Bürgerberatung ist ein fester Bestandteil des Aufgabenspektrums der kommunalen Abfallwirtschaft. Das Informationsangebot geht längst über den Müllabfuhrkalender hinaus: Sogar mit Theaterstücken werden Bürger, Handel und Gewerbe über Optionen zur Abfallreduzierung aufgeklärt.
Die Städte, Gemeinden und Landkreise lassen sich einiges einfallen, um der Öffentlichkeit Tipps zur Müllvermeidung an die Hand zu reichen. So auch in Erkrath (rund 46.000 Einwohner) in Nordrhein-Westfalen. Helga Willmes-Sternberg vom Fachbereich Stadtplanung, Umwelt und Vermessung sagt: „Das Thema wird nicht nur ausführlich auf der städtischen Homepage oder in Broschüren und Flyern behandelt, sondern auch in Mitmach-Aktionen wie zum Beispiel dem Dreck-weg-Tag aktiv gelebt.“ Den vom Kinderparlament initiierten Dreck-weg-Tag für Schulen hat die Stadtverwaltung aufgegriffen. „Der Aktionstag zeigt, dass das Bewusstsein zur Abfallvermeidung und für ein sauberes Stadtbild in Erkrath schon im Kindesalter vermittelt wird“, freut sich die Abfallexpertin.
Zusätzlich hat sich die dauerhafte Einrichtung eines Kreativregals zum Tauschen und Teilen in der Stadtbücherei bewährt. „Außerdem engagieren sich ein Repair-Café, ein Secondhand-Warenhaus und die Tafel“, zählt Willmes-Sternberg weiter auf. Diese Einrichtungen sind zwar nicht städtisch, werden aber von der Abfallberatung kooperierend unterstützt.
Informationen in Schulen, Kindergärten und Mieterversammlungen
Bereits seit 1993 existiert in Erkrath eine städtische Abfallberatung, die seitdem schrittweise ausgebaut wird. Sie steht den Bürgern im persönlichen Gespräch, telefonisch oder digital zur Verfügung. „Auf Wunsch besucht die Abfallberatung auch Schulen, Kindergärten oder Mieterversammlungen und berät vor Ort zu bestimmten Fragen wie Möglichkeiten zur Müllentsorgung und Abfallvermeidung“, bekräftigt Willmes-Sternberg.
In den Beratungsgesprächen werde klar: Ein sauberes Stadtbild, ein guter Service auf dem Wertstoffhof und eine flächendeckende Ausstattung mit passenden Müllbehältern sind den Bürgern wichtig. „Plastik und Plastikvermeidung werden 2020 ein Schwerpunktthema sein und unter anderem über ein Kindertheaterstück, einen Zero-Waste-Workshop und eine Ausstellung kommuniziert“, erklärt Willmes-Sternberg.
Um die Bürger noch mehr für das Müllthema zu sensibilisieren, zieht die Stadt Erkrath gerne Statistiken zum Müllaufkommen und zur Recyclingquote heran. In Zahlen ausgedrückt: Das jährliche Abfallaufkommen pro Kopf im Jahr 2008 lag bei 466 Kilo, zehn Jahre später immerhin nur noch bei 441 Kilo. Die Recyclingquote in diesem Zeitraum stieg von 55,8 Prozent (2008) auf 56,9 Prozent (2018). Die Abfallberatung entwickelt derzeit strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung dieser Quote.
Stadtreiniger Kassel betreiben Servicebüros
Der kommunale Eigenbetrieb Die Stadtreiniger in Kassel (rund 205.000 Einwohner, Hessen) macht sich ebenfalls Gedanken zum Müllaufkommen. „Der Umfang der Abfallvermeidung ist fest in der Abfallwirtschaftssatzung und Gebührensatzung der Stadt verankert, was den hohen Stellenwert verdeutlicht“, betont Pressesprecherin Birgit Knebel.
Großzügig fallen in Kassel die telefonischen Servicezeiten der kommunalen Abfallberatung aus. „Wir stehen den Bürgern von Montag bis Freitag von 6.30 Uhr bis 17 Uhr telefonisch zur Verfügung. Auch das Servicebüro in der Innenstadt können Bürger nutzen, und in zwei Stadtteilen sind wir mit weiteren Beratungsbüros vor Ort“, erklärt Knebel. „Mit dem Beratungsbus sind wir auf Veranstaltungen im Einsatz und zusätzlich bieten wir eine Gewerbeabfallberatung an“, fügt sie hinzu.
