Über 530 Städte, Gemeinden und Landkreise bundesweit sind in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv. Zu ihnen gehören Aidlingen und Wernigerode, deren Engagement die Redaktion hier vorstellt.
Aidlingen (rund 9000 Einwohner, Baden-Württemberg) ist für ihre kommunale Entwicklungszusammenarbeit insbesondere als Fairtrade-Kommune bekannt. Sie war die erste Gemeinde im Landkreis Böblingen, die diese Auszeichnung im Jahr 2012 erhalten hat.
So hat die Verwaltung zum Beispiel eine Gesetzesinitiative zu Grabsteinen aus Kinderarbeit angestoßen. Diese zielt auf die Erweiterung des Bestattungsgesetztes Baden-Württemberg. Dieser Passus erlaubt Kommunen, ihre Friedhofssatzung zu ändern. Grabsteine, die durch Kinderarbeit hergestellt sind, sollen auf baden-württembergischen Friedhöfen geächtet werden.
Außerdem engagiert sich die Fairtrade-Gemeinde im Bereich Kindergärten und Schulen sowie Sportvereinen. Die Fußbälle, die von der ortsansässigen Sportvereinigung genutzt werden, sind fair gehandelt und auch der Fußballsportverein Deufringen unterstützt den Fairtrade-Gedanken. Ebenso entstehen in der örtlichen Bildungsarbeit Vereinsnetzwerke und hat beispielsweise den Schulwettbewerb „fair is school“ für die Landkreise Calw und Böblingen initiiert. Über Kreisgrenzen hinweg, sind Schulen dazu aufgerufen, kreative Projekte zum Thema „fair“ einzureichen.
Dieses vielseitige Engagement funktioniert in Aidlingen auch deshalb so gut, weil alle an einem Strang ziehen und Bürgermeister Ekkehard Fauth das Thema Fairtrade-Gemeinde zur Chefsache erklärt hat. Die eingesetzte Lenkungsgruppe ist hochkarätig besetzt. Weil ihr ein Viertel der Gemeinderatsmitglieder angehören, müsse auch keine große Überzeugungsarbeit geleistet werden, sagt Fauth.
Die Anfänge der Aidlinger Entwicklungsarbeit finden sich bereits im Jahr 1993. Die federführende Rolle kommt dabei einer Nichtregierungsorganisation zu und nicht der Gemeinde. Der Verein Pro Haiti, aus der katholischen Kirchengemeinde heraus gegründet, unterstützt Entwicklungsprojekte auf der Karibikinsel ideell und materiell. Jugendliche stehen im Fokus der Hilfe zur Selbsthilfe. Projekte, in denen jungen Menschen zu Kfz-Technikern oder Mechanikern ausgebildet werden, zählen ebenso dazu wie die Einrichtung von Kooperativenwerkstätten für Berufsanfänger.
Ferner hat sich ebenfalls aus der katholischen Kirchengemeinde heraus vor rund fünf Jahren eine Initiative für die Stadt Kamuesha in der Demokratischen Republik Kongo entwickelt. Aus Kamuesha stammt der katholische Pfarrer der Gemeinde Aidlingen. Der Initiative ist es zu verdanken, dass in der Partnerstadt im Kongo eine Nähmanufaktur aufgebaut wurde. Hier lernen Frauen aus den umliegenden Dörfern, Textilien herzustellen. Als ausgebildete Näherinnen können sie einen Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie leisten. Inzwischen verfolgt die Initiative das Ziel, die hygienischen Verhältnisse in Kamuesha zu verbessern und damit die Kindersterblichkeit zu verringern.
Kommunales Know-how wird genutzt
Die Stadt Wernigerode (rund 33.000 Einwohner, Sachsen-Anhalt) pflegt eine andere Art der Entwicklungszusammenarbeit. Sie unterhält eine Städte- und Klimapartnerschaft mit Hoi An (75.000 Einwohner) in Vietnam. Die offizielle Verbindung zwischen den beiden Orten besteht seit 2013.
Seit 2016 nehmen Wernigerode und Hoi An gemeinsam am Projekt „Kommunale Klimapartnerschaften“ teil. Die Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung zum Klimaschutz in beiden Städten spielen dabei eine große Rolle. Das Projekt wird von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) der Initiative Engagement Global durchgeführt und soll Beziehungen bei Klimaschutz und -anpassung stärken.
Bei einem Besuch im Jahr 2016 in Hoi An pflanzten eine Delegation aus Wernigerode und Engagierte aus der vietnamesischen Hafenstadt gemeinsam Bäume. Dieser Besuch war gleichzeitig Start des Projekts „Gemeinsame Installation einer Fotovoltaikanlage in Hoi An“, das bis 2018 läuft. Finanziert wird es durch das SKEW-Angebot „Nakopa“ (Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte).
Annika Wieland