Zählung im Saal

„Anwesend“ ist, wer sich im Augenblick der Antragstellung auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit im Sitzungssaal aufhält und in die Zählung einbezogen wird. (VGH Kassel vom 27. Mai 2010 – AZ 8 A 1079/09)

Durch verschiedene Vorschriften wird festgelegt, wie viele Mitglieder eines Rates, eines Ratsausschusses oder auch eines Aufsichtsrates für die Beschlussfähigkeit des jeweiligen Gremiums anwesend sein müssen. Durch diese Regelungen soll  eine ordnungsgemäße Beschlussfassung gewährleistet sein. Die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit eines solchen Gremiums entfällt, wenn mehrere Mitglieder den Sitzungssaal verlassen, die Beschlussfähigkeit durch die verbleibenden Mitglieder nicht mehr gewahrt bleibt und letztlich die Beschlussunfähigkeit festgestellt wird.

Jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder des Gremiums verpflichtet sind, an der Sitzung von Anfang bis zum Ende teilzunehmen. So kann ein Mitglied einen Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit stellen und dann vor Beginn der Zählung der Anwesenden den Sitzungsraum verlassen, damit tatsächlich die Beschlussfähigkeit nicht mehr gegeben ist.

Der Vorsitzende ist nicht verpflichtet, dem Antragsteller das Ausscheiden aus der Sitzung zunächst zu ermöglichen, um dann die Zahl der noch Anwesenden festzustellen. Es ist kein legitimes Recht des Mitglieds, durch Verlassen der Sitzung und Stellung des Feststellungsantrags aus Gründen politischer Opportunität oder nach eigenem Verständnis zum Wohle der Gemeinde die Beschlussfähigkeit zu verhindern.

Wenn das Ausziehen aus dem Sitzungssaal rechtsmissbräuchlich ist, kann ein solcher möglicher Pflichtverstoß zwar Sanktionen nach sich ziehen, er ändert andererseits aber nichts daran, dass eine Situation eingetreten ist, in der eine rechtmäßige Willensbildung mangels ausreichender Repräsentation durch Stimmberechtigte nicht mehr möglich ist. Man kann es allerdings dem Mitglied eines Gremiums nicht verwehren, an der Abstimmung über bestimmte Angelegenheiten auch aus Gründen unterhalb der Schwelle der Befangenheit nicht teilnehmen zu wollen.

Franz Otto