Zusätzlich bieten die kommunalen Müllexperten pro Jahr rund 60 Informationsveranstaltungen für Gruppen in Kindergärten, in Schul- sowie in Vorschulklassen an. „Dabei geht es um Inhalte wie Abfallvermeidung und richtige Abfalltrennung sowie um Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für die Müllthematik“, so Knebel. „Wir bieten auch eine Abfallberatung zum abfallarmen Frühstück oder unterstützen bei der Gestaltung von Papierkörben auf dem Schulweg.“
Der Pro-Kopf-Abfall bezifferte sich im Jahr 2018 im Bereich Restabfall auf 173 Kilo pro Einwohner, Bio- und Grünabfälle machten 109 Kilo aus. Speziell beim Biomüll will die Stadt den Bürgern die Hintergründe einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft noch plakativer aufzeigen. Gelingen soll dies unter anderem mit einem neuen Infoheft und einem Filmbeitrag auf der Social-Media-Plattform Youtube.
Sonderaspekte wie der umweltgerechte Umgang mit Elektrogeräten oder Workshops zum Thema Rohstoffe werden ebenfalls bereits thematisiert. Mit der Kunstfigur Willi Wirbelwind versuchen die Abfallexperten in Kindergärten bereits die Kleinen für die Müllthematik zu sensibilisieren.
Ebenso kommuniziert wird in Kassel die landesweite Aktion „Becher-Bonus – wir machen mit!“ zur Vermeidung von To-go-Verpackungen. „Darüber hinaus unterstützen wir noch weitere Aktionen zum Upcycling oder zur Reduzierung von To-go-Verpackungen und Einwegprodukten“, bekräftigt Knebel. Im Herbst 2020 wird sich die Stadt Kassel zudem wieder an der Europäischen Woche der Abfallvermeidung beteiligen.
Repaircafé in Verden
An vielen Orten setzen Reparaturcafés ein Zeichen gegen die Wegwerfmentalität. Vier solcher ehrenamtlichen Einrichtungen gibt es im niedersächsischen Landkreis Verden (137.000 Einwohner): in der Kreisstadt Verden selbst sowie in Thedinghausen, Achim und Dörverden. Ein fünftes ist in Ottersberg geplant. In den Cafés wird „kaputten, aber durchaus noch wertvollen Dingen wie Elektrokleingeräten aus Haushalt und Garten, Computern, Fernsehern oder Radios ein zweites Leben geschenkt“, erklärt Ulf Neumann. Er arbeitet in der Pressestelle des Landratsamts im Fachdienst Kommunal- und Rechtsangelegenheiten.
Ebenfalls ein Signal gegen die Auswüchse der Wegwerfgesellschaft ist das Warenhaus „Gebrauchtmöbel … und mehr“. Die Einrichtung ist ein Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojekt des kommunalen Jobcenters im Landkreis Verden. „Die Einrichtung holt ab und nimmt gut erhaltene Gebrauchtwaren wie Möbel, Haushaltswaren, Bücher oder Spielzeug an“, sagt Neumann. „Im Gebrauchtwarenhaus wird auch repariert. Die Sachen werden zu günstigen Preisen weiterverkauft.“
Stark nachgefragt wird laut Neumann auch das Beratungsangebot zur Abfallberatung im Landkreis. „Die Bürger haben häufig Fragen rund um ihre Mülltonnen. Aber auch die Themen Gelber Sack, Sperrmüll, wilde Müllablagerungen, die Abfallentsorgung, die Abfalltrennung, die Wege der Abfälle oder Abfallgebühren tauchen häufiger auf.“ Bis ins Frühjahr hinein erreichen die Abfallexperten sogar witterungsbedingte Fragen wie zum Beispiel „Wie gehe ich mit Frost in den Tonnen um?“.
Andreas Scholz
Der Autor
Andreas Scholz, Schwäbisch Hall, ist freier Journalist