Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln bündeln in ihrer Hochwasserschutzzentrale in einzigartiger Weise Know-how zu allen Fragen der fachlichen Planung, der Vorsorge und des Einsatzmanagements. Der Leiter der Einrichtung, Henning Werker, beleuchtet im Interview die Situation der Großstadt am Rhein und erläutert seine Aufgaben.
Herr Werker, die Ansichten der vom Rhein überfluteten Kölner Innenstadt dürfte jedermann vor Augen haben. Wie viele Menschen betrifft in Köln ein Jahrhunderthochwasser?
Werker: Es liegt im Verantwortungsbewusstsein der StEB Köln, die Bewohner in den betroffenen Stadtgebieten vor Hochwasser zu schützen. Seit der Fertigstellung der neuen Hochwasserschutzanlagen im Jahr 2008 ist Köln weitgehend bis zu einem 100- und teilweise sogar bis zu einem 200-jährlichen Hochwasser geschützt. Bei einem Wasserstand bis 11,30 Meter Kölner Pegel, das entspricht einem 100-jährlichen Hochwasser, sind seitdem bis zu 530 Personen überflutungsgefährdet. Sie werden bedarfsorientiert mittels Fahr- oder Fährdienst unterstützt. Bei einem 200-jährlichen Pegelstand von 11,90 Meter werden in einem größeren Umfang bebaute Bereiche Kölns überflutet und knapp 22 000 Personen gefährdet. Werden auch diese Schutzhöhen überschritten, sind bis zu 117 000 Personen betroffen. Zusätzlich ergeben sich in dieser sehr alten und extrem dicht bebauten Großstadt im erheblichen Umfang kulturelle, wirtschaftliche und ökologische Schäden.
Worin bestehen die Hauptaufgaben der Hochwasserschutzzentrale?
Werker: Die Hochwasserschutzzentrale der StEB Köln ist die einzige ganzjährig besetzte Organisationseinheit Europas, die sich ausschließlich mit allen Belangen des Hochwasserschutzes beschäftigt. Die StEB Köln stellen auch den eigentlichen technischen Schutz stellen sicher. Zu unserem professionellen Service gehört es, dass die Hochwasserschutzzentrale der StEB Köln bei Hochwasserereignissen die Wasserspiegelvorhersage durchführt, die Warnungen erstellt und Informationen für die Bevölkerung und die Fachdienststellen koordiniert und die hochwasserbedingten Einsätze dokumentiert. Auch werden die nötigen Materialien zur baulichen und planerischen Vorsorge bereitgestellt. So werden bei allen privaten und öffentlichen Baumaßnahmen Hinweise zum Überflutungsschutz mitgeteilt, die durch allgemeine Informationen ergänzt werden. Zudem werden Erfahrungen mit nationalen und internationalen Hochwasserverantwortlichen ausgetauscht. Die Initiierung und Umsetzung von laufenden Optimierungen des Hochwassermanagements einschließlich der Berichte gemäß der europäischen Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie gehören selbstverständlich ebenfalls zu den Aufgaben der Hochwasserschutzzentrale der StEB Köln.
Keine Stadt lebt allein am Fluss, auch kann keine Stadt das Hochwasser aufhalten. Was ist bei Ihnen in der Hochwasserschutzzentrale los, wenn zum Beispiel der Rheinpegel Maxau in Baden-Württemberg steigt?
Werker: Steigt der Rheinpegel in Maxau, dann steigt etwa zwei Tage später auch der in Köln. Bereits bei einem Wasserstand von 4,50 Meter, also etwas mehr als ein Meter oberhalb des Mittelwasserstands, sind in Köln die ersten Hochwassermaßnahmen durchzuführen. Daher beobachtet die Hochwasserschutzzentrale der StEB Kölntäglich den Rheinwasserstand. Mit steigendem Wasserstand sind immer umfangreichere Maßnahmen durchzuführen, insgesamt über 1000 Einzelmaßnahmen. Die Hochwasserschutzzentrale befindet sich dann in einer großen Besetzung rund um die Uhr im Einsatz. Mehrere Fachberater beurteilen die Lage vor Ort, informieren und beraten sowie Verbindungspersonen zu allen wesentlichen Fachdienststellen unterstützen die Koordinierung der Einsatzkräfte. Bei hohen Wasserständen ab 10,70 Meter Kölner Pegel geht die Hochwasserschutzzentrale in die Katastrophenleitstelle über.
Wie ist es gegenwärtig um den baulichen Hochwasserschutz in Ihrer Stadt bestellt? Gibt es aktuell Sanierungs- oder Erweiterungsvorhaben?
