Windenergie und Denkmalschutz: Kompromiss für Pfaffenwinkel mit Weltkulturerbe Wieskirche

Eine Bürgerinitiative setzt sich für Windenergieanlagen in Oberbayern ein – und das in der Nähe der berühmten Wallfahrtskirche Wieskirche: Diese Mischung hat die UNESCO ebenso auf den Plan gerufen wie den Bürgermeister. Ein Kompromiss zwischen Windenergie und Denkmalschutz, in den alle Seiten eingebunden sind, ist in unmittelbarer Sichtweite.

Wieskirche in Pfaffenwinkel. Hier sollen Windenergie und Denkmalschutz zusammen gedacht werden.
Die berühmte Wieskirche mit den Allgäuer Bergen im Hintergrund: Dürfen im Umfeld von Natur- und Kultureinheit Windenergieanlagen errichtet werden? Nun ist ein Kompromiss zwischen Windenergie und Denkmalschutz in Sicht. Foto: Katholische Kirchenstiftung St. Josef

Peiting im Landkreis Weilheim-Schongau ist eine Pioniergemeinde beim Thema Windkraft: Seit 20 Jahren steht hier eines der ersten Windräder Oberbayerns. 2013 unternahm die Initiative „Bürgerwind Pfaffenwinkel“ den Versuch, drei weitere Windenergieanlagen auf dem Gemeindegebiet zu errichten.

Auch wenn der geplante Standort nur rund zehn Kilometer von der weltbekannten Wieskirche entfernt liegt, wurde das Ansinnen für machbar gehalten. Denn zwischen Kirche und Standort befindet sich eine Anhöhe: der Ilchberg, der auch bei 240 Meter Anlagenhöhe keine direkte Sichtverbindung zwischen Windrad und Kirche zulässt. Nachdem ein Teilflächennutzungsplan erstellt war, gab es aber doch Widerstand. Nicht etwa von besorgten Einwohnern, sondern – etwas unerwartet – von der UNESCO. Die Wieskirche genießt seit 1983 den Status eines „Weltkulturerbes“, und das Aufstellen von Windrädern in der Umgebung der Wieskirche sah die UNESCO mit diesem Status nicht vereinbar.

Sie betrachtet nicht nur das Bauwerk als schützenswertes Kulturerbe, sondern ebenso die Einheit von Kirche und der sie umgebenden Landschaft. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Wieskirche ein bedeutender Wallfahrtsort ist, zu dem aus allen Himmelsrichtungen zahlreiche historische Pilgerwege führen. Es gilt daher, die spirituelle Wirkung von Kirche und Landschaft auch entlang der Pilgerwege zu erhalten.

Das Gesamtbild rund um die Wieskirche muss stimmen

Aus diesem Grund hat die UNESCO die gesamte Region „Pfaffenwinkel“ unter besonderen Schutz gestellt. Wenn hier etwas errichtet werden soll, muss mit einem schematisierten Prüfverfahren, einem sogenannten „Heritage Impact Assessment“ (HIA), nachgewiesen werden, dass der Bau unschädlich für die Wirkung des Weltkulturerbes ist.

Die Windradinitiatoren sahen das pauschale Windkraftverbot im ganzen „Pfaffenwinkel“, der praktisch den gesamten Landkreis abdeckt, zwar als zu streng an – unter anderem, weil sich die Wieskirche am südlichen und der Standort für die Windräder am nördlichen Rand der Region befinden. Sie sahen aber von einem HIA ab, nicht zuletzt wegen der Kosten und des unsicheren Ausgangs einer solchen Untersuchung.

„Kommunales Denkmalkonzept“ für die Wieskirche

Peter Ostenrieder (CSU), der 2020 neu gewählte Bürgermeister von Peiting, wollte es aber genau wissen – und hat es geschafft, für die Wieskirche ein „Kommunales Denkmalkonzept“ (KDK) zu initiieren. Dieses Planungsinstrument unterstützt bayerische Kommunen dabei, die Anforderungen des Denkmalschutzes bei der Ortsentwicklung proaktiv einfließen zu lassen.

Die Untersuchungen eines KDK sind so umfassend, dass damit auch die Anforderungen der UNESCO an ein HIA abgedeckt werden. Wegen des Modellcharakters der Angelegenheit war das Landesamt für Denkmalpflege bereit, einen Großteil der Kosten zu übernehmen.

Im Rahmen des Kommunalen Denkmalkonzepts wurde im Umfeld der Wieskirche akribisch erfasst, welche Elemente – Landschafts- und Kulturdenkmäler – die besondere visuelle und spirituelle Wirkung der Region ausmachen und auf welche Flächen diese Wirkung eingegrenzt werden kann. Weiter wurde anhand topographischer Daten und Begehungen ermittelt, wo Pilgerpfade zu berücksichtigen sind und wo – unabhängig davon – Sichtverbindungen zur Kirche bestehen und wo nicht: bis zu einer Höhe von 240 Metern und darüber.

Windenergieanlagen in einer geschützten Kulturlandschaft.
Windenergieanlagen sind immer wieder Stein des Anstoßes – unter anderem, weil sie Landschaftsbilder und Kulturerbe stören könnten. Der Pfaffenwinkel zeigt, wie sich Lösungen finden lassen und Windenergie und Denkmalschutz vereinbar werden. Foto: Adobe Stock/Peter Oetelshofen

Vereinbarkeit von Technik und Kultur

Um zu berücksichtigen, dass die Wirkung von Bauwerken auf das Weltkulturerbe mit zunehmendem Abstand nachlässt, wurden für die Umgebung der Wieskirche drei Abstandszonen definiert: eine Kernzone mit einem Radius von zweieinhalb Kilometern um die Kirche, die wegen der Nähe grundsätzlich nicht für Windräder geeignet ist; eine mittlere Zone mit bis zu zehn Kilometern Radius, in der Windräder nur ohne Sichtverbindung und mit positivem HIA denkbar sind; und eine äußere Zone mit bis zu 16 Kilometern Radius, die Windräder ohne Sichtverbindung grundsätzlich zulässt.

Die Erstellung des KDK nahm über ein Jahr in Anspruch. Ein „Runder Tisch“ hat sie begleitet. An diesem haben unter anderem das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, der Landkreis, betroffene Gemeinden, Gutachter und Vertreter der UNESCO teilgenommen. Auch die Öffentlichkeit wurde an dem Prozess beteiligt.

Endgültiges Ergebnis um den Streitpunkt Windenergie und Denkmalschutz steht noch aus

Das Untersuchungsergebnis: Im Abstand von mehr als zehn Kilometern sind einige Standorte für Windräder geeignet, unter anderem auch der für die geplante Peitinger Anlage, sofern das HIA die Verträglichkeit bestätigt. Dieses letzte Modul des kommunalen Denkmalkonzepts wird demnächst veröffentlicht.

Bürgermeister Peter Ostenrieder geht davon aus, dass das HIA positiv ausfallen und auch von der UNESCO mitgetragen wird. „Für mich und auch den Markt Peiting als Auftraggeber ist der größte Erfolg an dem Kommunalen Denkmalkonzept, dass die Vereinbarkeit von Kulturerbe und zukunftsfähiger Entwicklung in einer Region jetzt wissenschaftlich definiert und festgeschrieben werden konnte. Somit hat jeder gewonnen: Denkmalschutz, Traditionspflege und Modernisierung gleichzeitig. Besser geht’s nicht.“                  


Der Autor

Thomas Wiedemann ist Mediator bei Ponschab + Partner und Berater bei kommunalen Konflikten.


Thomas Wiedemann

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