Stadt in der Stadt

Die Entwicklung des ehemaligen US-Quartiers in Heidelberg ist ein städtebauliches Großprojekt. Früh in die Planungen zur zivilen Nutzung integriert wurde ein Schallschutzkonzept auf der Grundlage von Lärmkartierungen.

 

Seit mehreren Jahren entwickelt die Stadt Heidelberg (Baden-Württemberg) das Konversionsgebiet Mark-Twain-Village. Um bei der Überplanung und der Entwicklung eines Nutzungskonzepts eine umfassende Bürgerbeteiligung zu gewährleisten, hatte der Gemeinderat bereits 2010 einen „dialogischen Planungsprozess“ beschlossen. Zudem wurde ein eigener Entwicklungsbeirat eingesetzt. Auf dieser Grundlage wurden 2012 die Leitlinien für die Konversion vorgelegt und 2013 ein erstes Nutzungskonzept erarbeitet.

Dazu wurde auch eine erste Lärmkartierung erstellt, die in die weitere Planung eingeflossen ist. Das Nutzungskonzept bildete die Grundlage für weitere Vertiefungen im „Masterplan Konversionsflächen Südstadt“, der 2014 beschlossen wurde. Er definiert Zielaussagen für die zukünftige Entwicklung der Konversionsfläche Südstadt und sah zunächst für das nördliche Mark-Twain-Village vorrangig die Entwicklung von bestandsorientierten Wohnraumangeboten vor. Der Bereich wurde als Teilbebauungsplan „Mark-Twain-Village – Nord“ weiterbearbeitet. 70 Prozent des Wohnraums für die gesamten Wohnflächen auf der Konversionsfläche Südstadt sollte preisgünstig angeboten werden.

Straße, Schiene, Sportanlagen

Wie schon aus früheren Lärmkartierungen bekannt war, sind für das Plangebiet Geräuschemissionen der Römerstraße sowie die Eisenbahnstrecke Heidelberg – Bruchsal westlich der Konversionsfläche untersuchungsrelevant. Punktuell sind auch die Sportanlagen sowie der geplante Nahversorger von Bedeutung.

Laut Gutachten werden am Tag (6 bis 22 Uhr) an den Gebäuden entlang der Römerstraße mit bis zu 73 dB(A) die höchsten Beurteilungspegel ermittelt. An den nächstgelegenen Gebäuden wirkt sich am Tag auch die Schienenstrecke aus. Es werden Beurteilungspegel zwischen 58 und 68 dB(A) erreicht.

In der Nacht (22 bis 6 Uhr) stellt sich die schalltechnische Situation deutlich kritischer dar, da neben der Römerstraße die Schienenstrecke als pegelbestimmende Schallquelle hinzutritt. Aufgrund des hohen Güterschienenverkehrs ist die Schienenstrecke in der Nacht 5 dB lauter als am Tag. Nahezu im gesamten Plangebiet wird der Orientierungswert für Allgemeine Wohngebiete von 45 dB(A) überschritten. Nächstgelegen zur Bahn treten Beurteilungspegel von bis zu 73 dB(A) auf. Sowohl am Tag als auch in der Nacht liegen die Geräuscheinwirkungen an einem Teil der Gebäude in einer Größenordnung, die dem Schallschutz besondere Bedeutung zukommen lassen.

Für eine auch städtebaulich gelungene Umsetzung von Schallschutzmaßnahmen war entscheidend, dass die Ergebnisse und Maßnahmenvorschläge des schalltechnischen Gutachtens frühzeitig in die Aufgabenstellungen für den städtebaulichen Entwurf übernommen und die Zwischenergebnisse wiederum durch den Lärmgutachter überprüft werden konnten.

Die Umsetzung erfolgte durch eine Mehrfachbeauftragung eines städtebaulichen Gesamtkonzepts. Für das Mark-Twain-Village Nord gab das Konzept unter anderem die bestandsorientierte Entwicklung der Wohnhäuser westlich der Römerstraße unter Berücksichtigung der Lärmimmission vor, die Neubebauung auf der östlichen Seite und die Umgestaltung Römerstraße als „Stadtstraße“ mit verminderter Trennwirkung sowie die Schaffung einer zukünftigen Stadtteilmitte mit besonders gestalteter Aufenthaltsqualität.

Mit der Mehrfachbeauftragung wurden sechs Büros beauftragt, einen städtebaulichen Entwurf in Anlehnung an ein Wettbewerbsverfahren nach den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2013) zu entwickeln. Die Verfasser des Siegerentwurfs wurden mit einer Überprüfung und städtebaulichen Vertiefung sowie in der Folge mit ergänzenden Entwürfen für die angrenzenden Flächen beauftragt.

Lärmschutz gewährleistet gesunden Schlaf

Bei der Gestaltung des baulichen Schallschutzes wurde Wert auf anspruchsvolle städtebauliche Lösungen gelegt. So schließen bauliche Ergänzungen mit durchdachten Grundrissen die zur Römerstraße ursprünglich geöffnete U-förmige Baustruktur sowie die nordwestliche Bebauungslücke zur Bahn und schaffen dadurch einen großzügigen lärmarmen Innenblockbereich. Eine als Spiel- und Sportfläche gestaltete „Lärmschutzlandschaft“ schirmt den Schienenverkehrslärm ab und erinnert mit einzelnen Gestaltungselementen an Werke von Mark Twain. Die gestalterische Aufwertung des Straßenraums mit hohem Grünvolumen mindert die Zerschneidungswirkung und steigert die Aufenthaltsqualität. Diese Maßnahme mindert zwar nicht den Lärmbeurteilungspegel, trägt aber zur Minderung der subjektiven Lärmwahrnehmung bei.

Durch die baulichen Ergänzungen werden lärmgeschützte Innenblockbereiche geschaffen, in denen der Orientierungswert für Mischgebiete nachts überwiegend eingehalten wird und ein gesunder Schlaf gewährleistet ist.

Die in Heidelberg gewonnene Erkenntnis: Durch die frühzeitige Integration von Schallschutzbelangen in die städtebauliche Überplanung können auch für Bestandssituationen mit hohem Lärmkonfliktpotenzial wirksame, gestalterisch ansprechende Lösungen entwickelt werden.

Silke Klein / Ute Lehnertz / Raino Winkler

Die Autoren
Silke Klein ist Stadtplanerin beim Stadtplanungsamt der Stadt Heidelberg, Ute Lehnertz ist Schallschutzgutachterin bei WSW & Partner, Planungsbüro für Umwelt, Städtebau und Architektur in Kaiserslautern, Dr. Raino Winkler ist Leiter der Abteilung Technischer Umweltschutz beim Amt für Umweltschutz, Gewerbeaufsicht und Energie der Stadt Heidelberg

Info: Mark-Twain-Village

 

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten die US-Streitkräfte einen zentralen Stützpunkt in Heidelberg. Kernstück war die ehemalige Großdeutschland-Kaserne der Wehrmacht, die 1945 übernommen und unter dem Namen Campbell Barracks als Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa und Hauptquartier der NATO-Landstreitkräfte genutzt wurde. Nördlich und östlich der Campbell Barracks entstand ab 1948 das Mark Twain Village: 117 Wohngebäude mit 852 Wohneinheiten für die Familien und zivilen Angestellten der US-Streitkräfte mit eigenen Schulen, Kindergärten, Sportanlagen und einer Kirche. Beide Flächen haben zusammen eine Größe von 43,4 Hektar. Mit der förmlichen Rückgabe der Flächen an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ab Ende 2012 wurde der Weg für eine zivile Nachfolgenutzung freigemacht.