Verwaltung 2.0: Nachhaltige Führung

Wenn die Verwaltung es schafft, nachhaltige Führung in ihren Entscheidungsalltag zu integrieren, kann sie als Vorbild für Bürger, Unternehmen und Mitarbeiter vorangehen. Sie erhält dadurch einen echten Wettbewerbsvorteil.

Gegenwärtig vollzieht Deutschland einen Paradigmenwechsel. Junge Menschen setzen sich für Klimaschutz ein, erhöhen den ökologisch motivierten Druck auf Parlamente und schauen mit einem verantwortungsbewussten Blick in die Zukunft. Sie sind Vorboten einer mannigfaltigen Veränderung zu einer durch nachhaltiges Denken geprägten Lebensweise. Der Kulturwandel trifft schon jetzt alle Akteure der Gesellschaft, insbesondere die öffentliche Verwaltung.

Wie begegnen öffentliche Institutionen diesem Wandel? Der entscheidende Anknüpfungspunkt findet sich in den Führungsetagen. Die Führung in deutschen Verwaltungen muss nachhaltiger werden. Konkret bedeutet dies: Es besteht Bedarf für eine Ausbildung in nachhaltiger Führung.

Zur Umsetzung dieser Aufgabe wurde im Rahmen einer Abschlussarbeit an der Technischen Hochschule Wildau ein Grundlagenkonzept erarbeitet, das die Kernthemen nachhaltiger Führung identifiziert und mit methodischen Hinweisen Orientierung für die Führungskräfteentwicklung in öffentlichen Verwaltungen bietet.

Im ersten Schritt geht es um die Sensibilisierung der Entscheidungsträger für Nachhaltigkeit, denn sie sind nicht nur für die Aufgabenerfüllung verantwortlich, sondern überdies nach innen und außen Botschafter für einen Wandel in der Verwaltungskultur. Mit dem Ziel, ein Grundverständnis für Nachhaltigkeit zu schaffen, muss eine ganzheitliche Betrachtungsweise entwickelt werden. Nur so ist es möglich, in Führungsentscheidungen die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales in einen Ausgleich zu bringen. Das ist insbesondere für die öffentliche Verwaltung als Hüterin des Gemeinwohls unerlässlich.

Wichtigste Ressource des öffentlichen Dienstes

Neben der Umsetzung von Werten und ethischem Verhalten ist eine nachhaltige Personalführung ein besonderer Schwerpunkt. Die steigende Arbeitsbelastung und damit einhergehende Krankenstände oder fehlender Nachwuchs sind nur einige Gründe für einen nachhaltigeren Umgang mit der wichtigsten Ressource des öffentlichen Dienstes.

Dieser primär auf das Führungsverhalten abzielenden Maßnahme stehen zeitnah einsetzbare Instrumente zur Seite. Neben der Entwicklung einer hauseigenen Nachhaltigkeitsstrategie bietet sich zum Beispiel die Sustainability Balanced Scorecard an. Dieses etablierte Managementtool wurde um das Merkmal der Nachhaltigkeit ergänzt und kann auch in öffentlichen Verwaltungen für die Verbindung von Kennzahlen und langfristigen Zielen dienen. Behörden können jedoch noch mehr Aktivitäten entfalten. So gibt es neben Planungs- und Analyseinstrumenten auch Werkzeuge des Nachhaltigkeitscontrollings, die zu mehr Transparenz und Selbstreflexion führen können.

Unter anderem wurde untersucht, wie nachhaltige Führung methodisch umgesetzt werden kann. So konnte die Erkenntnis gewonnen werden, dass die Ausbildung sich immer an den spezifischen Rahmenbedingungen der Organisation und des Trainings orientiert. Für die Verwaltung bedeutet das beispielhaft, in den Trainings Bedingungen wie Hierarchien zu brechen, da sich so die Auszubildenden ohne Wertung öffnen und reflektieren können.

Andere Faktoren sind die Lernziele. Für nachhaltiges Führen ist es unerlässlich, Fähigkeiten wie Fehlertoleranz, Aufmerksamkeit oder ein Knappheitsbewusstsein zu entwickeln. Denn diese Fähigkeiten können sich mithilfe des Wissensvorsprungs durch das Verständnis um Nachhaltigkeit zu echten Kompetenzen bei Führungskräften entwickeln. Nur durch diese Entwicklung, wiederkehrende Selbstreflexion und der ausreichenden Sensibilisierung kann ein Paradigmenwechsel erreicht werden.

Spiele, Coaching, Mentoring

In der konkreten Umsetzung können diese Lernziele in Seminaren und beispielsweise durch Spiele wie das Öffentliche-Güter-Spiel erreicht werden. Auch persönliches Coaching oder Mentoring ist möglich, wobei die Fremdreflexion als wichtiges Merkmal der Ausbildung gilt und auch hier nicht vernachlässigt werden darf. Die Ausbildung stellt die Verwaltungen folglich nicht vor allzu große Hürden und ist wie das Prinzip selbst um Nachhaltigkeit bemüht.

Gleichwohl bringt die Schaffung von neuen Gestaltungsspielräumen auch immer Akzeptanzprobleme mit sich. Die oben beschriebenen Fähigkeiten werden nicht von heute auf morgen zu Kompetenzen. Um so wichtiger ist das Verständnis für die Entwicklung einer Verwaltungskultur, in der sich nachhaltiges Führen lohnt und Früchte tragen kann. Denn das führt nicht nur zu einem Imagegewinn gegenüber den eigenen Beschäftigten, sondern auch gegenüber anderen Stakeholdern vom Bürger bis zum Unternehmen. Eine bessere Reputation führt im Umkehrschluss auch wieder zu einem Vorbildcharakter und kann helfen, Nachwuchskräfte zu akquirieren.

Gepaart mit nachhaltiger Personalführung wirkt der Ansatz unter anderem dem Altern der Verwaltung und Wissensverlust entgegen, insbesondere wenn Mitarbeiter partizipieren können und der gesellschaftliche Tenor auch im Arbeitsumfeld abgebildet wird. Das betrifft auch die jüngere Bevölkerung, die heute mehr auf Nachhaltigkeit achten, als noch die Elterngeneration. Sie sind nicht nur Bürger, sondern auch Mitarbeiter, Vorgesetzte und politische Führungspersönlichkeiten von morgen.

Arvid Selle / Markus Karp

Die Autoren
Arvid Selle ist Absolvent der Technischen Hochschule Wildau bei Berlin, Dr. Markus Karp ist Professor unter anderem für Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung an der TH Wildau, Fachbereich Wirtschaft, Informatik, Recht

Info: An der TH Wildau wird zurzeit in finaler Phase an einem Schulungskonzept für Seminare in nachhaltiger Führung gearbeitet. Zum Bezug des Konzeptes sowie für Fragen zum Thema stehen die Autoren dieses Beitrags zur Verfügung.