Werker: Die mit einem Investitionsvolumen in Höhe von rund 450 Millionen Euro erstellten Hochwasserschutzmaßnahmen wurden 2008 fertiggestellt. Hierzu gehörten Hochwasserpumpwerke und -schieber ebenso wie stationäre und mobile Hochwasserwände sowie ein Retentionsraum, also ein Wasserrückhalteraum. Aktuell wird die Verbesserung der Standsicherheit einer vorhandenen Ufermauer bei ablaufender Hochwasserwelle geplant sowie die Planfeststellung eines sehr großen Retentionsraums in Köln-Worringen durchgeführt. Der Retentionsraum wirkt sich bei einem 200-jährlichen Hochwasser bis in die Niederlande aus. Eine Erweiterung des aktuellen Hochwasserschutzes erscheint aus heutiger Sicht nicht sinnvoll, vielmehr wird schwerpunktmäßig die Abwicklung der Hochwassermaßnahmen optimiert. Dazu werden von uns alle notwendigen technischen und organisatorischen Abläufe kontinuierlich geprüft und wenn notwendig verbessert.
Der Retentionsraum Köln-Porz-Langel ist der erste gesteuerte Retentionsraum in Nordrhein-Westfalen. Was bedeutet das? Welche Entlastungsfunktion übernimmt er?
Werker: Der Retentionsraum im Süden von Köln soll so gesteuert werden, dass er die Hochwasserwelle kurz vor der ersten Flutung größerer bebauter Gebiete in Köln reduziert. Mit der Flutung des Retentionsraums kann entweder die Überflutung des linksrheinischen Kölner Stadtgebietes vermieden werden oder es ergibt sich deutlich mehr Zeit zur Evakuierung oder Schutz der Bebauungen. Gleiches gilt im Übrigen für den geplanten Retentionsraum im Kölner Norden. Wir sind in Köln ein wenig stolz darauf, dass wir mit dem ersten gesteuerten Retentionsraum nicht nur unsere eigenen Eingriffe in die Wasserführung des Rheins ausgeglichen haben, sondern einen Vorteil für unsere Unterlieger bewirken. Der neue Retentionsraum im Norden Kölns wird wesentliche weitere Vorteile bringen. So wollen wir nicht nur von unseren Oberliegern Retentionsräume zur Reduzierung von Hochwasserwellen fordern, sondern selber das Möglichste dafür tun. Mit den beiden Retentionsräumen werden die gesamten Möglichkeiten der Stadt Köln zugunsten der Hochwasservorsorge genutzt. Dabei ist es immer unser Ziel, die Lebensqualität der Menschen und den Schutz der Gewässer im Fokus zu haben. Das gelingt uns durch eine hohe Kompetenz unserer Mitarbeiter und einer vorrausschauenden Planung.
Stichwort Digitalisierung: Welche Chancen, meinen Sie, bieten sich zum Beispiel in der Zusammenführung von Lageinformation im Notfall?
Werker: Ich persönlich glaube, dass die Digitalisierung in allen Bereichen unseres Lebens noch deutlich zunehmen wird. Daher beteiligen sich die StEB Köln an entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Mit Spezial-Software sollen Informationen aufbereitet und so visualisiert werden, dass eine Einschätzung der Lage vor Ort möglich ist, sowohl bei planmäßigen Arbeiten als auch bei unvorhergesehene Ereignissen. Optimierungen der Maßnahmenvorbereitung schließen sich mit automatisierter Routinen an. Der Mensch mit seinen Fähigkeiten und Erfahrungen wird allerdings weiterhin die maßgebenden Entscheidungen treffen. Er wird aber durch solche Systeme unterstützt, was bisher nur stark eingeschränkt möglich war.
Und was wird künftig möglich sein in der Kommunikation mit den Bürgern?
Werker: Professioneller Service ist ohne eine klare Kundenorientierung nicht möglich und diese erfordert geradezu eine intensive Kommunikation mit den Bürgern. Hierzu erarbeiten wir gerade vielfältige Maßnahmen, und dennoch verbleibt trotz Information und gutem Hochwasserschutz immer ein Restrisiko. Es können höhere Ereignisse als das Schutzziel auftreten. Zudem gibt es keinen Schutz gegen das bei einem Hochwasser erheblich ansteigende Grundwasser. Insofern ist die Eigenvorsorge ein wesentliches Element der Schadensreduzierung. Die Bevölkerung und Institutionen in Köln über die Gefahren einer Überflutung zu informieren und zu sensibilisieren sowie zur Eigenvorsorge zu motivieren, wird uns weiterhin beschäftigen. Hierbei ist es vorgesehen, den Schutz bei Starkregenereignissen unmittelbar mit der Überflutungsvorsorge bei Hochwasser zu verbinden. Denn die Maßnahmen des Objektschutzes sind identisch. Somit wird versucht, der bekanntermaßen bestehenden Hochwassergefährdung entgegenzuwirken und mittelfristig die Resilienz der Großstadt Köln wesentlich zu erhöhen.
Interview: Jörg Benzing
Zur Person: Henning Werker ist Hauptabteilungsleiter Planung und Bau und Leiter der Hochwasserschutzzentrale der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln)