Sport, Spiel und Bewegung in der Stadt ist zu einem Thema von gesamtstädtischer Mobilität geworden. Die Freiraumplanung muss zudem den demografischen Wandel und gesellschaftliche Entwicklungen im Blick haben. Sie wird künftig nicht mehr ohne eine bereichsübergreifende Perspektive auskommen.
Städtische Freiräume sind ein knappes Gut. Insbesondere gilt das für die öffentlichen Räume in den Städten, die für das Spielen, Sporttreiben und freie Bewegen der Menschen nutzbar sind. Einerseits werden Freiräume abgebaut oder gar nicht erst geplant. Anderseits scheint es eine Renaissance des öffentlichen Raums als Ort für private freizeitliche Tätigkeiten zu geben, die den gewandelten Bedürfnissen der Menschen nach selbstbestimmten Aktivitäten mehr Aufmerksamkeit gibt.
Damit für die sport- und bewegungsbezogene Freiraumplanung die richtigen Entscheidungen getroffen werden, müssen einige Grundlagen der Freiraumplanung berücksichtigt werden. Hierzu gehören als Erstes die Bewegungsbedürfnisse und -praktiken der Menschen. Sie werden im Folgenden knapp umrissen dargestellt.
Kinderleben ist Bewegungsleben
Bewegung und Spiel sind die Mittel, durch die Kinder sie wichtige Erfahrungen sammeln können, die sie tüchtig, selbstbewusst und sicher werden lassen. Kinder wollen rutschen, schaukeln, schwingen, balancieren, klettern, sich verstecken, Abenteuer erleben, fantasievoll mit Wasser und Erde, Sand oder Lehm bauen und spielen, draußen in der Natur sein und einfache sportliche Formen kennen lernen. Dafür braucht es geschützte, anregende, vielseitig gestaltete und nutzbare Spiel- und Freiräume.
Auch wenn sich die Stadtverwaltungen bemühen, den Kindern eine eigene Spielwelt anzubieten und es auch gute Beispiele dafür gibt: Die meisten Spielplätze enthalten nur standardisierte, wenig fantasievolle Geräte, die nur bestimmte Bewegungsformen und kaum Fantasie zulassen. Eindimensionale Wackelpferde zum Beispiel sind zwar kurzfristig interessant, verlieren aber schnell ihren Reiz. Wasser zum Bauen und Plantschen gibt es selten, Spielgeräte sind oft defekt, Spielräume wenig geschützt und regen auch die Begleitperson kaum an, länger zu bleiben. Kinder und Eltern beklagen die Unsauberkeit auf Spiel- und Bolzplätzen und erleben ein Gefühl der Unsicherheit und Angst. Die Gehwege wären für Kinder auch Spielräume, wenn sie sie gefahrlos benutzen könnten. Das ist aber kaum gegeben. Kinder in der Stadt werden in ihrer Bewegungsentwicklung derzeit erheblich beeinträchtigt.
Jugendliche brauchen Herausforderungen
Jungen und Mädchen und Jugendliche unterschiedlicher Milieus und Kulturen zeigen ein sehr unterschiedliches Bewegungsverhalten. Ihren Sport im öffentlichen Raum treiben sie informell, flexibel, selbst bestimmt und ohne Aufsicht. Das zeigt sich in Sportszenen wie BMX, Inline, Streetball, Parkour, Radsport. Für Parkour-, Roll- und Radsportler ist der gesamte Stadtraum zu einem Sportraum geworden. Auch die Verkehrswege gehören dazu.
Da diese in der Regel nicht hierfür vorgesehen sind, entspricht ihr Zustand allerdings nicht den Vorstellungen der Jugendlichen. Kleine Sporträume und überdachte multifunktionale, offene Betonflächen nutzen sie für sportliche Spiele. Industriebrachen werden von ihnen in Besitz genommen und zu temporären Sporträumen umfunktioniert, besetzt, oft ohne Erlaubnis aber geduldet und selbst organisiert.
In allen diesen Formen kommt immer das Moment der Selbstbehauptung, der Autonomie und der eigenen Kultur zum Ausdruck. Jugendliche wollen keine Sportanlagen, sondern freie Räume, die sie vielfältig und ungestört für sich nutzen können. Davon gibt es in Städten viel zu wenige.
Erwachsenensport als Lebensstil
Über 80 Prozent der Menschen fahren gelegentlich bis häufig Rad oder laufen, wandern, gehen spazieren oder spielen Fußball. Sie machen dies teils in Freiräumen wie Parks, Grünflächen, Erholungsräumen, an Uferzonen oder im öffentlichen Raum auf Verkehrswegen, Plätzen, Wegen oder auf speziellen Sporträumen (z. B. Boulefeld). Auch bei den modernen Sportarten wie Skaten wird der Anteil Erwachsener immer größer, und man skatet bis ins hohe Alter.
