Umfragen sehen die AfD als drittstärkste Partei in Mecklenburg-Vorpommern. Das eröffnet der Linken und den Grünen Optionen auf die Regierungsbeteiligung, denn SPD und CDU haben nur geringe Chancen auf Fortsetzung der Koaltion. Die Landtagswahlen am 4. September werden spannend.
In Mecklenburg-Vorpommern wird sich im Vergleich zur Landtagswahl 2011 einiges tun auf dem politischen Boden. Den jüngsten Umfragen zufolge wird vor allem die SPD mit erheblichen Stimmeinbußen rechnen müssen. Nachdem sie vor fünf Jahren noch mit satten 35,6 Prozent triumphierte, mit Erwin Sellering folglich den Ministerpräsidenten stellen konnte, hat die CDU sie nun überholt. Vor allem die AfD, die sich anschickt drittstärkste Partei im Land zu werden, wirbelt die Machtverhältnisse durcheinander. Die große Koalition von CDU und SPD wackelt. Am 4. September ist die Wahl zum siebten Landtag des dünn besiedelten Bundeslandes mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern.
Hatten die Sozialdemokraten die CDU im Schlussspurt 2011 noch deklassiert, so sind laut der jüngsten Umfrage von Infratest Dimap die Christdemokraten mit 24 Prozent wieder an der SPD (22 %) vorbeigezogen. Eine Partei, die vor fünf Jahren noch keine Rolle gespielt hatte, wird in den Schweriner Landtag einziehen, so viel steht schon jetzt fest. Die Alternative für Deutschland kommt auf 18 Prozent und positioniert sich als drittstärkste Partei des Landes. Damit würde sie die Linke ablösen, die laut der Umfrage nur noch auf 16 Prozent (2,4 Prozent weniger als 2011) kommt. Der Aufschwung der AfD könnte jedoch zu Lasten einer weiteren rechten Partei laufen: Die NPD, die es bei den vergangenen beiden Wahlen in den Landtag geschafft hatte (2011 mit sechs Prozent), kommt auf derzeit vier Prozent. Auch die FDP dürfte es erneut schwer haben, in den Schweriner Landtag einzuziehen, die Umfragewerte liegen nahe denen der NPD.
Doch was sind Umfragen im Vergleich zu den tatsächlichen Wahlen? In Sachsen-Anhalt ist die Alternative für Deutschland bei den Umfragen bei 17 bis 19 Prozent gelegen. Bei den Umfragen waren es dann deutlich mehr (24,3 %). Wenn man die 24 und 22 Prozent der CDU und SPD sieht, besteht sogar die Möglichkeit, dass die AfD als stärkste Partei abschneidet. Zwar ist die AfD als stärkste Partei nur ein theoretisches Konstrukt, doch Sachsen-Anhalt hat gezeigt, was möglich ist.
Gegen den Aufschwung der AfD geht Erwin Sellering, SPD-Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern, bereits vor. Von der AfD seien nur Hass und Hetze zu erwarten, jedoch keine Lösungen, sagte Sellering im Interview mit der „Welt“.
Starker Staat ist Programm der CDU
Die CDU hat unter Lorenz Caffier die Kurve wieder halbwegs bekommen. Grund genug, eine klare Kampfansage an den Koalitionspartner SPD zu richten: „Wir haben keine Lust mehr auf Juniorpartner“, wird er auf der Internetpräsenz des NDR zitiert. Das Ministerpräsidentenamt ist das klare Ziel des 61-Jährigen. Zentrales Thema in seinem Wahlprogramm ist der starke Staat, für den er beispielsweise über 500 neue Stellen bei der Polizei versprochen hat. Ebenso soll es einen Stellenzuwachs in Justiz und Verfassungsschutz geben.
Weiteres Thema der CDU, wie auch schon bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, ist die Verschärfung der Asylpolitik. „Klar und entschlossen“, wie es unter dem CDU-Logo auf der mecklenburg-vorpommerischen Internetpräsenz klar zu lesen ist. Die SPD würde, treffen Caffiers markige Worte zu, seit mehr als zehn Jahren einen Ministerpräsidenten verlieren. 2005 war das in Nordrhein-Westfalen so, es traf Peer Steinbrück. Die Bundes-SPD blickt mit Sorge nach Schwerin.
Stagnation erhofft man sich indes bei den Grünen. Die 8,7 Prozent, die vor fünf Jahren erreicht wurden, würden die Politiker rund um die Landesvorsitzende Claudia Müller erfreuen. 2011 gelang damit der erste Einzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Forderungen nach ökologischer Landwirtschaft, besserer Mobilität und Chancengleichheit in der Bildung sind die Themen, mit denen die Grünen vorrangig im Wahlkampf punkten möchten. Auf dem Parteitag in Stralsund im vergangenen Herbst sind Landesvizepräsidentin Silke Gajek und Grünen-Fraktionschef Jürgen Suhr als Spitzenduo bestätigt worden. Beide waren mitverantwortlich für den besagten erstmaligen Einzug in den Landtag 2011.
So obskur es klingen mag: Die Stärke der AfD ermöglicht Grünen und Linken eine Macht-Option. Denn SPD und CDU sind nach den jüngsten Umfragewerten nicht mehr im Stande, die nötigen 50 Prozent der Wählerstimmen aufzubringen. Magdeburg dient hier für die beiden Großparteien als mahnendes Beispiel, in Sachsen-Anhalt regiert seit diesem März die sogenannte Kenia-Koalition – mit den Grünen. An Spannung ist die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern kaum zu überbieten.
Timo Lämmerhirt
Der Autor
Timo Lämmerhirt, Waldstetten, ist Redakteur bei der „Schwäbischen Zeitung“ sowie Autor für verschiedene Medien