Die Nachbargemeinde kann aus einem Widerspruchsrecht gegen Windenergieanlagen nicht die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für Windenergieanlagen in dieser Fläche herleiten. (VGH München vom 10. April 2017 – AZ 22 ZB 16.627)
Eine Nachbargemeinde hat in Bayern ein Widerspruchsrecht gegen Darstellungen für Windenergienutzung in einem Flächennutzungsplan der planenden Gemeinde. Das Widerspruchsrecht ist an Voraussetzungen geknüpft. Die nach dem Plan zulässigen Windenergieanlagen stehen zu den Wohngebäuden in der Nachbargemeinde in einem geringeren Abstand als dem 10-fachen der Höhe der Windkraftanlagen (sog. 10H-Regelung) oder stehen, sofern der Flächennutzungsplan diesbezüglich keine Regelungen enthält, in einen maximalen Abstand von 2000 Meter.
Diese landesspezifische Regelung (nach Art. 82 Abs. 4 Nr. 3 der Bayerischen Bauordnung, BayBauO) war Streitgegenstand des vorliegenden Falls, in dem eine Gemeinde unter Berufung auf das Widerspruchsrecht mit einer Anfechtungsklage die Aufhebung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für vier Windenergieanlagen begehrte. Die Klage wurde jedoch vom erstinstanzlichen Gericht mangels Klagebefugnis abgewiesen.
Hinsichtlich des darauf eingereichten Berufungsantrags unterstellte der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ein Widerspruchsrecht der klagenden Gemeindenach Art. 82 Abs. 4 Nr. 3 BayBauO, um anschließend festzustellen, dass die Gemeinde allein wegen der Ausübung des Widerspruchsrechts – ohne Geltendmachung eigener geschützter Belange – nicht die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verlangen könne. Denn die Ausübung des Widerspruchsrechts bewirke nur, dass die Windenergieanlagen in einem Abstand von weniger als 10H ihre bauplanungsrechtliche Privilegierung nach Paragraf 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB verlieren.
Das heißt, durch die Ausübung des Widerspruchsrechts werde lediglich der objektiv-rechtliche Zulässigkeitsmaßstab für die von der 10H-Regelung erfasste Vorhaben verändert und die Vorhaben strengeren Genehmigungsvoraussetzungen unterworfen, ohne dass diese gleichsam zwangsläufig unzulässig oder genehmigungsunfähig werden.
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs führt zu einer Bestärkung der Rechte der Genehmigungsinhaber, indem er die Reichweite und Rechtswirkungen des Widerspruchrechts nach Art. 82 Abs. 4 Nr. 3 BayBauO klarstellt.
Dana Kupke / Manuela Herms
Die Autorinnen
Dr. Dana Kupke ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht bei der Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft in Leipzig und unter anderem spezialisiert auf Fragen des Planungs-, Kommunal- und Umweltrechts. Dr. Manuela Herms ist ebenfalls Rechtsanwältin der Kanzlei am Standort Leipzig und vor allem im Energierecht tätig.