ist Sprecher für Bahnverkehr beim ökologischen
Verkehrsclub VCD e.V.


Alexander Kaas Elias

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