An der Quelle ansetzen

Technische Verbesserungen allein reichen nicht, um den Straßenverkehrslärm deutlich zu reduzieren. Erforderlich ist vielmehr die Kombination von ambitionierten politischen Rahmenbedingungen, Bemühungen durch die Autohersteller und auch die Förderung des Rad- und öffentlichen Verkehrs in den Kommunen.

Verkehr ist die Lärmquelle Nummer eins. Ihn zu reduzieren, ist ein wichtiges Ziel einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik. Denn Menschen müssen vor krankmachendem Verkehrslärm geschützt werden. Rund 60 Prozent der deutschen Bevölkerung sind heute von Verkehrslärm betroffen, der Großteil von urbanem Straßenverkehr. Die Folgen: Die Lebensqualität wird herabgesetzt, es werden häufiger Fehler gemacht, die Leistungsfähigkeit sinkt und dauerhaft – macht Lärm krank. Doch so groß wie das Wissen um das Lärmproblem ist, so schwer tun sich Politik und Unternehmen, alle Möglichkeiten der Lärmreduzierung auszuschöpfen. Vor allem fehlt immer noch ein umfassender, verkehrsträgerübergreifender Ansatz.

In der Vergangenheit wurde vorrangig versucht, den Lärm mittels Lärmschutzfenstern, -wällen und -wänden auszusperren. Die Strategie des passiven Lärmschutzes ist jedoch nur der drittbeste Weg und nur dort zu empfehlen, wo Verkehr gar nicht anders reduziert werden kann, weil zum Beispiel mehrere Lärmquellen parallel auftreten. Meterhohe Wände machen das Leben in den Straßen nicht attraktiver. Und Lärm bekämpft man auch besser dort, wo er entsteht – am Fahrzeug und auf der Fahrbahn.

Lärmcent gefordert

Zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen schlägt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) die Einführung eines zweckgebundenen „Lärmcents“ als Aufschlag zur Mineralölsteuer oder auf die Lkw-Maut vor. Auf diese Weise würden insbesondere diejenigen einen Beitrag leisten, die für die Verlärmung verantwortlich sind. Zusätzlich würde eine langfristig gesicherte Finanzierung für Lärmschutzmaßnahmen etabliert werden. Der „Lärmcent würde damit auch jene Kommunen entlasten, für die es ein Kraftakt ist, zusätzliche Mittel für den Lärmschutz bereitzustellen.

Im Bereich der Straßenfahrzeuge ist jedoch in Summe in den nächsten Jahren keine merkliche Minderung zu erwarten. Die neuen Grenzwertsetzungen in der Europäischen Union für Reifen wie für Autos sind nicht zuletzt wegen des Lobbydrucks der Automobilindustrie weit hinter dem zurückstehend, was heute bereits technisch machbar wie sinnvoll wäre. So dürfen leistungsstarke Pkw in den nächsten Jahren sogar um bis zu 3 dB(A) lauter sein als bisher und müssen erst ab dem Jahr 2026 wieder das Lärmniveau heutiger Fahrzeuge erreichen. Und das Elektroauto? Auch wenn die Erwartungen hier hoch sind, es wird in den kommenden Jahren nach Untersuchungen des Umweltbundesamtes keine hörbare Lärmentlastung auf der Straße bringen.

Mehr möglich wäre da durch lärmmindernde Fahrbahnbeläge – aber diese sind wiederum teurer und halten zum Teil auch nicht so lange wie konventionelle Beläge. Angesichts der Knappheit finanzieller Ressourcen – insbesondere in den Kommunen – werden auch diese technischen Maßnahmen wenig Linderung versprechen. Das sollten Politik und Industrie erkennen und sich nicht mehr allein auf technische Maßnahmen konzentrieren.

Zukunftsfähige Mobilität

Der zweite ausschlaggebender Punkt dafür, dass technische Maßnahmen nicht die zentrale Lösung darstellen, steht im Zusammenhang mit dem Verkehrsaufkommen. In unseren Städten wird sich dieses auch in den kommenden Jahren nicht reduzieren. Im Gegenteil, es wird weiter zunehmen und somit den technischen Fortschritten immer wieder Grenzen aufzeigen. Die Folge: Auch wenn einzelne Fahrzeuge leiser werden, findet durch immer mehr Autos und Lkw keine wirkliche Reduktion des Verkehrslärms statt.

Am wirkungsvollsten ist es somit, die Ursachen des Verkehrslärms zu minimieren. Darum müssen verstärkt nichttechnische Instrumente wie die Verkehrsvermeidung und -verlagerung auf lärmarme Verkehrsmittel und die Verkehrsberuhigung geplant und umgesetzt werden. Denn Fakt ist: Bester Lärmschutz ist Lärm, der gar nicht entsteht. Wird der Verkehr auf einer gut befahrenen Straße beispielsweise um die Hälfte reduziert, dann sinkt der Schalldruckpegel um 3 dB (A). Das entspricht einer deutlich spürbaren Lärmentlastung.

Eine nach Lärmgesichtspunkten ausgerichtete Stadt- und Raumplanung ist Grundvoraussetzung für eine leise und zukunftsfähige Mobilität. Die Stärkung des Rad- und Fußverkehrs und die Schaffung eines attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind dabei entscheidende Schritte. Ferner bedarf es einer stärkeren Berücksichtigung von Lärmschutz in der Verkehrsplanung, Stichworte sind hier intelligente Parkraumbewirtschaftung und neue Citylogistik-Konzepte mit Einsatz von Lastenrädern statt motorisierter Lieferfahrzeuge.

Aber wir müssen auch schon heute zur Verfügung stehende verhaltensverändernde und ordnungspolitische Instrumente konsequent einsetzen. Beispiel Tempolimits. Tempo 30 als Basisgeschwindigkeit innerorts senkt nicht nur den Lärm – und zwar ebenfalls um rund 3 Dezibel, unter anderem aufgrund des gleichmäßigeren Verkehrsflusses –, sondern reduziert zudem Schadstoffemissionen. Kommunen sollten daher für die Gestaltung des Verkehrs vor Ort mehr ordnungsrechtliche Möglichkeiten erhalten. Umgekehrt müssen die Kommunen zeitliche beziehungsweise lokal begrenzte Geschwindigkeitsreduzierungen dort einführen, wo es im Rahmen der heutigen Gesetzgebung möglich ist.

Möglichkeiten ausschöpfen

Des Weiteren muss durch stärkere Kontrolle von Fahrzeugen sicher gestellt werden, dass diese nicht lauter als erlaubt sind. Ebenso sollten zeitliche Einschränkungen zum Schutz der Ruhe, wie zum Beispiel Fahrverbote von Lkw über 3,5 Tonnen in Innenstädten – mit Ausnahme des Lieferverkehrs – häufiger eingesetzt werden. Auch hier sollten die Kommunen gegebene gesetzliche Möglichkeiten stärker ausschöpfen. In der Mobilitätserziehung und Fahrschulausbildung schließlich müssen Lärm und seine Folgen verstärkt eingebunden werden.

Technische und bauliche Verbesserungen wie auch Änderungen der Verkehrsführung bleiben ergänzend wichtig. Hier ist insbesondere die öffentliche Hand gefragt, die dazu die entsprechenden finanziellen Mittel bereitstellen muss. Und schließlich: Wie es auf unseren Straßen aussieht und wie viel Lärm Verkehr verursacht, liegt nicht zuletzt auch an uns selbst. Die Kommunen und die Politik sollten entsprechend Anreize setzen.

Michael Ziesak

Der Autor
Michael Ziesak ist Bundesvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland (VCD) mit Sitz in Berlin