Umwelt- und Klimaschutz geht alle an. Diese Überzeugung liegt den Aktivitäten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zugrunde. Der neue DBU-Generalsekretär Alexander Bonde über die Rolle der Kommunen, Herausforderungen in der Abwasserentsorgung und den Nutzen von Naturerbe-Apps.
Herr Bonde, eines der Ziele der Energiewende ist die Reduktion des CO2-Ausstoßes. Welche Bedeutung messen Sie den Kommunen für den Klimaschutz bei?
Bonde: Etwa 11.000 Städte und Gemeinden gibt es in Deutschland. Hier leben und arbeiten die Menschen, es wird Energie verbraucht und CO2 emittiert. In den Kommunen und über die Kommunen erreichen wir die Bevölkerung. Für viele Bürger sind die Verwaltungen vertrauenswürdige Ansprechpartner, auch in Fragen des Klimaschutzes. Wir sehen die Städte und Gemeinden als Orte der Umsetzung der Energiewende. Die DBU unterstützt daher mit dem Projekt „Modernisierungsbündnisse“ Kommunen – im Bündnis mit weiteren lokalen Akteuren – bei dieser Aufgabe. Denn die Energiewende und die damit verbundene Reduktion des CO2-Ausstoßes müssen noch umfangreicher zum alltäglichen Handeln werden.
Die nichtstaatliche Deutsche Umwelthilfe macht regelmäßig von ihrer Klagebefugnis in Fragen des Umweltschutzes Gebrauch und setzt die Politik damit unter Druck. Welchen Ansatz verfolgt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, um zum Beispiel zur Verbesserung der Luftreinhaltung beizutragen?
Bonde: Als privatrechtliche Stiftung fördern wir innovative Projekte zum Schutz der Umwelt, auch zur Luftreinhaltung. Unsere Förderthemen orientieren sich sowohl an wissenschaftlichen Erkenntnissen über planetare Grenzen als auch an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Zentrale Herausforderungen sehen wir im Klimawandel und im Verlust der Artenvielfalt. Um diese komplexen Umweltprobleme zu bewältigen, unterstützen wir Forschung und Entwicklung. Wir fördern umweltentlastende Technologien und Produkte im Sinne eines vorsorgenden Umweltschutzes. Die mittelständische Wirtschaft ist daher für uns eine wichtige Zielgruppe. Außerdem fördern wir das Umweltbewusstsein und -verhalten der Menschen.
Medikamentenrückstände in Gewässern gewinnen in diesem Frühjahr wieder große Aufmerksamkeit, auch über die Fachwelt hinaus. Wo sollte Ihrer Ansicht nach angesetzt werden, um das Problem in den Griff zu bekommen? Die Wasserwirtschaft verweist ja darauf, dass selbst die sogenannte vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen womöglich nicht geeignet sei, die Stoffe zurückzuhalten …
Bonde: Arzneimittelrückstände zum Beispiel von Antibiotika stellen für unsere Gesellschaft eine echte Herausforderung dar. Die Verbreitung multiresistenter Keime ist besorgniserregend. Es gibt keine einfachen Lösungen. Wir müssen vor allem bei der Ursache anfangen. Alte Medikamente dürfen nicht über den Abfluss entsorgt werden. Der Einsatz von Antibiotika muss verringert werden. Medikamente wie Röntgenkontrastmittel könnten in Krankenhäusern aufgefangen werden, bevor sie in die Kanalisation geraten. Schon bei der Entwicklung von Arzneimitteln sollte deren Abbaubarkeit in der Umwelt berücksichtigt werden. Allein auf die vierte Reinigungsstufe zu vertrauen, ist ein sehr teurer Weg, der neue Probleme mit sich bringt. Multiresistente Keime werden dadurch nicht zurückgehalten.
Rund 70 sogenannte Naturerbeflächen in Deutschland hat die DBU bislang selbst für Maßnahmen des Arten- und Naturschutzes gesichert. Inwieweit gelingt es, diese Gebiete für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen, etwa in Form von Lehrpfaden vergleichbar in Naturparks?
Bonde: Grundsätzlich wollen wir die uns anvertrauten Naturerbeflächen für interessierte Besucher zugänglich machen. Das ist allerdings nicht immer einfach, da fast alle unsere Flächen ehemalige Militärliegenschaften sind und daher oftmals nicht gefahrlos betreten werden können. Auf einigen Flächen haben wir bereits Wege beräumt, zum Beispiel in der Oranienbaumer Heide in Sachsen-Anhalt. Einige Gebiete, die wir erst letztes Jahr übernommen haben, sind derzeit noch nicht frei zugänglich. Hier werden wir im Laufe der nächsten Jahre aktiv werden, um Wege oder Teilgebiete zu öffnen. Ansonsten haben wir unsere Flächen mit Informationstafeln ausgestattet. Hier finden sich neben Informationen zu Pflanzen, Tieren und der Historie, auch Vorschläge für Wegerouten. Auf einigen ausgewählten Flächen haben wir besondere Bildungsprojekte initiiert oder aber Initiativen vor Ort unterstützt, wie das Naturerbe Zentrum Rügen in Prora mit seinem attraktiven Baumwipfelpfad.
Was können digitale Anwendungen wie die Naturerbe-App für die Umweltbildung bewirken?
Bonde: Digitale Anwendungen wie die Naturerbe App bieten eine gute Möglichkeit, die Besucher selbst entscheiden zu lassen, welche Informationen sie wo und wann abrufen möchten. Bislang haben wir gemeinsam mit Partnern Multimedia-Touren für die gut besuchten DBU-Naturerbeflächen Prora auf Rügen und Wahner Heide bei Köln entwickelt. Diese werden in App Stores angeboten und vor Ort auf Tafeln und in Flyern mitbeworben. Auch andere Naturerbe-Flächeneigentümer nutzen die App, um Interesse an Natur und Artenvielfalt zu wecken.
Renommierte Auszeichnungen wie der Deutsche Umweltpreis oder der Greentec-Award belegen die Innovationskraft der umwelttechnischen Branche. Das Latzhosenträger-Klischee des Umweltschutzes scheint überwunden, oder wie nehmen Sie das wahr? Ist der Umweltschutz in der Mitte der Gesellschaft verankert?
Bonde: Eine nachhaltige Entwicklung, die ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Aspekte umfasst, geht alle an. Der Umweltschutzgedanke ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, aber nicht per se verankert. Unser Ansatz ist es daher, die zentralen Herausforderungen aus der Mitte der Gesellschaft heraus anzugehen. Unsere Projekte sind praxisnah und geben Impulse. Wir unterstützen die Kommunikation der Ergebnisse und bringen sie in Diskussionsprozesse ein. Das berührt alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Der Deutsche Umweltpreis zeigt sowohl die hohe Innovationskraft des Mittelstands im Sinne der Nachhaltigkeit als auch die Leistungen von zum Beispiel Naturschützern für das Gemeinwohl.
Von 14. bis 18. Mai wird die internationale Umwelttechnikmesse IFAT in München auch viele kommunale Fachleute anziehen. Worauf liegt der Schwerpunkt der DBU-Präsentation?
Bonde: Auf der IFAT wird die DBU – wie fast jedes Jahr – mit einem Messestand vertreten sein. Unseren vielen innovativen Projektpartnern bieten wir dort eine ideale Plattform. Denn im Gegensatz zu manchen speziell ausgerichteten Fachschauen sind auf der IFAT sämtliche Umweltbranchen national wie international präsent. Unser Fokus liegt in diesem Jahr auf dem Rohstoff Phosphor. Angesicht der schwindenden Vorräte des nur noch sehr begrenzt verfügbaren Rohstoffes müssen die Phosphor-Effizienz in Industrie und Landwirtschaft gesteigert, Phosphor verstärkt im Kreislauf zurückgeführt und die Rückgewinnungspotenziale aus Abwasser, Klärschlamm und Klärschlammasche voll ausgeschöpft werden.
Interview: Jörg Benzing
Zur Person: Alexander Bonde ist seit 1. Februar 2018 Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück. Von 2011 bis 2016 war er Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg und anschließend Mitarbeiter einer Beratungsagentur im Bereich des Umweltschutzes. Von 2002 bis 2011 war er Mitglied der Grünen-Fraktion des Deutschen Bundestages.
Info: Zum umweltverträglichen Umgang mit Arzneimitteln bietet die Deutsche Bundesstiftung Umwelt Fachinformationen über Arzneimittelrückstände in der Umwelt (2015) zum Download (PDF)
Auf dem DBU-Gemeinschaftsstand der Fachmesse IFAT in München (18. Bis 18. Mai) in Halle B4 (Stand Nr. 239/338) stellen sechs DBU-Projektpartner ihre beispielhaften Verfahren zur Rückgewinnung und Recycling von Phosphor und zur Wasserkreislaufführung vor.