Vor hohen rechtlichen Hürden

Viele Gemeinden wollen bei der Energiewende mit gutem Beispiel vorangehen. Damit regionale Energiepioniere keine Überraschungen erleben, sollten sie sich mit dem Gemeindewirtschaftsrecht auskennen. Zuletzt wurden mehrere kommunale Energieprojekte von Oberverwaltungsgerichten als rechtswidrig eingestuft.

Immer mehr Gemeinden und Landkreise engagieren sich aktiv für eine nachhaltige lokale Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien. Hierbei sind allerdings verschiedene rechtliche Besonderheiten zu beachten. Zu den juristischen Klippen, die umschifft werden müssen, gehören die Restriktionen des Gemeindewirtschaftsrechts, die über Wohl und Wehe von Erneuerbare-Energien-Projekten entscheiden können.

Denn nicht alles, was privatwirtschaftlich unproblematisch möglich ist, auch den Kommunen erlaubt ist (vgl. der gemeinderat 4/2015, S. 20). Inzwischen gibt es wichtige Neuigkeiten, die die Grenze zwischen „erlaubt“ und „nicht erlaubt“ weiter festigen. Nach dem Oberverwaltungsgericht Schleswig hat nun ebenfalls das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Magdeburg ein kommunales Erneuerbare-Energien-Projekt wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Gemeindewirtschaftsrechts als rechtswidrig bezeichnet.

Richter stoppen Kreis-Solaranlage

Das OVG Magdeburg entschied mit Urteil vom 7. Mai 2015 (4 L 163/14): Ein Landkreis darf eine Fotovoltaik-Freiflächenanlage, deren Strom in das allgemeine Netz eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet wird, nicht betreiben. Es schloss sich damit der Rechtsprechung des OVG Schleswig an, das bereits mit Urteil vom 11. Juli 2013 (2 LB 32/12) über einen städtischen Windpark zum selben Ergebnis gekommen war.

Nach Auffassung des Gerichts ist der Betrieb eines Solarparks eine wirtschaftliche Betätigung. Daher greift auch im Gemeindewirtschaftsrecht die „Schrankentrias“. Sie bezeichnet drei rechtliche Schranken, die im Grundgesetz verankert sind. Ihr zufolge ist die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen nur dann zulässig, wenn sie erstens einem öffentlichen Zweck dient, zweitens in einem angemessen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Kommune sowie zum Bedarf steht und drittens kein privates Unternehmen die Aufgabe besser erfüllen könnte.

Gleich die erste Voraussetzung sah das Gericht als nicht erfüllt an, da der erzeugte Strom gegen eine EEG-Vergütung in vollem Umfang in ein überörtliches Netz eingespeist werde. Genehmigungsfähig sei nur eine gezielte Versorgung von Abnehmern im Kreisgebiet (sogenanntes „Örtlichkeitsprinzip“).

Die Argumentation des Gerichts ist nicht überzeugend. So erscheint es (nicht nur auf den ersten Blick) widersinnig, kommunalen Erneuerbare-Energien-Projekten einen Vorwurf daraus zu machen, bei der Stromvermarktung exakt den Weg eingeschlagen zu haben, der als gesetzlicher Normalfall vorgesehen ist. Dass die Erzeugung von Strom physikalisch, wirtschaftlich und auch energiewirtschaftsrechtlich besonderen Maßgaben unterliegt, wäre deswegen ein Grund für ein neues Verständnis des Örtlichkeitsprinzips.

Was im Hinblick auf beispielsweise die Entsorgungswirtschaft („Keine Müllabfuhr außerhalb des Gemeindegebiets“) sinnvoll ist, lässt sich nicht schematisch auf die Erzeugung von Strom übertragen. Ob die Rechtsprechung dauerhaft Bestand haben wird, ist aus diesen Gründen offen.

Rechtsprechung nicht ignorieren

Gleichwohl gilt es, die derzeitige Rechtsprechung zur Kenntnis zu nehmen – anstatt sie einfach zu ignorieren. Auch wenn man noch nicht von „gefestigter“ Rechtsprechung sprechen kann, sind es bereits zwei Oberverwaltungsgerichte, die es für eine Verletzung des Örtlichkeitsprinzips halten, wenn eine Kommune eine Anlage zur Erzeugung von erneuerbaren Energien betreibt, die den Strom in das allgemeine Netz einspeist und sich diesen nach dem EEG vergüten lässt. Und es gibt, soweit ersichtlich, keine verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, in denen eine andere Auffassung vertreten worden wäre.

Einen Todesstoß für alle kommunalen Erneuerbare-Energien-Projekte bedeuten die beiden Urteile aber keineswegs. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. Daher sollten Kommunen ihre Projekte frühzeitig und umfassend auf die Vereinbarkeit mit dem Gemeindewirtschaftsrecht überprüfen.

Was sagt die Kommunalaufsicht?

Zudem ist zu empfehlen, frühzeitig den Kontakt zur Kommunalaufsicht zu suchen. Der aufsichtsbehördliche Umgang mit kommunalen Erneuerbare-Energien-Vorhaben unterscheidet sich in den einzelnen Bundesländern erheblich. Dies liegt unter anderem daran, dass das Gemeindewirtschaftsrecht Landesrecht ist – auch wenn das Örtlichkeitsprinzip grundsätzlich in allen Bundesländern gilt.

Mehrere Länder halten ausdrückliche Privilegierungen für erneuerbare Energien bereit, weswegen das entsprechende kommunale Engagement dort regelmäßig zulässig sein wird. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht. In Sachsen-Anhalt existiert ebenso eine solche Privilegierung. Dies hat das OVG Magdeburg aber nicht davon abgehalten, den besagten Landkreis-Solarpark als unzulässig einzustufen.

Gestaltungsspielräume könnten sich vor allem auf gesellschaftsrechtlicher Ebene ergeben. Vorsicht aber vor allzu simplen Rezepten: Die bloße Einschaltung eines Stadtwerks allein kann, entgegen mancher öffentlichen Äußerung, ein gemeindewirtschaftsrechtlich unzulässiges Erneuerbare-Energien-Projekt nicht legalisieren. Denn auch für Stadtwerke gelten die Grenzen des Gemeindewirtschaftsrechts. Auch gemeindliche Partnerschaften mit privaten Investoren, also bloße kommunale Beteiligungen, führen nicht automatisch zum Wegfall der gemeindewirtschaftsrechtlichen Regeln.

Modelle außerhalb des EEG

Städte, Gemeinden und Landkreise, die kein Risiko eingehen und die aktuelle Rechtsprechung beachten möchten, sollten für ihre Erzeugungsanlagen direkte Vermarktungsmodelle außerhalb des EEG prüfen (etwa als „Regionalstrom“). Wird der erzeugte Strom außerhalb des EEG vermarktet, und richtet sich das Angebot ausschließlich oder zumindest weit überwiegend an die Gemeindebürger, so wäre den Bedenken der Rechtsprechung Genüge getan. Solche Modelle werden wirtschaftlich immer interessanter und stoßen auf großes Interesse in der Bevölkerung. Sie müssen jedoch genau unter die Lupe genommen werden, damit das gewählte Vermarktungsmodell auch tatsächlich den Vorgaben der derzeitigen Rechtsprechung entspricht.

Sebastian Helmes

Der Autor
Dr. Sebastian Helmes ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht im Berliner Büro der interdisziplinären Sozietät Sterr-Kölln & Partner, die auf erneuerbare Energien und kommunale Energieversorgung spezialisiert ist