Die Anwendbarkeit der EuGH-Rechtsprechung zur Dauer der Nachprüfungsfristen ist bei deutschen Vergabekammern umstritten. (VK Bund vom 5. März 2010 – AZ VK 1-16/10; VK Hamburg vom 7. April 2010 – AZ VK BSU 2/10 und VK BSU 3/10)
Auch in Deutschland gibt es Fristenregelungen, um Auftraggebern schnell Rechtssicherheit zu verschaffen. Nach Paragraf 107 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetztes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) muss ein Bieter vermeintliche Vergabefehler sofort rügen. Ansonsten kann er diese Fehler im Nachprüfverfahren nicht mehr geltend machen. Wann genau eine Rüge „unverzüglich“ ist, ergibt sich aus dem Gesetz nicht.
Dennoch ist die Ausschlussfrist für Bieter ausreichend vorhersehbar, so die VK Bund. „Unverzüglich“ bedeutet nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) „ohne schuldhaftes Zögern“. Die Rechtsprechung hat dies in zahlreichen Entscheidungen dahin konkretisiert, dass im Regelfall ein bis drei Tage noch als unverzüglich gelten, bei großen Vergabeverfahren sogar bis zu zwei Wochen.
Demgegenüber hält die VK Hamburg das EuGH-Urteil sehr wohl auf die deutsche Regelung zur Rügepräklusion für anwendbar. Anders als die VK Bund sieht sich die VK Hamburg durch die Rechtsprechung des EuGH gehindert, die Vorschrift des Paragrafen 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB anzuwenden. Auch für eine europarechtskonforme Auslegung des Begriffes der Unverzüglichkeit sieht die VK Hamburg keinen Raum.
Ute Jasper / Jan Seidel