Die Kommunen stehen durch Wetterextreme in ihrer städtebaulichen Entwicklung vor großen Herausforderungen. Klimaanpassung ist das Gebot der Zeit. Die Maßnahmen zum Ausbau der blau-grünen Infrastruktur sind bekannt und erprobt. Was oft noch fehlt, ist die strategische Planung und Umsetzung.
Der Klimawandel bringt Wetterextreme wie Hitze- und Trockenperioden oder Starkregenereignisse mit sich, die in vielen Städten in der letzten Dekade spürbar zugenommen haben und nun manche Städte vor ein wiederkehrendes Krisenmanagement stellen. Der Trend zur Urbanisierung führt die Städte weiterhin in die Nachverdichtung und Flächenversiegelung, wodurch Raum für Retention und Speicherung von Wasser verschwindet, oder nächtliche Abkühlungsprozesse sowie Kaltluftschneisen beeinträchtigt werden. Diese Situation erfordert es, konsequent Klimafolgen bei städtebaulichen Entwicklungen frühzeitig in die Planung einzubeziehen. Zu oft fehlt es dabei aber noch zu oft an den richtigen Planungsprozessen, dem entsprechenden Wissen und der Verschiebung von Finanzmitteln von der grauen zur grünen Infrastruktur.
Warum kann das Konzept der blau-grünen Infrastruktur eine Lösung für die auf uns zukommenden Klimaprobleme sein? Zuallererst steht die Erkenntnis, dass unsere Grün- und Freiflächen nicht nur Zier und im Zweifelsfalle verfügbare Potenzialfläche für alle möglichen Zwecke sind, sondern explizit Funktionen übernehmen, die auch nicht anderweitig ersetzt werden können. Im Zuge der Urbanisierung und des sich ändernden Klimas werden Freiräume, Grünflächen, Wasserflächen und auch Straßen immer stärker zu notwendigen, multifunktional belegbaren Managementflächen für zu viel Wasser oder zu viel Hitze. Die Dimensionen, die diese Flächen zum Umgang mit veränderten Wetterbedingungen zur Verfügung stellen, müssen dabei immer als Ergänzung und Erweiterung der vorhandenen Infrastruktur (z. B. Kanalisation) gesehen werden.
Maßnahmen vernetzen
Das impliziert, das blau-grüne Infrastruktur ein konsequent dezentrales System ist, das vom Gebäude bis zum Stadt- und Landschaftsmaßstab Maßnahmen integriert, die zum Beispiel hydraulische Funktionen mit Begrünungsstrategien kombinieren. Das Stärken der vorhandenen Ökosysteme durch quasi-natürliche Prozesse, die in allen baulichen Entwicklungen integriert werden müssen, hilft anpassungsfähige und resiliente Systeme zu entwickeln. Die Maßnahmen wie zum die Entwicklung und Nutzung von Grünflächen für den Regenrückhalt oder auch die Dachbegrünung sind bekannt und getestet. Schwierig bleibt das Denken und Handeln in ganzheitlichen Strategien, die durchgehalten werden.
Um Anwendung und Umsetzung dieser Maßnahmen nicht mehr nur den Ambitionen oder gefühlten Verantwortlichkeit der Projektbeteiligten, sprich dem Zufall zu überlassen, braucht es verbindliche und quantifizierbare Zielvorgaben. Aufbauend auf den derzeit entstehenden Starkregengefahrenkarten muss ein Maßnahmenplan entwickelt werden, der rechtliche Wirksamkeit für das Bebauungsplanverfahren erreicht. Und es müssen Verfahren angewendet werden, die frühzeitig alle wesentlichen Planungs- und Entscheidungsträger mit einbeziehen.
Ein entsprechendes Planungsformat wurde im Forschungsprojekt KURAS (Konzepte für urbane Regenwasserbewirtschaftung und Abwassersysteme) entwickelt. Dabei werden frühzeitig blau-grüne Planungsziele definiert und Maßnahmen ausgewählt. Das Ziel ist ein transparenter Entscheidungsprozess, der sehr früh die qualitativen, quantitativen und monetären Effekte aufzeigt und darauf gestützt informierte Entscheidungen ermöglicht.
Kopenhagen plant im Großmaßstab
Im Folgenden wird der Wokenbruchmasterplan der dänischen Hauptstadt Kopenhagen (rund 600.000 Einwohner) vorgestellt. Das Hauptziel des Projektes war, einen Starkregenmasterplan für die von extremen Regenereignissen gebeutelte Stadt zu entwickeln. Dazu wurde die Idee ausgearbeitet, alle nicht zwingend benötigten Flächen, die gefahrfrei überflutet werden können als Flutkorridore (im Wesentlichen Nebenstraßen) oder Retentionsflächen (vor allem Grün- und Wasserflächen) temporär zu verwenden. Dadurch wird sehr viel Wassermanagementvolumen gewonnen, um Extremereignisse schadfrei bewältigen zu können. Ein weiteres wichtiges Ziel ist es darüber hinaus, 30 Prozent des Regenwassers aus der unterirdischen Infrastruktur herauszuhalten und dezentral zu bewirtschaften.
Aus diesen Vorgaben entstand ein Regenwassermasterplan für 35 Quadratkilometer Stadtgebiet, der genaue Angaben für jede Straße und jede Freifläche macht, wie viel zurückzuhaltendes Speichervolumen oder abzuleitende Wassermengen (Liter pro Sekunde) bei Umbaumaßnahmen eingeplant werden müssen.
Kopenhagen hat diesen Wassermasterplan als rechtlich gültige Planungsvorgabe bereits etabliert. Sicherlich entscheidend für die breite Akzeptanz der Strategie in der Bevölkerung ist die Möglichkeit, den technischen Umbau für eine qualitative Verbesserung der Lebensqualität zu nutzen. Mehr Grün, noch mehr Fahrradwege, Mobilitätsstationen, Bäume oder Kühleinseln für heiße Sommer sowie viele andere Maßnahmen können damit umgesetzt werden.
Der Masterplan ist darauf ausgelegt, dass der Niederschlag eines 100-jährigen Regenereignisses schadfrei abgeleitet werden kann. Straßen sind auf einer Länge von etwa 30 Kilometer als „Retention-Boulevards“ ausgewiesen, die bei Bedarf bis zu einem Überstau von maximal zehn Zentimeter geflutet werden. 75 Kilometer sind als „Green Streets“ sowie 500 000 Quadratmeter Grünflächen sind für den Regenrückhalt vorgesehen. Durch das Regenwassermanagement wird die Kanalisation der Stadt jährlich um rund 1,5 Millionen Kubikmeter Regenwasser entlastet.
Die Umsetzung des Starkregenmasterplans erfordert Investitionen von rund 500 Millionen Euro. Die Finanzierung erfolgt durch die Erhöhung des Wasserpreises sowie eine Klimasteuer. Erste Projekte befinden sich in der Umsetzung.
Gerhard Hauber
Der Autor
Gerhard Hauber ist geschäftsführender Partner des Ramboll Studio Dreiseitl in Überlingen