Die Zahl der Menschen und die Art der Sportformen unterschieden sich zwischen den Städten, Quartieren, Milieus, Kulturen und den Altersgruppen. Sport und Bewegung sind bei Erwachsenen ein Ausdruck ihres Lebensstils und ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft. Derzeit bevorzugen jüngere und Menschen im mittleren Alter eher Ausdauer-, Fitness- und Natursportarten und Fußball. Die Menschen über 60 Jahre praktizieren eher die weniger belastenden Sportarten wie das Radfahren, Gehen und Gymnastik.
In den Parks, Grünanlagen und Naherholungsbereichen wie etwa am Flussufer dominieren das selbst bestimmte, ungeregelte, auch sportliche Spielen, neue raumgreifende Sportformen (z. B. Slackline) und eine ausgeprägte Entspannungs-, Erholungs- und Geselligkeitskultur. Die leistungsorientierten Ausdauersportarten (Laufen, Radfahren, Nordic-Walking) werden auf – meist immer selben – Wegstrecken im Wohnquartier (Radwege, Straßen, Fußgängerwege) ausgeübt. Für Erwachsene sind offene Grünflächen mit Spielmöglichkeiten sehr attraktiv. Allerdings beklagen auch sie den ungepflegten Zustand der Freiräume und des öffentlichen Raums.
Ältere Menschen in Bewegung
Für Menschen in höherem Alter stellt sich das Thema Sport und Bewegung völlig anders dar. Mit dem Alter lässt die Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit des Menschen nach mit der Konsequenz, dass der Aktionsradius des älteren Menschen immer kleiner wird. Dies führt zum allmählichen Rückzug aus dem öffentlichen Raum und damit auch aus dem gesellschaftlichen Leben – mit der Gefahr, dass diese Menschen vereinsamen.
In Bewegung zu sein und zu bleiben, bedeutet daher für sie, selbstbestimmt und selbständig am Leben teil zu haben, Freundschaften zu pflegen, einzukaufen, mit Enkeln zum Spielplatz oder zur Vereinsgymnastik oder zu einer Veranstaltung zu gehen. Sport ist nicht ihr Thema, aber in Bewegung zu bleiben, ist für sie lebenswichtig. Daher stellen für sie eine mangelhafte Beleuchtung der Wege, zu kurze Ampelphasen an Übergängen, keine Bänke, Toiletten und gepflegte, sichere, leicht begeh- und befahrbare Verweilorte in ihrer Nähe zu finden, erhebliche Barrieren dar. Ältere Menschen benötigen keine besonderen sportlichen Räume, sondern eine bewegungsfreundliche Umwelt.
Was lässt sich aus dieser knappen Darstellung der Bewegungsbedürfnisse und -praktiken der Menschen unterschiedlicher Altersgruppen für die Freiraum-, Wohnumfeld- und Stadtentwicklung der Zukunft ableiten? In jedem Fall sind dabei auch folgende, bestimmende Faktoren zu berücksichtigen: die zunehmende Verdichtung des Lebensraums, der ökonomische Verwertungsdruck auf den vorhandenen Freiflächen, die schwierige Finanzlage, die Entwicklung der Bevölkerung und der Stadt selbst. Freiräume werden zu einem knappen Luxusgut, wenn Arbeit, Wohnraum und Wohlstand an erster Stelle stehen. Zu erwarten ist daher, dass die Freiräume sich wesentlich verändern werden.
Die Zukunft der Freiräume
Kinder: Mit der Entwicklung der Schulen zu Ganztagsschulen und dem flächendeckenden Ausbau von Kindertagesstätten wird es zu einem steigenden Bedarf nach Spiel- und Bewegungsräumen im Umfeld der Einrichtungen kommen, denn die Kinder werden sich bis 16 oder 17 Uhr in den Bildungsstätten aufhalten.
Städte werden, da derzeit die Spiel- und Bewegungsräume in unmittelbarer Nähe der Schulen und Kitas nicht ausreichen, in Zukunft als Bildungsträger gefordert sein, die Schulhöfe und Kitafreiräume als vielseitige Bewegungsräume aufzuwerten und zu ertüchtigen.
Die Bedeutung vielfältiger Formen einer individuellen kindlichen Automobilität wie Bobbycar, Laufrad, Fahrrad oder Skateboard wird zunehmen. Der Schutz der Kinder vor Gefahren im Verkehr wird in Zukunft damit aber noch wichtiger. Einzelne, ausgewiesene, vielseitig ausgerüstete, gepflegte und vor allem beaufsichtigte zentrale Spielräume in der Stadt werden zukünftig als „Ausgleichsräume“ für fehlende Spielplätze und Grünräume im Wohnquartier bedeutsam.
Jugendliche: Mit der Verdichtung des Raums wird sich der Bewegungsraum der Jugendlichen zwar verringern. Allerdings bieten neue Sportgeräte auch in Zukunft eine autonome Nutzung des öffentlichen Raums. Darin liegt eine große Chance für eine Stadtentwicklung, die in Zukunft kaum noch besondere Freiräume ausweisen kann. Denn städtische Plätze, Radwege, Straßen, Uferzonen, Grünräume, Parkplätze (z. B. an Stadien, an Großmärkten, Unternehmen) können, sofern sie frei zugänglich und geeignet sind, als Bewegungsräume fungieren. Darauf wird sich die Freiraumplanung zukünftig mehr konzentrieren.
Wegesysteme im Grünbereich bieten sich sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene besonders als Laufwege an, wenn sie beleuchtet und mit lauftauglichen Belägen ausgestattet sind. Mögliche Nutzungskonflikte lassen sich, wie zahlreiche Beispiele aus Kopenhagen (Dänemark) zeigen, durch neue Formen der Teilung von Räumen vermeiden. Innerstädtische oder stadtnahe Räume, die derzeit noch im Bebauungsplan als Sport- oder Freiräume ausgewiesen sind, sollten möglichst gesichert und in öffentliche, betreute, kleinteilige, vielfältig nutzbare Sport- und Bewegungsparks (z. B. mit offenen Trendsportmöglichkeiten) und Treffpunkte für Jugendliche und Erwachsene umgewandelt werden. Temporär nutzbare Brachflächen werden für die Jugendlichen auch in Zukunft wichtig sein, weil sie die einzigen Räume sind, in denen sie sich wirklich frei bewegen können.
Erwachsene und Ältere: Großflächige Freiräume und Grünanlagen wird es in den Stadtzentren nur noch vereinzelt geben. Die Naherholungsgebiete werden an Bedeutung gewinnen. Die Anzahl der Erwachsenen, die sich in kommerziell ausgerichteten Gesundheits- und Sportstudios, marktorientierten Sportgroßvereinen, auf häuslichen Bewegungsgeräten oder in sportlichen Events betätigen, wird zunehmen. Damit werden aber die sozialen Unterschiede zwischen denjenigen, die sich diese Einrichtungen leisten können und wollen und denjenigen, die hierfür kein Geld ausgeben können, wachsen.
Es kann erwartet werden, dass sich Städte altengerechter entwickeln. Eine innovative Technik der mit Energiequellen betriebenen Fahrräder und Rollstühle und der Rollatoren wird die Beweglichkeit der hoch Betagten erhöhen. Hinzukommen muss aber auch eine qualitative Verbesserung des Wohnumfeldes, denn Mobilität ist nur ein Mittel für den Menschen, um sein Leben sinnvoll zu gestalten.
Das Thema Sport, Spiel und Bewegung in der Stadt ist zu einem Thema von gesamtstädtischer Mobilität geworden, die sowohl die ausgewiesenen Freiräume als auch weite Teile der Stadt als Bewegungsraum einschließt. Damit kommt die zukünftige Freiraumplanung nicht mehr ohne eine integrierte, intersektorale Planung aus. Wir sehen daher zum einen in einer engen fachlichen Zusammenarbeit und gemeinsamen Planung zwischen den verschiedenen Ämtern und Fachrichtungen in der Stadtverwaltung und zwischen der Stadt und privatwirtschaftlichen Wohnungsgesellschaften eine große Chance. Zum anderen können die Menschen noch mehr als bisher in den Planungsprozess integriert werden. Dies trägt zu einer nachhaltig akzeptierten Planung bei und stärkt das bürgerschaftliche Engagement und die Verantwortung für den Erhalt der Freiräume.
Robin Kähler
Der Autor
Prof. Dr. Robin Kähler, Mannheim, ist Sprecher der Kommission Sport und Raum der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (DVS)
Info: Was ist ein Freiraum?
Umgangssprachlich versteht man unter Freiraum solche Flächen im öffentlichen Raum, die Menschen ausdrücklich zur freien Nutzung zur Verfügung stehen. Gleichwohl bestimmen formale Satzungen, Nutzungsanweisungen, informelle Regeln und Eigentumsrechte auch in öffentlichen Parks und auf Brachflächen, was erlaubt ist. Obwohl es daher keine wirklichen Freiräume gibt, kann der Begriff Freiraum dennoch beibehalten werden, weil er mit dem Wort „frei“ einen Anspruch formuliert, der vor allem für die menschliche Bewegung unverzichtbar ist.
Robin Kähler