Bei den Kommunalverwaltungen spielt das Leben, sagt Dr. Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, und rechnet den Rathäusern gute Chancen im Kampf um die besten Köpfe zu. Im Interview mit der Redaktion erklärt er, was der öffentliche Dienst Arbeitnehmern bietet.
Herr Dr. Böhle, welches sind aus Ihrer Sicht die aktuellen und künftigen Herausforderungen für den öffentlichen Dienst, und hier insbesondere für die Kommunen, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Personalpolitik?
Böhle: Angesichts des demografischen Wandels, der auf uns zukommenden Pensionierungswelle und des Fachkräftemangels stehen wir vor der Aufgabe, weiterhin kontinuierlich Personal aufzubauen – wobei die Beschäftigtenzahlen bereits seit zehn Jahren durchgehend wachsen. Arbeiteten 2007 noch rund 1,98 Millionen Menschen bei kommunalen Arbeitgebern im Tarifbereich der VKA, waren es im vergangenen Jahr bereits 2,19 Millionen. Aber: Der beständige Zulauf von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist für den öffentlichen Dienst nicht selbstverständlich. Wir haben es in vielen Bereichen nicht mehr mit einem Arbeitgebermarkt, sondern mit einem Bewerbermarkt zu tun. Und den Fachkräftemangel bekommen alle Arbeitgeber zu spüren. Spezialisten in der Automobilbranche, in Bereichen der Ingenieurswissenschaften, der Informations- und Kommunikationstechnologie, Ärzte, aber auch Mitarbeiter in den klassischen Verwaltungsberufen sind Mangelware. Für die Personalpolitik bedeutet dies, dass die Personalgewinnung, die Personalbindung und die Personalentwicklung eine immer wichtigere Rolle spielen.
Wie ist der öffentliche Dienst als Arbeitgeber im Kampf um die besten Köpfe aufgestellt?
Böhle: Eine Tätigkeit hier ist gerade für junge Menschen durchaus interessant. Der öffentliche Dienst befindet sich seit Jahren in einem Prozess der Umstrukturierung und Modernisierung. Es geht um mehr Bürgernähe und Serviceorientierung, um Kostensenkung und Optimierung der öffentlichen Leistungen. Dienst nach Vorschrift und das Stempelkissen als Mittelpunkt des Berufslebens, fortwährendes Aktenstapeln und eine Ansammlung von Routineaufgaben – das sind verstaubte Klischees, die mit der Realität kaum Berührungspunkte haben. Bei gerade einmal zehn Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst handelt es sich um klassische Verwaltungspositionen.
Wie sehen die neuen, interessanten Jobs im Rathaus aus?
Böhle: Es gibt etliche neue Stellenprofile wie den Socialmedia-Manager, den Web-Redakteur und IT-Spezialisten oder den Gesundheitsmanager. Bei den Kommunalverwaltungen spielt das Leben. Es geht um die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger, um Aufgaben mit Gemeinwohlorientierung, die Sinn stiften – mit Gestaltungsspielräumen und Arbeitsplatzsicherheit. Das sind herausragende Alleinstellungsmerkmale, mit denen jede Kommunalverwaltung punkten kann. Diese Vorteile gilt es klar hervorzuheben.
Wie kann der öffentliche Dienst gegenüber der freien Wirtschaft attraktiv bleiben?
Böhle: Wir müssen uns mit dem, was wir zu bieten haben, nicht verstecken. Viele kommunale Arbeitgeber bieten neben den traditionellen Aspekten Gehalt, Status und Sicherheit noch viel viel mehr: eine von fairem Umgang geprägte Organisationskultur, attraktive Fort- und Weiterbildungsangebote, gute Führung, die Förderung der Potenziale der Beschäftigten, Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten und Chancengerechtigkeit. Und genau das ist der Ansatzpunkt, um auch weiterhin die dringend benötigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von sich zu überzeugen.
Sie sagen, Karriere um jeden Preis auf Kosten von Familie und Privatleben ist ein absolutes Auslaufmodell …
Böhle: Viele Beschäftigte suchen heute ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatem, sie wollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Was uns als Arbeitgeber auszeichnet ist auch, dass wir den Menschen Planungssicherheit geben. Die Tarifbindung ist im öffentlichen Dienst hoch und gewährleistet gute Arbeitsbedingungen.
Hat der öffentliche Dienst Vorteile hinsichtlich der Mitarbeiterbindung?
Böhle: Ja, die Sicherheit des Arbeitsplatzes, das Senioritätsprinzip und die Anwartschaft auf eine vergleichsweise komfortable Altersversorgung sprechen für sich. Doch das allein reicht nicht mehr, vor allem bei jüngeren Beschäftigten. Gerade sie erwarten sich neben Anerkennung ihrer individuellen Fähigkeiten eine konkrete Karriereperspektive.
Was bedeutet das für die Arbeitgeber?
Böhle: Vom ersten Tag an die richtigen Weichen für die berufliche Entwicklung des jeweiligen Mitarbeiters zu stellen und sie, abgestimmt auf die Aufgaben und Ziele der Organisation, ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechend auszuwählen, zu fördern und einzusetzen. Ältere Mitarbeiter legen dagegen besonderen Wert auf altersgerechte Arbeitsbedingungen, die Möglichkeit, ihren Erfahrungsschatz einzubringen und auf ein von Verlässlichkeit geprägtes längerfristiges Miteinander.
Die Kommune der Zukunft zu gestalten, ist eine zentrale Aufgabe für die Rathäuser. Welche Anforderungen sind vor diesem Hintergrund an die nächste Generation von Mitarbeitern zu stellen?
Böhle: Mit einer sich verändernden, zunehmend aufs Digitale setzenden Gesellschaft werden sich auch die Arbeitsbedingungen wandeln und das bedeutet künftig insbesondere auch lebenslanges Lernen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden – wie die Beschäftigten aller Branchen in Deutschland – herausgefordert sein, sich beständig fortzubilden und weiter zu qualifizieren, gegebenenfalls auch weit über den Bereich des eigentlich erlernten Berufes hinaus. Das erfordert die Bereitschaft, sich auf technische Neuerungen einzulassen. Es ist absehbar, dass es zunehmend höherwertige Aufgaben geben wird. Für diese müssen die Beschäftigten fit gemacht werden. Und neben faktischem Wissen werden soziale Kompetenzen wichtiger werden, das konstruktive Arbeiten in Teams, hohe Flexibilität und die Fähigkeit, sich selbst zu managen. Denn Digitalisierung bedeutet auch mehr Agilität.
Interview: Wolfram Markus
Zur Person: Dr. Thomas Böhle (Jg. 1953) hat Rechtswissenschaften und Verwaltungswissenschaften studiert und ist berufsmäßiger Stadtrat der bayerischen Landeshauptstadt München, wo er seit 2016 das Kreisverwaltungsreferat leitet. Zuvor war er 18 Jahre lang Personal- und Organisationsreferent in Münchner Diensten. Böhle ist Autor und Herausgeber des 2017 erschienenen Handbuchs „Kommunales Personal- und Organisationsmanagement“. Das Amt des Präsidenten der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände Deutschlands (VKA, bekleidet er seit 2004. Er ist damit auch Verhandlungsführer der Kommunen bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Die VKA regelt die Arbeitsbedingungen für die kommunalen Beschäftigten und schließt Tarifverträge mit den zuständigen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes.