Der Landkreis Viersen errichtet sein neues Archivgebäude nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit. Die dafür erforderlichen Informationen werden im Rahmen der virtuellen Planung erfasst und gespeichert.
Für den Landrat des nordrhein-westfälischen Kreises Viersen, Dr. Andreas Coenen, ist Nachhaltigkeit keine Frage von heute oder morgen: „Wir können nicht bis morgen warten, um nachhaltige Prozesse in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft zu starten. Deshalb ist der Kreis Viersen schon heute aktiv dabei, nachhaltige Entwicklungen anzustoßen und zu beschleunigen.“
Dass es sich dabei nicht um bloße Absichtserklärungen handelt, beweisen drei in Planung befindliche Bauprojekte. Auf Initiative der Verwaltungsspitze und der Abteilung Gebäudemanagement erfolgen der Neubau des Kreisarchivs sowie zu einem späteren Zeitpunkt des Straßenverkehrsamts und einer Förderschule nach den Prinzipien der zirkulären Wertschöpfung. Will heißen: Alle Baustoffe und Einrichtungsgegenstände sollen wiederverwendbar sein und das Gebäude mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Schwindende Ressourcen machen es unerlässlich, den Materialeinsatz im Bauwesen zu überdenken und rohstoffschonender zu gestalten.
Das setzt ein genaues, auch nach Jahren oder Jahrzehnten noch abrufbares Wissen über die verbauten Materialien, Massen, Einbauorte und Einbauzustände voraus. Der Kreis Viersen nutzt hier mit Building Information Modeling (BIM) eine Methode, die alle Prozesse eines Bauprojekts virtuell darstellt. Die zugehörigen Parameter und Kennwerte sind in einer Datenbank der Abteilung Gebäudemanagement zugeordnet. Dafür liefern alle Baubeteiligten die Daten ihrer Leistungen und Produkte, die im Kommunikationsportal des BIM-Systems zusammengeführt werden.
Digitaler Zwilling sichert Datenverfügbarkeit
Um die Verfügbarkeit der digitalen Daten durch die Phasen des Planens, Bauens und Betreibens zu sichern, erhält jedes reale Gebäude einen digitalen Zwilling mit den wichtigsten Angaben zu den verwendeten Materialien. Digital lässt sich damit sehr genau prüfen, auf welchem Stand die Gebäude sind und wo ein Eingriff ansteht. So sind beispielsweise Informationen über den Zeitrahmen für den Austausch von Baustoffen und Bauteilen abrufbar. Auf der anderen Seite sind schnelle Reaktionen bei einer Warnung vor schädlichen Stoffen möglich. Auch hier wird ersichtlich, ob, wo und in welchen Mengen ein Stoff verbaut wurde. Ohne BIM ließe sich das nur schwer nachvollziehen, die Informationen wären nicht belastbar.
Für Bruno Wesch, Abteilungsleiter Gebäudemanagement beim Kreis Viersen, steht fest: „Im modernen GebäudemManagement ist ein digitaler Zugang zu den Gebäuden zwingend erforderlich. Die Darstellung dreidimensionaler Pläne reicht heute nicht mehr aus. Unser Ziel ist es daher, mithilfe der BIM-Methode das Prinzip der zirkulären Wertschöpfung bei Neubauten und in einer zweiten Stufe bei Sanierungen im Bestand anzuwenden.“ Nur auf diese Weise lasse sich auch in 40 Jahren bei einem Austausch der Fenster noch feststellen, dass die Holzrahmen keine Lösungsmittel enthalten und ohne Probleme dem Stoffkreislauf zugeführt werden können, sagte Wesch. „Voraussetzung dafür ist einerseits ein Umdenken bei den Planungsprozessen; andererseits müssen sich alle Beteiligten auf eine digitale Kommunikationsebene einstellen und diese konsequent nutzen.“
Bereits sichtbar sind die gelebten Prinzipien der zirkulären Wertschöpfung im Viersener Kreishaus. In einem Pilotprojekt ist hier eine neue Arbeitswelt entstanden, deren Konzept sich sowohl auf die Grundlagen der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung als auch der umfassenden Digitalisierung stützt. Das sogenannte Open-Space-Büro bietet den Mitarbeitern aus dem technischen, kaufmännischen und infrastrukturellen Gebäudemanagement ein Arbeitsumfeld mit recycelten, natürlichen und technologisch modernsten Ausstattungsmerkmalen. Dazu gehören eine Begrünung mit echten Pflanzen ebenso wie Büromöbel mit der Qualifizierung „Cradle-to-Cradle-Design“ – also der Annahme, dass Produkte unendlich wiederverwendet und aus denselben Materialien wieder gleichwertige Produkte hergestellt werden können – und eine IT-Ausstattung nach innovativen Gesichtspunkten.
Die offene Bürostruktur mit Workbench-Bereich (Arbeitsbereich mit sechs Plätzen und Medieneinheit), einsehbarem Besprechungsraum und Kommunikationsecke soll ein effizienteres sowie deutlich agileres und mobileres Arbeiten ermöglichen. Alle Arbeitsplätze sind mit Laptops, die Konferenzräume mit Touchbildschirmen, Funktechnik für kabellose Kommunikation sowie der Möglichkeit für Videokonferenzen ausgestattet.
Nachdem der Kreis Viersen mit der Planung von drei Bauprojekten nach den Grundsätzen der zirkulären Wertschöpfung im kommunalen Bereich bereits eine Vorreiterrolle innehat, ist mit der Umsetzung des „modern Workplace“ nun ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und gesundes Bauen erfolgreich vollzogen.
Markus Wöhrl
Der Autor
Markus Wöhrl ist Pressesprecher des Kreises Viersen
Info: Erfahrungsaustausch
Der Kreis Viersen hat einen Blog eingerichtet, um seine Erfahrungen und sein Know-how in den Themenbereichen zirkuläre Wertschöpfung, BIM und Nachhaltigkeit allen Interessierten zugänglich zu machen. Unter www.nachhaltiger-kreis-viersen.de stehen Informationen über den Baufortschritt des Kreisarchivs zur Verfügung, kommen Fachleute zum nachhaltigen Bauen zu Wort und sind Diskussionen zu technischen Fragen möglich.