In Mehlmeisel im Fichtelgebirge befindet sich seit 2017 das erste Tiny House Village Deutschlands. Wieso er dem Wohnen in winzigen Häusern in seiner Gemeinde eine Chance gab und welche Hürden – Stichwort deutsche Bauvorschriften – es zu überwinden galt, erläutert Bürgermeister Franz Tauber.
der gemeinderat: Sie standen dem Tiny-House-Wohnprojekt von Anfang an aufgeschlossen gegenüber. Was hat Sie an dem Konzept überzeugt?
Franz Tauber: Überzeugt hat mich ein junges Paar, damals Anfang 20, das mit der Idee auf mich zukam. Sie waren auf der Suche nach einem Grundstück, um ein oder zwei Tiny Houses zu errichten. Zunächst konnte ich mit dem Begriff wenig anfangen, also erklärten sie mir ihren Plan vom Wohnen auf kleinstem Raum. Als Bürgermeister bin ich sehr offen für Neues. Also zeigte ich ihnen Grundstücke in Mehlmeisel, unter anderem einen zum Verkauf stehenden Campingplatz, weil dort etwas Ähnliches schon vorhanden war: Wohnen auf kleinem Raum, wenngleich nur für Urlauber. Das Gelände fanden sie eigentlich zu groß. Sie fingen aber an, zu überlegen. Zwei Wochen später haben sie den Campingplatz mit 16 000 Quadratmetern gekauft.
War das Projekt auf dem Gelände einfach umzusetzen oder gab es Hürden?
Tauber: Tiny Houses auf dem Gelände aufzustellen, war nicht das Problem. Aber um dauerhaft dort zu wohnen, muss man sich polizeilich anmelden. Und das geht auf einem Campingplatz nicht.
Also musste das ehemalige Campingplatzgelände umgewidmet werden?
Tauber: Da Tiny Houses für alle Beteiligten Neuland waren, war es etwas komplizierter, als einfach ein Baugebiet auszuweisen. Es gab viele Diskussionen mit der Bauabteilung des Landratsamts Bayreuth. Grundsätzlich war sie dafür offen, aber es dauerte über zwei Jahre, bis alles geklärt und genehmigt war. Behandelt wird das Gelände jetzt wie ein normales Baugebiet mit Bebauungsplan, mit Ausweisung von einzelnen Grundstücken, die an die Infrastruktur der Gemeinde angeschlossen sind, sprich an Kanalisation, Wasser, Strom, Telefon und mittlerweile auch Breitband. Die Problematik war: Ein Tiny House ist nicht fest mit dem Grund verbunden. Bei Wohnbauflächen werden normalerweise Grundstücks- und Gebäudegröße für die Erschließung herangezogen. Im Tiny House Village pachten die Bewohner aber nur das Grundstück. Wie groß das Haus ist, das sie dort aufstellen, ist im Vorfeld unklar. Also haben wir eine Maximalgröße festgelegt und als Berechnungsgrundlage für die Gebühren genommen. Fällt das Haus kleiner aus, muss trotzdem die volle Summe bezahlt werden. So haben wir keinen Nachteil.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der 2017 gegründeten Tiny-House-Siedlung?
Tauber: Wir profitieren in vielerlei Hinsicht. Mehlmeisel ist ein kleiner Ort mit 1400 Einwohnern und hat rund 60 Bewohner hinzugewonnen. Das wirkt dem demografischen Wandel entgegen. Die neuen Bewohner bringen sich in die Dorfgemeinschaft ein, engagieren sich in Vereinen. Einige haben ein Gewerbe angemeldet und arbeiten im Homeoffice, etwa im IT-Bereich. Das junge Gründerpaar hat geheiratet, vermietet drei Häuser an Übernachtungsgäste und will in die Produktion von Tiny Houses einsteigen. Mehlmeisel profitiert von den Personen, von Steuern, Gebühren, Übernachtungen und Fremdenverkehrsabgaben sowie der Publicity, die wir durch das erste genehmigte Tiny House Village Deutschlands erhalten.
Diese Wohnform wird sich also etablieren?
Tauber: Bestimmt – ich denke auch im städtischen Bereich, wo Bauflächen rar sind. Ein weiterer Vorteil der Tiny Houses ist, dass der Flächenverbrauch gering ist. Im Tiny House Village gibt es auf 16 000 Quadratmetern knapp 40 Grundstücke. In normalen Baugebieten ist der Flächenbedarf üblicherweise mehr als doppelt so groß. Es gibt immer mehr Menschen, die bewusst auf kleinem Raum leben wollen. Hier im Landkreis, in Bayern, in Deutschland wird das gewiss eine Zukunft haben.
Könnten Sie sich vorstellen, selbst in einem Tiny House zu wohnen?
Tauber: Ich könnte es mir schon vorstellen, aber meine Frau eher nicht.
Interview: Dirk Täuber
Zur Person
Franz Tauber (Freie Wähler) ist Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Mehlmeisel.